Zum Tode von Christa Eckes

Christa Eckes

Christa bin ich in meinem Leben einige Male begegnet und uns verbindet eine gemeinsame Widerstandsgeschichte von bald 40 Jahren. Kennengelernt habe ich sie im Herbst 1972 in Hamburg während des Prozesses gegen Margrit Schiller aus der RAF. Christa kam aus trotzkistischen Zusammenhänge und wir stellten, zusammen mit vielen anderen Menschen und Gruppen, Öffentlichkeit zum Prozess her.

 

Trotz dem Einknicken vieler AktivistInnen damals aus der Achtundsechzigerbewegung vor dem Staat und den diversen Verhaftungen von Militanten aus der RAF im Sommer 1972, war es eine gute Erfahrung, das Solidarität mit diesen Eingesperrten möglich war.

Für mich war das, wie für viele Andere auch, dass ich zum ersten Mal einen Prozess gegen eine Militante aus der Guerilla solidarisch begleitete. Wir bekamen mit, wie die Klassenjustiz agierte und das Widerstand dagegen möglich war.

Der Klassenfeind lernte aus seinen Fehler und später fanden Prozesse in militärisch abgesicherten Prozessbunkern wie in Stuttgart-Stammheim statt. Ich selbst erlebte hautnah, dass der Kampf auch vor dem Gericht offensiv geführt werden konnte. So erfuhr ich durch Margrit`s Prozesserklärung, dass alle, die sich in bewaffneten Gruppen organisiert hatten, aus Basisgruppen kamen. Sie z. B. kam aus dem SPK (Sozialistisches Patientenkollektiv).

Ein halbes Jahr später trafen sich Christa und ich wieder.

 

Am 19. April 1973 besetzten wir mit vielen anderen ein Haus in der Hamburger Ekhofstraße.

Die Aktion erfolgte auf Grund der Umstrukturierung des Stadtteils Hohenfelde, was heute wohl als Gentrifikation bezeichnet wird. Bei der Besetzung war die radikale Linke Hamburgs ein Anziehungspunkt. Wir waren ein Kontrapunkt zu den vielen Achtundsechzigern, die jetzt mit dem kapitalistischen System paktierten. Wir betrieben deswegen Stadtteilarbeit für die Bevölkerung, boten z. B. Beratung in Mietfragen an und praktizierten kostenlose medizinische Hilfe für die Menschen im Stadtteil und wehrten uns offensiv gegen Polizeikontrollen. Dadurch sprachen wir vor allem viele Jugendliche an, die selbst unzufrieden mit dem herrschenden System waren und auf der Suche nach Orientierung: es kamen Schulklassen zu Besuch, Unterprivilegierte wie Rocker zogen ein, weiterhin holten wir Jugendliche aus den Heimen und sie bekamen bei uns im Haus eine Bleibe .

Kurz vor der Räumung gaben wir unserem besetzten Projekt einen Namen: "Petra Schelm-Haus". Petra wurde als erste Militante aus der RAF am 15. Juli 1971 in Hamburg während einer Fahndung erschossen.

Das Haus wurde am 23. Mai von einem Mobilen Einsatzkommando der Hansestadt geräumt. Erwogen wurde, den § 129 ("Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung") gegen uns einzusetzen. 12, 14 und 16 Monate waren im anschließenden Verfahren für 3 von uns die "Höchststrafen".

Einige von den HausbesetzerInnen wie Stefan Wisniewski, Bernd Rössner, Wolfgang Beer, Andreas Vogel und eben auch Christa haben sich später bewaffneten Gruppen wie der "Bewegung 2. Juni" und der RAF angeschlossen.

Wolfgang und Christa wurden am 4. 2. 1974 als Mitglieder der RAF festgenommen.

 

Christa war wie alle Gefangenen aus der RAF 23 Stunden allein auf der Zelle. Sie wurden  hermetisch von allen Inhaftierten und von allen Gemeinschaftsveranstaltungen abgesondert. Die soziale und die sensorische Isolation führt zur Aushungerung der Sinnesorgane der Gefangenen und kann dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen. 9 Weggesperrte aus diesem Zusammenhang überlebten den Knast nicht.

Die Gefangenen aus der RAF waren bis zu 28 Jahren weggesperrt und wehrten sich in 10 kollektiven Hungerstreiks gegen diese Bedingungen.

Anfang 1981 kam Christa nach 7 Jahren aus dem Knast. Sie hatte sich an mehreren Hungerstreiks beteiligt. Zu dieser Zeit fand ein Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF und des Widerstands statt, die ihre Zusammenlegung in große Gruppen forderte. Christa stürzte sich gleich wieder in die Solidaritätsarbeit für diese Inhaftierten und so kamen wir wieder zusammen.

In diesem Streik starb Sigurd Debus an Folgen der Zwangsernährung. Wie er genau verstarb, ist unklar, da Teile seiner Krankenakte „verschwunden“ sind.

 

Christa schloss sich wieder der RAF an und wurde am 2. 7. 1984 verhaftet. Insgesamt war sie 15 Jahre inhaftiert.

Ich schrieb ihr und besuchte sie mehrere Male im Bielefelder Knast.

1992 wurde Christa entlassen und wir arbeiteten gemeinsam bei den „Angehörigen der politischen Gefangenen“. Wir beteiligten uns an diversen Kundgebungen und anderen Initiativen, damit die Eingesperrten nach langer Haft bis zu 28 Jahren endlich aus dem Knast kamen.

Weiterhin war sie unserer Zeitschrift, dem „Gefangenen Info“, damals nannte es sich noch „Angehörigen Info“, eng verbunden. Neben Diskussionen sorgte sie durch viele Beiträge dafür, dass letztlich alle Gefangenen aus der RAF, viel zu spät, aber endlich 2011 raus kamen.

Zuletzt organisierten wir für Christa am 26. 1. dieses Jahres in Hamburg eine Veranstaltung mit ihrem Anwalt zusammen.

 

Bekanntlich sollte sie ja in Beugehaft genommen werden, obwohl sie schwer erkrankt war. Kurz vor der Veranstaltung wurde bekannt, dass dank der solidarischen Öffentlichkeit, die Beugehaft gegen sie verhindert werden konnte

Nicht nur der Gefangene Faruk Ereren hatte gehofft, „dass Du nicht nur imstande bist, die Angriffe der herrschenden Klassen zu besiegen, sondern auch Deine Krankheit…“

 

Christa ist im Alter von 62 Jahren am 23. Mai 2012, dem 39. Jahrestag der Räumung der Ekhoffstraße, gestorben.

Viel zu früh.

 

Wolfgang von der Redaktion des „Gefangenen-Info“

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An die Freund_innen und alle, die sich jetzt gegen die Beugehaft eingesetzt haben

Der BGH hat die Beugehaft gegen mich zurückgewiesen. Das ist gut.
Damit ist natürlich die Auseinandersetzung mit der politischen Justiz, den Verfahren gegen linke Militante aus den 70er Jahren und heute nicht vorbei und auch nicht um die Aussageverweigerung und Beugehaft bei anderen sowie generell.
Das ist ja allen klar.

Ich will hier aber sagen, dass mich die Erfahrung von eurer Solidarität, Freundschaft und konkreter Unterstützung gerade jetzt sehr bewegt hat, und dass mir das auch in der gesundheitlichen Lage, in der ich nun mal bin, eine Sicherheit und einen Rückhalt gibt, was sehr bedeutend für mich ist.

Und es ist auch deutlich geworden, dass der große Einsatz und die vielen Proteste eine Wirkung gehabt haben. Wer weiß, wie die Sache sonst weiter gelaufen wäre.

Christa 

22.01.2012

http://keinebeugehaft.blogsport.de