Es ist etwas geschehen, das nicht geschehen darf: Ein linker Verlag, der Laika Verlag aus Hamburg, ist von den „Linken Buchtagen“, einer Buchmesse, die vom 15. bis 17. Juni in Berlin stattfinden wird, verbannt worden. Der Grund: Der Verlag hatte 2011 Texte von israelkritischen internationalen Autoren – darunter Noam Chomsky, Amira Hass, Moshe Zuckermann – in einem Buch mit dem Titel „Mitternacht auf der Marvi Marmara“ veröffentlicht.
Seit dem Ausschluss des Verlages rufen internationale linke Autoren, Verleger, Künstler, Organisationen, Aktivisten zum Boykott der „Linken Buchtage" auf. Der Herausgeber des Marvi-Marmara-Bandes, Moustafa Bayoumi, der Filmregisseur Ken Loach, der Verleger Eric Hazan, die Autoren Moshe Machover, Tariq Ali, Ilan Pappé, Institutionen wie das Alternative Information Center (AIC) in Jerusalem und viele andere bekunden ihre Solidarität mit denen, die von neokonservativen Kriegstreibern und Rassisten zum Schweigen gebracht werden sollen bzw. verteidigten ihr politisches Recht, ihre Texte ungehindert zu vertreiben. Sie unterzeichneten einen Boykott-Aufruf, der veröffentlicht wurde und dessen Unterstützerliste weiterhin ständig aktualisiert wird: http://boykottlinkebuchtage.blogspot.de
Nachdem die Veranstalter der „Linken Buchtage“ wegen ihres Vorgehens in die Kritik geraten waren, haben sie am 25. Mai eine Erklärung abgegeben, deren Aussagen den Konflikt weiter verschärfen: Sie pochen auf ihr tatsächlich existierendes juristisches Recht, den Laika Verlag ausschließen zu dürfen. „Den Laika Verlag haben wir nicht eingeladen“, sagen sie.
In ihrer politischen Begründung behaupten sie, dass die Gaza-Flottille „die Grenze dessen, was linke Politik bedeutet, nach rechts hin überschritten hat“. Sie behaupten, die „Free-Gaza“-Aktion sei „von Beginn an von israelfeindlichen und antisemitischen Parolen“ begleitet gewesen. Und sie empören sich über die „weltweite Verurteilung Israels“, nachdem neun Passagiere der Marvi Marmara von der israelischen Armee erschossen worden waren. Darüber hinaus behaupten sie, dass in dem Buch „Mitternacht auf der Marvi Marmara“ „antisemitische Ressentiments bedient“ und ein „Bündnis mit radikalen Rechten und islamistischen FundamentalistInnen akzeptiert“ werde. Abschließend betonen sie, sie würden nicht dulden, dass derartige „antisemitische Positionen“ auf den „Linken Buchtagen“ diskutiert werden.
Umso absurder die Ankündigung am Schluss ihrer Erklärung: „Durch die bereitwillige Boykottankündigung einiger Verlage und AutorInnen sehen wir jedoch das Zustandekommen der Buchtage gefährdet. Auch wenn wir in einer solchen Reaktion keine Grundlage für ein gemeinsames Projekt sehen […] verwehren wir uns hiermit – sollten die Drohungen aufrecht erhalten bleiben – nicht länger gegen die Anwesenheit des Laika Verlags.“ Die Behauptung, es habe „Drohungen“ gegeben, ist eine Lüge und nichts weiter als ein kläglicher Versuch, sich als Opfer zu inszenieren.
Der Laika Verlag hat mittlerweile erklärt, dass er nicht bereit ist, „einfach zur Tagesordnung überzugehen“ und sich unter die „Organisationshoheit“ von Veranstaltern zu stellen, die opportunistisch und unberechenbar handeln. „Wir es geradezu grotesk, dass ein linker Verlag wie der LAIKA-Verlag gegen einen antideutschen Wächterrat kämpfen soll, um an linken Buchtagen teilnehmen zu können.“
Um deutlich zu machen, dass es hier nicht nur darum geht, einen linken Verlag von „Linken Buchtagen“ auszuschließen, sondern darum, jegliche Israelkritik, den Antikapitalismus und die Friedensbewegung historisch zu delegitimieren und als „antisemitisch“ und „rechtsradikal“ zu kriminalisieren: In den vergangenen Jahren wurden auf den von „antideutschen“ Neokonservativen mehr und mehr dominierten „Linken Buchtagen“ (sie werden u.a. von der neoliberalen Tageszeitung „taz“, der „Jungle World”, einem führenden Organ der „antideutschen“ Neocons, promotet) immer wieder offensiv bellizistische Positionen vertreten. Vor allem kam es häufiger zu rassistischen Entgleisungen gegen die muslimische Bevölkerung. So konnte der „Jungle World“-Autor Thomas Maul dort ungestört seine Hetztiraden absondern, ohne dass sich die Veranstalter daran störten. Thomas Maul hält ein Kopftuchverbot für Muslimas für „nicht nur eine von vielen nötigen, sondern die entscheidende integrations- und frauenpolitische Maßnahme unserer Zeit, die zugleich sicherheits- und einwanderungspolitische Effekte nach innen sowie politische Signalwirkung für den Kampf gegen den Islamismus nach außen zeitigen würde“. Als Rufe aus dem Publikum, wie „Ich hasse die Moslems, das wird man doch noch sagen dürfen“ kamen, schritten die Veranstalter der „Linken Buchtage“ nicht ein.
Auch ein jüngst erschienener Artikel in der „taz“ über die „Linken Buchtage“ gibt Aufschluss, wo bei den Veranstaltern und ihren Unterstützern das Herz schlägt: „Bei den Auseinandersetzungen an Bord der ,Mavi Marmara‘ kamen neun Aktivisten ums Leben, auch israelische Soldaten wurden verletzt“, wird die Bluttat des israelischen Militärs zynisch relativiert. Jörg Sundermeier vom an den „Linken Buchtagen“ beteiligten „Verbrecher Verlag“ begrüßte die Zensur internationaler Kritik an Israel.
Wieder einmal ist in Deutschland ein Albtraum Realität geworden. Kriegstreiber, Rassisten, Antikommunisten, Täterenkel, die die deutsche Schuld auf das palästinensische Kollektiv abwälzen wollen, und andere Linken-Hasser – beispielsweise Clemens Heni, der an der Universität Tel Aviv eine Rufmord-Kampagne gegen Moshe Zuckermann gestartet hat* – werden am Wochenende ihre reaktionäre Politik mit dem Label „Linke“ camouflieren.
Gebt Euch nicht als Statisten für diese schmutzige Inszenierung her – boykottiert die „Linken Buchtage“!
Hoch die internationale Solidarität!
Boykott-Kampagne „Linke Buchtage“
Kontakt: boykott.linkebuchtage@googlemail.com
Nähere Informationen:
+ Erste Erklärung des Laika Verlages:
http://www.laika-verlag.de/presse/solidarit%C3%A4tsaufruf-gegen-die-zensur-bei-den-linkenbuchtagen-berlin
+ Zweite Erklärung des Laika Verlages:
http://www.laika-verlag.de/presse/2-stellungnahme-zu-den-linken-buchtagen-2012
+ Eine Dokumentation der Erklärung der Veranstalter der „Linken Buchtage“ sowie ein Artikel dazu ist in dem linken Nachrichten-Magazin Hintergrund zu finden:
+ Artikel junge Welt:
http://www.jungewelt.de/2012/05-26/028.php
+ Artikel Neues Deutschland:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/228148.das-gewisse-blaue-buch.html
+ Artikel taz:
http://www.taz.de/!94557/
hier ein weiterer artikel
de.indymedia.org/2012/06/331211.shtml
hat aber nix mit boykott-aufrufen zu tun
gelassen ...
... ich "boykottiere" nicht, ich gehe einfach nicht hin, sondern fahre nach bochum zur libertären medienmesse --
wenn ich eine/n von denen, die da öffentlich zu einem boykott aufrufen, in bochum sehen sollte, würde mich das zwar wundern, aber richtig freuen
Juchhu
Zum Glück haben wir ja euch, die moralische Elite der radikalen Linken, die alles weiß und uns deshalb brav befiehlt, was wir zu tun haben.
Hört sich nach Quak an
Quak, Quaaaaak, Quak
Hört sich alles nach einem riesigem Kommunikationsfiasko an!
Pseudotheoretische Kommentare werden gegeneinander geworfen und durch (scheinbar) persönlichen, über politische massenidentität ausgetragenen Diskurs an einander gereiht, und ergeben ein diffuses Bild der Ganzen Problematik.
Wie hier in Kategorien gesprochen wird ist abscheulich!
Setzt euch mal lieber zusammen und diskutiert anstatt eine eher an kommunikationsguerilla erinnernde Ebene (Internet, Anonyme Texte (!)) zu wählen.
Veranstalter_Innen der Buchmesse sollten sich nicht aus machtpolitischen Gründen an dogmatischen Diskurs beteiligen, genausowenig die Verantwortlichen des Laika- Verlags.
Ob Israel eine moralistische "Schandtat" begangen hat ist doch völlig wurscht, wenn man die in verhältniss stehende physische Gewalt betrachtet die beide "Völker", "Nationalakkumulationen", "sich in einer nationalen Identität wiederfindeneden Individuen" (schon wieder solch ekelhafte Kategorien) "erleiden" mussten, und sich in kollektivem Wahn heutiger Konfliktlösung wiederfindet. Menschen die in Israel leben, oder Menschen die in Palästina leben werden erst in irgedeiner Form sich frei Identifizieren können, ohne Ausschließung zu erfahren, wenn in beiden Nationen der Nationalismus, die ideologische Rechtfertigung der Nation, zerfällt. Antisemitismus kann erst dann bekämpft werden, wenn diese konstruhierte Kategorie der Wertung entfällt und sich auflöst. Reproduziert nicht diese Problematik, sondern durchbrecht sie. Ich will keiner der Seiten als Opfer oder Täter deklarieren, weil dieses Denken in sich eine moralische Frage aufwirft, vielmehr möchte ich das Verhältnis aufzeigen, in welchem sie zueinander agieren. Sodass jedgliche Barbarei endlich als Rückschritt, an sich, erkannt wird und niemals wieder sich als Lösung zum Bestehenden auftun kann.
Kritisches Geschreibsel in Richtung Anti-D und "Antiimp"
Hmm, dass es diese "klassische Variante" des "Anti-D" vs. "Antiimp"-Konfliktes überhaupt noch in dieser Form gibt, wundert mich schon. Interessant ist dabei jedoch wirklich diese autoritäre "Verbannung" eines Buchverlages wegen einer gewissen Veröffentlichung.
Allgemein fällt auf, dass in gewissen Teilen der "linken Szene" zusehens eine immer stärker auftretende "Identifizierung" mit einer Ideologie zu erkennen ist. Gerade bei den Leuten, die auf "israelsolidarisch" bzw. "postlinks" bzw. "antideutsch" (also seine/ihre Position, die ihre Grundhaltung auf ein Schema "gegen Deutschland, für andere Staatskonstrukte" verkürzen) machen, ist eine immer schärfer ausgeführte Ausprägung von autoritären Verhalten und Wahrheitsansprüchen zu bemerken. Komischerweise wird aber gerade diese, klar autoritär vorgetragende Ideologie (sie beruht auf Ausgrenzungsmechanismen wie der bedingungslosen Solidarität zu Staaten und damit verbunden auch auf einer Befürwortung von Repression in jeglicher Form) anscheinend in immer größeren Kreisen der linken Szene akzeptiert. (so ist es in diversen "Freiräumen" schon üblich, dass Menschen, welche, auch aus anarchistisch-herrschaftsablehnender Perspektive, Kritik an "bedingungsloser Israelsolidarität" usw. üben, verbal angegangen oder sogar des Hauses verwiesen werden, BesucherInnen von Flora, IVI, teilweise auch AZ Köln und weiteren Freiräumen werden dies vielleicht kennen) Ausserdem merke ich, dass, wohl auch bedingt durch die verbreitete Akzeptanz von "antideutschen" Positionen innerhalb der "Szene" immer stärker eine verkürzte Religionskritik, welche sich nur noch auf das Konstrukt "Islam" einschießt, die Runde macht. Eine Kritik der Autorität, die mit organisierten Religionen jeglicher Form einhergeht, wird gar nicht mehr geübt, stattdessen wird immer mehr, teilweise schon auf regelrechtem "PI-News-Niveau" gegen "den Islam" als "barbarische, regressive Religion" gehetzt, ohne das Grundprinzip, welches zu religiöser Unterdrückung führt (nämlich Herrschaft usw.) zu kritisieren. Dies führt dann auch ganz schnell mal zu "absurden Verbindungen" zwischen vereinzelten, "antideutschen" Leuten und der offen dummdeutsch-rechtspopulistischen Szene. (denke da nur mit Grausen an die "Geprg-Weerth-Gesellschaft Köln" oder an so manchen Ausfall der "Gruppe Georg Elser" oder an die allseits bekannten Ausfälle von Bahamas, Prodomo und Co.)
Nunja, langes Geschreibsel, kurzer Sinn: Aber anscheinend werden immer größere Teile der "Szene" von ideologisch aufgeladenen, verkürzt argumentierten Ressetiments beeinflusst. Wo die Ursachen dieser Entwicklungen liegen, weiß ich ansich nicht. Vielleicht liegt aber vieles hier (ironischerweise) an "deutscher, bürgerlicher Sozialisation" und damit einhergehend auch an einem "Privileganspruch", welcher "zu verteidigen" ist. Vielleicht liegt es auch am mangelnden Einfluss von Herrschaftskritik. Vielleicht spielt der "Szenesumpf" als solcher auch eine Rolle denn durch den Rückzug in "eigene Räume" verliert sich auch schnell der Eigenanspruch, eine "politische Bewegung" zu sein und Antagonismen und Identitäten haben so schnell "leichtes Spiel" innerhalb der betroffenen "Szene".
Aber bei aller Kritik an "Antideutschland": M/L-Gruppen, StalinistInnen und orthodox-dogmatische MarxistInnen stellen in meinen Augen da keine "Alternative" dar. Denn auch diese Strömungen (gerne als "Antiimps" pauschalisiert, wobei sie teilweise selber in "imperialistische Muster" fallen) beziehen sich nur allzuoft positiv auf Herrschaftskonstruktionen wie Zwangskollektive, autoritäre Ideologien oder Parteien.
Eine radikale Linke sollte sich auch immer kritisch mit Herrschaftsansprüchen auseinandersetzen. Weder die "westliche Zivilisation" noch religiöse Zwangskollektive noch autoritäre Ideologien und eben auch nicht das Konstrukt eines "Staates" bzw. einer "Nation" (zu denen, bei aller historischer Betrachtung, eben auch der hierarchisch struktuierte Staat "Israel" zu zählen ist) führen nicht zu einer befreiten Gesellschaft, in der mensch frei und nach ihren/seinen Bedürfnissen leben kann. Und mit "Dialektik" ist das dann in meinen Augen auch nicht zu erklären, das war es nie und wird auch nicht so sein.
Gegen Herrschaft in jeglicher Form! Auch innerhalb der "Linken"!