Heidelberg: Demo gegen Spitzel und Überwachung

Heidelberg: Demo gegen Spitzel und Überwachung 137

Rund zwei Hundert demonstrierten heute am Samstag den 17.12. in der Heidelberger Innenstadt für die lückenlose Aufklärung der Spitzelaffäre, die seit letztem Jahr Heidelberg aufwühlt und überregional für Empörung sorgt. Brisant ist zurzeit vor allem das Mauern der neuen Grün-Roten Landesregierung um den Innenminister Reinhold Gall gegen die Aufklärung, obwohl diese vor Regierungsübernahme noch lautstark die Aufklärung forderten. 

Bei einer Demonstration von ca. zwei Hundert zum Jahrestag der Enttarnung in der Heidelberger Innenstadt zeigte sich die anhaltende Verärgerung über den Umgang der neuen Landesregierung mit der Spitzelaffäre um den LKA-Beamten Simon Bromma. Nachdem im Dezember des letzten Jahres bekannt wurde, dass dieser fast ein Jahr lang politisch Aktive und deren Umfeld in Heidelberg ausspioniert hatte, blockiert nun die neue Landesregierung die Aufklärung der Affäre in derselben Art wie die vorherige. Vollmundige Forderungen nach Aufklärung von der damaligen Opposition Grün/Rot werden heute verschwiegen. Das Innenministerium ging vorige Woche sogar weiter als die Vorgängerregierung, indem es einen sogenannten Sperrvermerk auf Akten, die die Anordung des Einsatzes betreffen, genehmigte. Die Geheimhaltung dieser Akten macht eine demokratische Überprüfung des Einsatzes auf Übereinstimmung mit rechtsstaatlichen Prinzipien, wie sie von Betroffenen durch verschiedene Klagen angestrebt wird, unmöglich. Die Betroffenen beklagen neben der offensichtlichen Unrechtmäßigkeit des Einsatzes die intensive Verletzung von Grundrechten durch den Einsatz, welcher bis tief in die Privatsphäre vieler Menschen eindrang.
Die Demonstration heute zeigt erneut, dass die restlose Aufklärung dieses Falls weiterhin ein Anliegen der Menschen in Heidelberg ist und dringend auf die Agenda politischer Entscheidungsträger gesetzt werden muss. 

 

Weitergehende Infomationen zum Thema:

http://spitzelstreik.wordpress.com und http://spitzelklage.blogsport.de/

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Die Demo gestern blieb nahezu ohne Öffentlichkeit. Die Bullen und das Ordnungsamt hatten nur eine Demoroute weit abseits von allem fröhlichen Weihnachtstrubel zugelassen. Mit einer Route durch die Plöck (direkte Parallelstraße zur Einkaufsmeile) wäre die Demo zumindest noch in Hörweite einer breiten Öffentlichkeit gekommen. Doch durch die letztlich durchgesetzte Route der Staatsmacht verlief die Demo vom Hauptbahnhof, unterbrochen durch einen kurzen Abstecher zur Hauptwache (Römerstraße), strikt entlang der Friedrich-Ebert-Anlage und somit konnte nur eine sehr geringe Zahl an Menschen erreicht werden.

Versuche meinerseits zumindest die wenigen "Zaungäste" der Demo mit einem Flugblatt auszustatten wurden, durch konsequentes Spalier und körperlichen Einsatz in bester Pogomanier der Kinderbullen, immer wieder verhindert.

Abschlusskundgebung war am Friedrich-Ebert-Platz auch hier wieder fernab der Öffentlichkeit.

Es gab einen Versuch der Demospitze in Höhe des Bismarkplatzes das Bullenspalier zu überholen und Richtung Fußgängerzone durchzubrechen, allerdings wäre dies angesichts der staatlichen Übermacht nur mit wahrscheinlich vielen Festgesetzten / Verletzten Personen möglich gewesen und wurde deshalb angesichts der Aussichtslosigkeit abgebrochen.

 

Heidelberg hat gestern wieder einmal seine hässlichste Fratze gezeigt und die Oberbullen Bernd Fuchs (Leiter Polizeidirektion Heidelberg) und Einsatzleiter Christian Zacherle (beide hauptverantwortlich für den Einsatz der Spitzels Simon Bromma) konnten wieder einmal ungeniert ihre Law and Order Politik durchsetzen.

Ich drücke dem AK Spitzelklage die Daumen, dass sie an Richter kommen, welche sich nicht durch die Verschleierungstaktiken der Polizei, des Innenministeriums und des LKA einschüchtern lassen und es ihnen gelingt den Heidelberger Sumpf trocken zu legen.

 

Im Nachhinein bleibt aus meiner Sicht nur eine Perspektive, um in Heidelberg zum Thema Polizeispitzel und Repression eine breite Öffentlichkeit zu erreichen: Unangemeldete Demos.

Ja und das ständige (Ab-)Filmen der Demoteilnehmer hatte mich auch genervt!

Trotzdem werden wir uns nicht einschüchtern lassen und nicht aufgeben!

 

Schluss mit der Bespitzelung und Kriminalisierung unbequemer linker Opposition!

Zu Beginn des Jahres 2011 – es war gerade Wahlkampf – versprachen die Grünen umfassende Aufklärung in der Spitzelaffäre. Die Vorkommnisse müssten lückenlos aufgeklärt, die Öffentlichkeit und vor allem die Betroffenen umfassend informiert und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Vor allem aber müsse gewährleistet werden, dass sich dergleichen niemals wiederhole.

Vor allem der innenpolitische Sprecher Uli Sckerl beteuerte noch nach der Wahl, dass er darauf sein Wort gebe und legte diverse Hände für den neuen SPD-Innenminister Reinhold  Gall ins Feuer. Was von Herrn Sckerls Ehrenwort und Herrn Galls Haltung zu Bürgerrechten zu halten ist, können wir heute, ein Jahr nach der Enttarnung des Polizeiagenten Bromma überprüfen:

Eine Aufklärung des Vorgangs – so das Innenministerium – sei in weiten Teilen nicht mehr möglich, weil die Daten der Betroffenen angeblich gelöscht worden seien – selbstverständlich ohne diese vorher davon zu informieren. Die grün-rote Regierung tritt damit das Recht auf Informationsfreiheit mit Füßen, das immerhin ein Grundrecht ist und das in allen Verlautbarungen der neuen Regierung einen besonderen Stellenwert genießt – allerdings nur in den Verlautbarungen. Es ist unser verdammtes Recht, zu erfahren, was die sammelwütige Datenkrake, die sich Staat nennt, über uns gespeichert hat. Natürlich müssen diese Daten, nachdem wir sie eingesehen haben, gelöscht werden. Aber nicht als Vernichtung von Beweismitteln, um die kriminellen Machenschaften der Behörden zu vertuschen, sondern um ein offensichtliches Unrecht und eine groteske Staatswillkür zu beenden.

Wie weit es mit der Aufklärung her ist, zeigt die Sperrerklärung, die die Heidelberger Polizei für alle maßgeblichen Akten beantragt hat und die mittlerweile von SPD-Innenminister Gall abgesegnet wurde. Unter dem Label obskurer „Geheimhaltungsinteressen“ der Polizeistrukturen soll selbst den Gerichten untersagt werden, den Vorgang im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu überprüfen.

Eigentlich müsste es aber genau darum gehen: Die mafiösen Polizeistrukturen, die zu diesem Spitzelskandal geführt haben, müssten untersucht und öffentlich gemacht werden. Wenn die Vorgänge um den Polizeispitzel Bromma etwas gezeigt haben, dann dies: Die Polizeibehörden sind es, die effektiver kontrolliert werden müssen, nicht irgendwelche linken Gruppen.

Genau das aber will die grün-rote Regierung nicht: Die Daten von 11 Personen seien im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen weiterhin gespeichert, lässt Polizeiminister Gall wissen. Um welche angeblichen fürchterlichen „Straftaten“ es dabei gehen soll, benennt er nicht. Natürlich nicht: denn dass diese angeblichen „Straftaten“ nichts als ein Vorwand sind, ist mittlerweile ebenso offensichtlich wie die Rechtswidrigkeit des Spitzeleinsatzes. Die neue Regierung erklärt also ganz offen, diese rechtswidrig erlangten Daten zur Kriminalisierung missliebiger politischer Opposition weiterverwenden zu wollen.

Das Ungeheuerlichste an den Äußerungen der grün-roten Regierung ist aber eine Drohung, die nicht die Vergangenheit der CDU-Regierung betrifft, sondern die grün-rote Gegenwart und Zukunft: Über eventuelle weitere Verdeckte ErmittlerInnen gegen die linke Szene werde man – so Gall – keine Angaben machen, um eben diese Verdeckten ErmittlerInnen und die Geheimhaltungsinteressen der Polizei nicht zu gefährden. Die einzig vertretbare Antwort hätte lauten müssen: „Sämtliche verdeckte Ermittlungen gegen die außerparlamentarische Linke werden eingestellt und unterbleiben auch in Zukunft, weil es für sie keinerlei Anlass gibt!“

Stattdessen behält sich die Regierung unter dem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann vor, missliebige Gruppen weiterhin zu bespitzeln und auszuforschen. Die Botschaft ist klar: Wer sich politisch links engagiert, muss auch in Zukunft damit rechnen, ausspioniert und kriminalisiert zu werden. Die Politik der Einschüchterung und Bedrohung geht also weiter. Wir können den Damen und Herren der grün-roten Regierung versichern: Auch unser Widerstand gegen ihre Grundrechtsverletzungen wird weitergehen! Wir haben keinerlei Anlass, auf diese neue Regierung mit ihrer alten Politik zu vertrauen!
Was jetzt ansteht, ist die Auflösung der Staatsschutzbehörden und des Inlandsgeheimdienstes, der sich irreführenderweise Verfassungsschutz nennt. Nicht erst seit den neuerlichen Skandalen um die Deckung und Förderung der nationalsozialistischen Terrorzelle durch Staatsbehörden ist klar, wie eng die Verflechtung des Verfassungsschutzes mit der braunen Szene ist. Schon das letzte NPD-Verbotsverfahren war gescheitert, weil die Richter sich außerstande sahen, zu beurteilen, wer echter Nazi, wer echter Verfassungsschützer und wer beides aus Überzeugung ist.

Wir fordern:
Schluss mit der Bespitzelung und Kriminalisierung unbequemer linker Opposition!
Offenlegung und Aufarbeitung der vergangenen Spitzelaffären! Den Verfassungsschutz in die Tonne treten!


Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), 17.12.2011

Gibt es weitere Bilder? Bei denen man die kämpferische Stimmung besser sieht oder den Durchbruchsversuch?

Mal ganz im Ernst, die Demo war recht gut besucht die Redebeiträge sehr kreativ und das Spektrum breit gefächert. Aber es gab während der Demo weder einen Durchbruchsversuch noch eine "kämpferische" Stimmung. Der einzige vermeintliche "Durchbruchsversuch" ,wenn man ihn den so nennen kann, war der 50 meter Sprint. Und das einzige "kämpferische" an der Demo war die Musik von Ton Steine Scherben. Meine Kritik: Es gab nicht ausreichend Schutz für die Demoteilnehmer_innen, teilweise liefen wir mit fettem Spalier ohne geschlossene Reihen oder Seitentranspis! Demoparolen waren auch nur sehr selten zu hören, trotz Megaphon!

Video von der Kundgebung vor der Polizeidirektion Heidelberg