Am frühen Mittwochmorgen wurde ein Teil des Fuhrparks des Dienstleistungszentrum der Bundeswehr in Hannover abgerüstet. Sechs Lkw, drei VW-Busse und vier Pkw gingen in Flammen auf. Einen Tag nach dem Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge in Vahrenheide ist bei mehreren Medien ein Bekennerschreiben eingegangen. Unter der Übrschrift: "Krieg beginnt hier - Für ein entmilitarisiertes Hannover!" erklären die Aktivit_innen: »Was wir hier sabotieren, kann woanders keinen Schaden anrichten«.
Die militanten Antimilitarist_innen sehen sich »weiterhin mit einer Bundeswehr konfrontiert, die auch aus Hannover in Kriege zieht, um Rohstoffe zu sichern und Handelsrouten zu beherrschen, einer Bundeswehr, die emsig trainiert, Revolten und Aufstände zu unterdrücken und niederzuschlagen«.Weiter heißt es: »In Anbetracht dieser Zustände und einer zudem immer enger werdenden Zusammenarbeit ziviler und militärischer Strukturen werden wir nicht dasitzen und zusehen. Krieg beginnt auch in Hannover! Erst wenn Hannover sich bedingungslos zur militärfreien Stadt erklärt, geben wir Ruhe – um dann an anderer Stelle widerständig gegen Krieg und Militarisierung vorzugehen.« Während die lokalen Medien nur kurze Ausschnitte zitieren und sich sonst eher der Diskreditierung der Aktion widmen, hat die junge Welt das Schreiben der Aktivist_innen vollständig veröffentlicht. Wir stellen hier einen Scan der jungen Welt Dokumentation zu Verfügung.
Krieg beginnt hier – Für ein entmilitarisiertes Hannover!
junge Welt dokumentiert im Wortlaut ein Schreiben zum Feuer auf einem Bundeswehrversorgungspark in Hannover, das die Redaktion am Donnerstag erreichte:
Krieg beginnt hier – Für ein entmilitarisiertes Hannover!
Am Morgen des 6. Juni 2012 haben wir auf dem Gelände des Versorgungszentrums der Bundeswehr am Alter Flughafen in Hannover-Vahrenheide Feuer gelegt, um den Fuhrpark abzufackeln.
Die Bundeswehr ist seit dem Krieg in Jugoslawien 1999 an verschiedenen Kriegsschauplätzen im Einsatz. Diese Kriege sind räumlich und zeitlich entgrenzt. Der Ausnahmezustand ist Normalzustand. Krieg ist zum zentralen Ordnungsinstrument zur Sicherung der kapitalistischen Weltwirtschaft geworden. Der »Krieg gegen den Terror« sollte die Menschen auf den permanenten globalen Krieg einstimmen. Er dient der Aufrechterhaltung des ungehinderten Transports von Rohstoffen und Waren. Er dient sowohl der Zerschlagung ökonomisch nicht verwertbarer Strukturen als auch der »Stabilisierung« staatlicher Strukturen in Regionen, die von Bürgerkriegen und unkontrollierten Flüchtlingsströmen bedroht sind. Deutschland nimmt in der Atalanta-Mission der EU in Somalia mit der Fregatte Berlin eine führende Rolle ein. Seit Mitte Mai beschießen EU-Truppen auch »Piraten-Stellungen« an Land.
Neben der direkten Kriegsbeteiligung setzt Deutschland auch mit seinen Rüstungsexporten auf vielfache militärische Eskalation. Mit der Lieferung von Leopard-2-Panzern an Saudi-Arabien stärkt die Bundesregierung gezielt konservative Kräfte in der militärischen Zuspitzung sozialer Konflikte. Die aktuelle U-Boot-Lieferung an Israel im sich verschärfenden Konflikt mit dem Iran ist ein weiteres Beispiel aktueller Kriegspolitik.
Der permanente Krieg hat zur Militarisierung der westlichen Metropolen geführt und seine Spuren auch im Alltagsbewußtsein hinterlassen. Seit 9/11 und dem »war on terror« sind koloniale Bilder und rassistische Stereotype allgegenwärtig. Muslime »mit Bart und Kopftuch« sind zum Feindbild der westlichen Welt schlechthin avanciert. Die polarisierten Debatten werden zunehmend durch die Logik des Krieges bestimmt: Schwarz-Weiß-Denken im erzwungenen Entweder-Oder. Alternativlos erscheint auch die zivil-militärische Zusammenarbeit z.B. von »Hilfsorganisationen« mit der Bundeswehr. NGOs, die sich dem Konzept der »vernetzten Sicherheit« nicht unterwerfen, droht die Streichung öffentlicher Gelder.
Eine Armee, die zur globalen Aufstandsbekämpfung ausgebildet ist, wird ebenfalls gegen innere Feinde eingesetzt. Der Einsatz von Tornados gegen die Demonstrationen in Heiligendamm war nur ein spektakulärer Auftakt.
Die Aussetzung der Wehrpflicht hat die Probleme, militärischen Nachwuchs zu gewinnen, verschärft. Die Bundeswehr verstärkt daher ihre Rekrutierungsversuche an Schulen, Universitäten und Arbeitsämtern. Überall, wo das Militär ins Zentrum der Gesellschaft drängt, ist Widerstand möglich. Krieg beginnt, wo die Bundeswehr Kriege vorbereitet, Unternehmen Waffen produzieren, Universitäten Kriege erforschen, überall wo Kriege beworben und legitimiert werden.
Vielfältiger Widerstand bedeutet markieren, blockieren, sabotieren. Krieg wird nur aufgehalten, wo er erdacht, geplant und koordiniert wird, im Herzen der Bestie. Was wir hier sabotieren, kann woanders keinen Schaden anrichten.
Im Mittelpunkt des antimilitaristischen Widerstandes in Hannover stand in den letzten Jahren das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision. Die Proteste haben einiges erreicht. Es gab erfolgreiche Mobilisierungen und Aktionen. Es scheint aber, daß die Aktivitäten gegen das Biwak nun einen Höhepunkt überschritten haben. Leider befürchten wir, daß die Verlegung des Stabes der 1. Panzerdivision, der größten Einheit des Heeres, die als Leitdivision deutsche Auslandseinsätze organisiert, nach Oldenburg zu einer Abkühlung antimilitaristischer Aktivitäten führen wird.
Ob das Sommerbiwak nun weiter in Hannover stattfinden wird, wissen wir nicht. Wir halten es aber für wichtig, mit unserer Aktion ein klares Zeichen für eine kontinuierliche und weiterführende antimilitaristische Politik und Praxis zu setzen, die über das Biwak hinausweist. Denn Hannover bleibt weiterhin ein wichtiger Standort für die Bundeswehr. Hier befindet sich die zentrale Feldjägerschule und, in der Region, der Fliegerhorst Wunstorf, ein Militärflughafen von strategischer Bedeutung.
Wir maßen uns nicht an zu glauben, unsere Aktion könnte an den aktuellen politischen Schwächen der antimilitaristischen Linken etwas ändern. Jedoch sehen wir uns weiterhin mit einer Bundeswehr konfrontiert, die auch aus Hannover in Kriege zieht, um Rohstoffe zu sichern und Handelsrouten zu beherrschen, einer Bundeswehr, die emsig trainiert, Revolten und Aufstände zu unterdrücken und niederzuschlagen.
In Anbetracht dieser Zustände und einer zudem immer enger werdenden Zusammenarbeit ziviler und militärischer Strukturen werden wir nicht dasitzen und zusehen. Krieg beginnt auch in Hannover! Erst wenn Hannover sich bedingungslos zur militärfreien Stadt erklärt, geben wir Ruhe – um dann an anderer Stelle widerständig gegen Krieg und Militarisierung vorzugehen.
Soziale Revolution gegen Krieg und kapitalistische Barbarei!
Sommerbiwak angreifen! Bundeswehr abfackeln!
Scan eher unnötige Arbeit - jW seit gestern online
Der heutige jW- Schwerpunkt zum Thema: Text oder als PDF (umfasst einen Artikel & Das Schreiben)
[Die linksunten-Pressekategorie ist immer einen Blick wert, auch in den Kommentaren zum anderen Artikel wars schon ;-)]