[B]: Plakatkampagne "Spot the Touri"

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In den letzten Wochen sind in Berlin viele Plakate zu entdecken, mit denen Ablehnung von Tourist*innen kritisch hinterfragt wird. Denn in Berlin ist gegenüber Tourist*innen teilweise eine abschätzige bis feindliche Einstellung feststellbar. Die Plakatkampagne weist daraufhin, dass diese Einstellung latent eine bestimmte Form von Fremdenfeindlichkeit darstellt. Es wird zwischen zwei Menschengruppen unterschieden: Den Berliner*innen, die schon länger da sind und die deswegen in diese Stadt gehören. Und die Tourist*innen und Zugezogenen, die die Kieze zersetzen und teilweise für viele Probleme verantwortlich gemacht werden. Die Kampagne ist betont einseitig und geht nicht auf die Funktion der Tourismusindustrie in der kapitalistischen Stadt als Verwertungsinstrument ein. Eine fortgesetzte Auseinandersetzung mit Tourismus müsste dies liefern.

 

Der Touri in Berlin
Seit nicht allzu langer Zeit haben die Berliner*innen einen neuen Feind für sich entdeckt: die Touris. Aus so unterschiedlichen Spektren wie den Berliner Grünen, die eine Veranstaltung unter dem Slogan „Hilfe, die Touris kommen“ abhielten, und einem „linksradikalen“ Aufruf zur Demonstration am 1. Mai, gegen die „Touristenhorden“, die uns „die Hauseingänge vollkotzen“, auf die Straße zu gehen, tönt der Hass auf den Gast von außerhalb und das nicht nur durch die Pulloveraufschrift „Du bist kein Berliner!“. Auf die Spitze getrieben wird das Ganze dann mit Stickern wie jenem zum „Touristen Fisten“.
Auch die eigentlichen Profiteur*innen der Berlinbesucher*innen zeigen sich nicht immer erfreut über die neue Kundschaft. So wurde in der Weserstraße in Neukölln an einer Bar ein Schild mit der Aufschrift „No Entrance for Hipsters from the US“ aufgehängt. Doch was ist eigentlich so furchtbar an mehr Tourist*innen in der Stadt?
Ein wesentliches Merkmal des Touris ist, dass diese*r nicht „von hier“ ist. Ist er_sie nicht „von hier“, ist er oder sie fremd und damit anscheinend in den Augen der Berliner*innen verdächtig. Verdächtigt wird er_sie unter anderem der Zersetzung des einheimischen Kiezes. Der Touri, so scheint es dem/der xenophoben Anwohner*in, ist Schuld an der Preiserhöhung in der Lieblingskneipe oder am Dichtmachen des Tante Emma Ladens und der anschließenden Eröffnung der Cocktail-Bar. Offensichtlich wird hier eine extrem einfache und daher sehr bequeme Dichotomie aufgebaut: „Wir“ die hier schon lange (?) wohnen gegen „die Fremden“ die auch noch nur für kurze Zeit herkommen und „unser Habitat“ ruinieren.

Schublade auf, Touri rein
Doch woher wissen die selbsternannten Tourismuskritiker*innen wer Touri ist und wer nicht? Wie sieht mensch jemanden auf der Straße an, dass die Person nicht „von hier“ und auch nur kurze Zeit hier ist? Ein solche Einordnung ist schlichtweg unmöglich. So behilft sich manche*r Berliner*in mit der Erkennung der Sprache. Spricht die gesichtete Person zufällig Englisch, Spanisch oder Italienisch, wird die Touri-Schublade im Kopf aufgerissen und die betreffende Person nebst eventuellen Begleiter*innen darin verstaut. Und wenn sich herausstellt, dass die Menschen, die jene Sprachen sprechen, häufig schon sehr lange in Berlin wohnen, wird die Kategorie des Touris kurzerhand erweitert: Nun sind sie „Dauertourist*innen“.

Simon-Dach-Straße für alle ?
Die Kampagne stößt in einigen Teilen der Linken auch auf Ablehnung. So werden die Plakate im Schillerkiez teilweise mit "Ferienwohnungen zu Flüchtlingsunterkünften"-Überklebern versehen. Wir begrüßen diese diskursive Gegenintervention. Denn das Ziel der Kampagne ist es nicht, die Tourismusindustrie in Berlin zu verteidigen und die Wut der Menschen auf simple Fremdenfeindlichkeit zu reduzieren.
Ziel muss es sein, die steigenden Mieten und Verdrängung auf die kapitalistische Struktur der Stadt zurückzuführen und dafür nicht einzelne Personengruppen wie Tourist*innen oder Schwaben verantwortlich zu machen. Die Kämpfe gegen die kapitalistische Stadtumstrukturierung müssen emanzipatorisch geführt werden. Das bedeutet auch, dass bestimmte Verkürzungen offen thematisiert und kritisiert werden sollten. Solch eine Kritik sollte aber nicht zu einer identitären Selbstisolation führen, sondern die gemeinsame Bemühungen um eine andere, nichtkapitalistische Stadt schlussendlich stärken. Eine Kritik an der Rolle des Tourismus in der Verwertung der Stadt und eine Kritik daran, dass bestimmte kategorisierte Personengruppen anstatt Strukturen für steigende Mieten verantwortlich gemacht werden, schließen sich dabei nicht aus.
Der Kampf der Mieter*innen am Kottbuser Tor, von Nuriye Cengiz gegen ihre Zwangsräumung und die diversen Auseinandersetzungen in den Kiezen bieten dabei wichtige Anknüpfungspunkte für eine linksradikale Stadtpolitik, die sich nicht scheut, die
Identitäten und Ausschlüsse zu benennen, die die eigene Praxis hervorruft.

 

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Donnerstag 9.8. // 19 Uhr // B-Lage (Mareschstr.1)/Neukölln

 

Infoveranstaltung zur Plakatkampagne "Spot the Touri". Auf der Veranstaltung soll kurz das Plakat "Spot the Touri" vorgestellt und verdeutlicht werden, warum wir eine Intervention in der Auseinandersetzung um 'Touris' für wichtig halten. Anschließend werden wir zu den zentralen Kritikpunkten im Hinblick auf die Kampagne Stellung beziehen, um dann Raum für eine gemeinsame Diskussion zu geben.

Person X: "Ich glaub' schon, dass Schwaben in Berlin ein Getrifizierungsfaktor sind."

Person Y: "Ja mag sein, aber in Stuttgart auch."

bullen die fahradfahrer anhalten...dachte das gäbs nur in stuttgart!?