Mit dem Näherrücken der Olympiade ist in Calais verstärkte Polizeirepression gegen Communities von Sans-Papiers und ihre Unterstützer_innen zu beobachten. Da Calais während den Spielen als „Olympic Village“ dient, wird nun begonnen die Straßen „migrantenfrei“ zu bekommen. (Dieser Ausdruck ist im Kontext der erklärten Zielsetzung des damaligen Innenministers Eric Besson zu verstehen, nach welcher er Calais „migrantenfrei“ bekommen wollte)
In den letzten Monaten kam es zu zahlreichen Räumungen von Unterkünften, bei denen viele der Gebäude gesperrt und abgerissen wurden. Ohne diese Schlafplätze werden die Sans-Papiers aus der Stadt herausgetrieben
Nachdem im März diesen Jahres das
größte Squat, genannt Africa House, abgerissen wurde, zogen sich
eine Vielzahl von Menschen mit und ohne Aufenthaltspapieren in
kleinere leerstehende Häuser zurück um nicht auf Calais'
ungemütlichen Straßen schlafen zu müssen.
Aber auch in
diesen Räumen führte die Polizei kontinuierliche Razzien durch.
Seitdem wurden mindestens zehn weitere Häuser geräumt und gesperrt,
in denen Communities unterschiedlicher Herkunft untergekommen
waren.
Zudem wurden in den letzten Monaten mehrere besetzte
Häuser geräumt, welche schon jahrelang als Unterkunft gedient
hatten und bislang der Repression widerstehen konnten.
Hinzu
kommt die anhaltende Zerstörung von so genannten „Jungles“,
selbst errichteten Camps in Parks und unter Brücken. Auch der Platz
der Essensausgabe, welcher trotz Stacheldrahtumzäunung und blankem
Betonboden des Öfteren als Schlafplatz diente, wenn alle anderen
Orte von der Polizei geschlossen wurden, wurde wieder und wieder von
den Ordnungshüter_innen heimgesucht.
Razzien und Räumungen
von Unterkünften stellen in Calais keineswegs eine Neuigkeit dar.
Neu ist allerdings das Ausmaß der Repression, welche keine
Alternativen zulässt und es nahezu unmöglich macht, Schlafplätze
zu finden.
Die Verbindung der intensivierten Bemühungen die
Sans-Papiers aus der Stadt zu treiben zur kommenden Olympiade scheint
offensichtlich.
Ende März kam es vermehrt zu präventiven
Verhaftungen von Sans-Papiers und NoBorder Aktivist_innen, während
eines offiziellen Olympia-Besuchs des neuen britischen Botschafters
Sir Peter Rickett. Die Festgenommenen wurden für die Dauer seines
Aufenthalts in Calais in Haft gehalten und teilweise von
Polizist_innen misshandelt. (Näheres dazu:
http://www.schnews.org.uk/stories/Olympic-Cleansing-in-Calais/ und
http://www.indymedia.org.uk/en/2012/04/494501.html).
Die Räumungen der Squats waren
größtenteils illegal. In Frankreich müssen Bewohnende von
besetzten Häusern im Vorhinein informiert werden, Bekanntmachen
bezüglich der Räumung im Rathaus und am betreffenden Gebäude
veröffentlicht werden und eine Anfechtung des Urteils möglich sein.
Zudem ist die Polizei verpflichtet, im Zuge der Räumung das
Gerichtsurteil vorzuzeigen. Dies passiert in Calais jedoch äußerst
selten.
Bei einigen der größeren Squats bemühten sie sich,
Gerichtsbeschlüsse vorweisen zu können. Aber der überwiegende Teil
der Besetzungen wurde auf illegale Weise geräumt. Die Polizei räumt,
wann und wie es ihr passt.
Das Unternehmen für Sozialwohnungen
Office Public de l’Habitat de Calais (OPH) zeigt sich bei
diesen Räumungen äußerst kooperativ. Als Eigentümer mehrerer
leerstehender Gebäude, autorisiert es Räumungen und Abrisse und
zeigt sich von Sans-Papiers, die zu Dutzenden auf die Straße gesetzt
werden, unbeeindruckt.
Im Zuge der Olympiade setzt die Region
auf eine künstliche „Welcome the World“-Kampagne, welche
Athlet_innen und Zuschauer_innen als Tourist_innen anziehen soll.
Zynischerweise ist jedoch auch diese Kampagne ein Antriebfaktor der
Vertreibung von Sans-Papiers aus der Stadt.
Mehr als 100
Millionen Euro wurden in die Region, in der die diesjährigen
Olympischen Spiele stattfinden, gepumpt, um Sporthallen zu bauen und
den Tourismus zu fördern.
In Nord-Pas-de-Calais gibt es 34 Olympische und Paraolympische Trainingsgelände, auf denen auswärtige Teams trainieren. Im vergangenen Jahr haben 47 Delegationen von ausländischen Teams die Anlagen besichtigt, unter Anderem auch Delegationen aus Pakistan und Senegal.
Am Donnerstag, den 21. Juni 2012,
besuchte Manuel Valls, der französische Innenminister, sowohl Calais
als auch London, um die franko-britische Zusammenarbeit in Bezug auf
die Sicherheit währen der Olympischen und Paraolympischen Spiele zu
besprechen.
In Calais fanden Treffen statt, bei
denen die Überwachung und Sicherheit des Hafens thematisiert wurde.
In London traf er sich mit seinen Amtskolleg_innen Theresa May,
britische Innenministerin, Damien Green, britischer
Immigrationsminister, und James Brokenshire, britischer Minister für
Sicherheit und Terrorbekämpfung, um „terroristische“
Bedrohungsszenarien und Immigration während der Olympiade zu
besprechen.
Während dieses Treffens kündigte
Theresa May einen G6-Gipfel im November 2012 an, bei dem die
Innenminister der sechs einflussreichsten europäischen Staaten
zusammen kommen sollen.
Aus Gründen der Sicherheit werden
während der Londoner Olympiade polizeiliche und private
Sicherheitstruppen die Straßen besetzen. Es werden Flugdrohnen zur
Sicherung des Luftraumes eingesetzt, Kriegsschiffe in der Themse
stationiert, Luft-Boden-Racketen einsatzbereit sein und
Scharfschützen auf Hausdächern bereit stehen.
Die
„Sicherheit“ des Staates, oder anders ausgedrückt, der Versuch
die Bevölkerung wegen „Immigration“ und „Terrorismus“ zu
kontrollieren, geht vermehrt Hand in Hand mit der multinationalen
Waffenindustrie, welche sich immer mehr in den Bereich der
Immigrationskontrolle und Überwachungssysteme ausbreitet.
Das
„große Reinemachen“ in London und Calais im Namen der Sicherheit
für die Olympiaindustrie und ihre Zuschauer_innen, stellt in
Wirklichkeit eine Gelegenheit dar, den Einsatz von drakonischen
Überwachungssystemen und einem Arsenal an Sicherheitsmaßnahmen zum
Schutze der Privilegierten und ihres Profites, weiter zu verstärken.
CALL OUT FOR THE SUMMER: Kommt nach Calais um Menschen mit
und ohne Papiere vor und während der Olympiade zu
unterstützen!
CALL OUT FOR SQUATTERS: Eure Hilfe bei der
Suche nach Schlafplätzen in Calais, würde sehr begrüßt werden!
Weitere Infos unter: http://calaismigrantsolidarity.wordpress.com
und calaismigrantsolidarity.blogsport.de
Dieser Artikel wurde übernommen und übersetzt von http://www.indymedia.org.uk/en/2012/06/497409.html
G6 Treffen
Das besagte G6-Treffen ist jenes halbjährliche Zusammenkommen von InnenministerInnen der sechs größten Mitgliedstaaten, jetzt ist zb auch Polen dabei. Mehr dazu hier: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36890/1.html.
Eine Kleine Anfrage förderte weiteres zutage: http://www.andrej-hunko.de/presse/pressemitteilungen/1165-zu-wenig-ausku...