Aufruf zur Störung des Alltags der Gentrifizierung

Squat

Hier und dort gehen wir und andere Menschen für Miete und das alltägliche Brot arbeiten. Mehr und mehr sollen wir uns mit der Logik des kapitalistischen Marktes abfinden, immer flexiblere Arbeitszeiten, flexiblere Zeitverträge, für immer weniger Geld. Dies geht einher mit der Erhöhung der Beiträge für öffentliche Verkehrsmittel, teurere Lebensmittel und Miete. Als Menschen mit Flüchtlingshintergrund wird uns die Entscheidungsgewalt über unser Leben, das wir weiterhin in unseren Familienzusammenhängen, in unseren Haus- oder Kiezzusammenhängen leben wollen, genommen. Der Angriff auf unsere sozialen Strukturen und unser soziales Leben rückt uns auf die Pelle bis zu der Modernisierungsnkündigung auf unserem Küchentisch.

Einmal mehr zeigt uns dies das kapitalistische Sytem mit all seinen Auswüchsen, wie z.b die allgemeine Aufwertung und Kommerzialisierung der Innenstadtbezirke mit einhergehender Verdrängung. Das hat nichts mit menschlichen oder sozialen Strukturen zu tun, es ermöglicht jedoch den einzelnen und wenigen Besitzenden von Aufwertungsprozessen zu profitieren. Dabei geht es nicht um die Menschen, sondern um Profit und Rendite. Auch Gesetzesänderungen werden daran nichts ändern. Solange es Eigentum gibt, wird es Leute und Institutionen geben, die durch ihre Macht über Teile des sozialen Lebens anderer "verfügen" können.


Kinder werden aus ihren Schulen gerissen, Alte aus ihrer wohlbekannten Umgebung, der Laden an der Ecke verschwindet, die Spielplätze werden schicker, die Sitzbänke für Eltern wandern in die teuer zu bezahlenden Cafes ab, die Hartz4-Empfänger/innen verschwinden immer mehr von der Bildfläche.Wohin gehen sie? Raus aus Neukölln in die Randgebiete. Kein recht auf Leben im eigenen, mit Erinnerungen gefüllten Kiez.Warum? Weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Neukölln ist ein akutes Beispiel, wo durch bewusste Stadtsanierungspolitik, durch Ausrufung zum Sanierungsgebiet, eine Turboaufwertung stattfindet. Für das schnelle Geld "verschwinden" die Leute, die nicht in das zukünftige Boulevardbild  passen. Hier und dort muss oft das ökologisch-kapitalistische Konzept als Begründung für Modernisierung herhalten. Ökologisch sanierte Häuser bringen denen nichts, die sich die Miete dann nicht mehr leisten können. Ökologische und klimaenergetische Sanierungen sind ein gesamtgesellschaftliches Problem und müssen auch so gelöst werden und dürfen nicht systematisch zur Verdrängung der einzelnen Person benutzt werden. Die Verdrängten müssen ihre Koffer packen um in unökologische, billigere Häuser zu ziehen. Was also bringt mir das energetisch modernisierte Haus, wenn ich mir die Miete nicht leisten kann? Was bringt mir überhaupt ein/e Hausbesitzer/in, die an mir verdient, nur weil sie zufällig zu den Besitzenden hier gehört?


Ein Beispiel für diese Vorgänge ist die Fuldaweichsel.


Redebeitrag vom Blog der Fuldaweichsel zur Mietenstoppdemo im September:

„Wie bereits viele mittlerweile, fürchten wir um eine Grundlage unserer Existenz: unser Dach über dem Kopf. Wir haben Angst unser Zuhause zu verlieren, wir möchten hier bleiben in unserem Haus, in unserem Kiez. Denn hier fühlen wir uns zu hause, einige möchten hier ihre Kinder großziehen, andere möchten hier alt werden… Wir wollen nicht in die Außenbezirke ziehen, weil wir uns woanders keine Wohnung mehr leisten können und wir möchten unsere Nachbarn behalten. Wir wollen auch nicht nur neue Nachbarn, die sich 9€/m² leisten können und unsere Lebensrealitäten nicht mehr verstehen. Wir haben auch noch mehr zu tun, als uns um unsere Miete zu kümmern. Wir lassen uns unser Lebensumfeld nicht einfach so zerstören!


Und sowieso: alle brauchen ein Dach über dem Kopf! Wenn die Wahl des Wohnortes oder sogar das Wohnen selbst nur noch abhängig ist vom Geldbeutel, wo bleibe Ich da, wo meine Familie, wo meine Nachbarin? Wir sind keine kalkulierbaren Dinge, kein Spielball derer, die es sich leisten können! Wir können selbstbestimmt handeln, und wir werden uns zusammentun im Haus, im Kiez und mit denen, die den sozialen Angriffen auf unser Leben etwas entgegensetzen wollen. Unsere Antwort ist ein gemeinsames Vorgehen, weil wir wollen ein solidarisches Miteinander statt soziale Kälte.


Wir sind nicht eure Altersvorsorge! wir bleiben alle!“

 

Presseerklärung vom Blog der Fuldaweichsel


 

Von Bewohner_innen der Fuldastraße 31/32 und des Weichselplatz 8/9, 12045 Berlin, 14.03.2011

Bewohnerinnen und Bewohner des Neuköllner Wohnkomplexes haben sich zusammengetan, um öffentlich gegen hohe Mieten zu protestieren. Denn die neuen Eigentümer des Hauses wollen modernisieren und viele könnten sich die Miete danach nicht mehr leisten. Auch im gesamten Kiez steigen die Mieten.



Ein Haus wehrt sich Planung umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen


Im August 2010 erhielten die Mieter_innen des Wohnkomplexes Fuldastraße/Weichselplatz, ihre erste Modernisierungsankündigung. Vor knapp einem Jahr verkaufte der Reon Liegenschaftsfond, der bisherige Eigentümer, die Häuser an die Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz, bestehend aus 9 Einzelpersonen die sich zum Ziel gesetzt hat die Häuser zu sanieren und auch energieeffizient zu modernisieren. Das, was beim ersten Hinsehen logisch und sinnvoll klingt, bringt für die Bewohner_innen zum Teil existenzielle Konsequenzen mit sich. Dort wo aufgewertet und modernisiert wird, steigen die Mieten. So auch in diesem Fall. Obwohl dieses Haus größtenteils bereits ortsüblich mit Gasetagenheizung und modernen Bädern ausgestattet ist. Da nicht alle Bewohner_innen imstande sind, die höheren Mietkosten zu tragen, würde es für diese bedeuten, dass sie ihre Wohnung verlassen müssen. Einige sind nach der Modernisierungsankündigung sogsogar bereits ausgezogen. An dem konkreten Beispiel Fuldastraße/Weichselplatz kann dies folgendermaßen veranschaulicht werden. Die angekündigte Modernisierung ist in mindestens zwei Phasen geplant. Sie beinhaltet unter anderem den Anschluss an Fernwärme, die Erneuerung von Wasserversorgung und Elektrik, sowie Fassadendämmung, aber beispielsweise auch den Anbau eines Fahrstuhls und von Balkonen im Innenhof. Des Weiteren soll der Dachboden ausgebaut werden. Die Hausbesitzer_innen wollen teilweise selber in den Komplex einziehen.


Mieten sollen bis über die Hälfte steigen


In Folge sollen die Mieten bis zu 60% steigen. Bei Neuvermietungen im Anschluss an die Modernisierung soll der Quadratmeterpreis angeblich bei ca. 8-10 Euro liegen. Kaum eine_r der dort zum Teil seit vielen Jahren lebenden Menschen, kann sich das leisten und doch wird erwartet, dass sie der Modernisierungsankündigung zustimmen. Das Unterschreiben der Duldungserklärung käme bei vielen der Zustimmung zum Auszug gleich. Die Bewohner_innen fühlen sich – auch durch als aufdringlich empfundene Methoden der Vermieter_innen – unter Druck gesetzt und erleben die Konsequenzen der Gentrifizierung seit Monaten hautnah. Um eben nicht einfach klein bei zu geben und um ihr Zuhause zu verteidigen, haben sich einige von ihnen zusammengeschlossen und eine Mieter_innenversammlung einberufen. Seit 8 Monaten treffen sie sich regelmäßig um sich zu unterstützen, sich auszutauschen, sich gegenseitig Mut zu machen und um das weitere Vorgehen zu besprechen. Gerade jetzt werden diese Treffen umso wichtiger, weil bereits die ersten Duldungsklagen gegen die Bewohner_innen eingetroffen sind. Es entsteht der Eindruck, dass hier Verdrängung in Kauf genommen oder sogar bewusst vorangetrieben wird. Das sehen viele der Bewohner_innen des Wohnkomplexes Fuldastraße/Weichselplatz nicht ein. Um ihren Unmut zu zeigen und auf die Problematik aufmerksam zu machen wendeten sich einige Bewohner_innen am 13.03.2011 mit Kaffee, Saft, Kuchen, Flyern, Transparenten, Presseerklärung, Internet-Blog und nachbarschaftlichen Gesprächen an die Öffentlichkeit.


Der Kiez wird teuer


Aber sie sind nicht die einzigen Betroffenen. In Nord-Neukölln sind Aufwertung und Verdrängung mittlerweile an der Tagesordnung. Die Quadratmeterpreise steigen zunehmend und im städteweiten Vergleich überproportional, was für einen Großteil der hier lebenden Menschen Wegzug oder einen großen Verlust an ökonomischem Spielraum bedeutet. Der Wohnungsmarkt orientiert sich nicht am Einkommen oder den Bedürfnissen der Menschen. Das führt zunehmend dazu, dass die Menschen ihre Kieze verlassen müssen und die Frage „Wo wollen wir leben“, wird durch „wo können wir es uns eigentlich noch leisten zu leben“, ersetzt.


So sind die Bewohner_innen Fuldastraße/Weichselplatz nicht allein mit diesem Problem und bei weitem nicht die einzigen, die ihre Grundrechte als Mieter_innen einfordern und sich wehren wollen gegen das, was eine realitätsfremde Wohnungsmarktpolitik über ihre Köpfe hinweg durchzusetzen versucht.

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Wir  haben der energetischen Altersvorsorge energiegeladen etwas entgegenzusetzen.


Dieses Haus steht symbolisch für die aktive Aufwertung des Kiezes. Daher denken wir, dass es ins öffentliche Interesse rücken sollte. Die Aufwertung einzelner Häuser, einzelner Kieze, ja einzelner Städte geht uns alle was an, weil früher oder später sind auch wir betroffen. Wir haben viele Möglichkeiten... von Sabotage bis hin zu empörten Gesprächen mit den neuen Eigentümer/innen. Ein bisschen vorrecherchiert haben wir dennoch. (vergesst nicht: jedes verteuertverdrängende Haus ist ein verlorens stück soziales Leben....)

Wir wollen das unsere Nachbarn da bleiben können wo sie jetzt sind, das die Wahl des Wohnortes nicht vom Geldbeutel sondern von sozialen Strukturen abhängig ist. Die Häuser denen die drin wohnen und den von Verdrängung und Mieterhöhung bedrohten erstmal bezahlbare Mieten und langfristige Sicherheiten! Wie die Fuldaweichsel schon andeutet, Wohnen ist eine soziale, zwischenmenschliche Angelegenheit und kein Profitunternehmen oder eine Altersvorsorge.

 

 

ein bisschen haben wir recherchiert und fänden es gut wenn vielmehr Recherche betrieben würde:

 

die Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz, Eigentümerin der Fuldaweichsel:
weichselplatz.org

Email:verwaltung@weichselplatz.org

Rabea Welte (Gabelsberger Str.1,10247 Berlin)
Tim Lühning (Gabelsberger Str. 1, 10247 Berlin, tim.luehning@gmx.de)
Sylvain Brugier (wohnt schon in der FuldaWeichsel), sylvain-brugier.com
Nikos Papamichail (Anzengruberstr. 23, 12043 Berlin), arbeitet beim Atelier Reyle (Glogauer str. 5, Berlin)
Winnie Öhrlich (wohnt schon in der Fuldaweichsel)
Bernd Roland Bergmann (Zollernblickstr.4, 72379 Hechingen)
Maria Magdalena Welte (Echterdingerstr. 77, 71111 Waldenbuch), Leiterin eines Waldkindergartens
Rike Schiller (Juravorstadt 29, 2502 Bern, Schweiz)
Emanuele Cotti (Juravorstadt 29, 2502 Bern, Schweiz)

Anwaltskanzlei der Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz:
Zenk (Reinhardtstr. 29, 10117 Berlin)

 

 

 

weitere bedrohte Häuser und die zu Verantwortenden:

WAX 34- Holsteinische Straße 7 Gmbh und CoKG

GSW bedrohte Häuser/Kottbusser Tor- GSW/Hermes/Taekler

Linienhof- Mathias Greftrath Oranienstr.73/Kles GmbH/ Karin Schopp/Hortensia Völkers

hornstr.19- Ziegert

barbarossastr. 59- HochTief

Klausnerplatz- GEWOBAG

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Hallo Ihr,

ich kenn einen der da im Haus wohnt und der hat mir über genau dieses Haus ganz andre Sachen erzählt. Klar sind Personen ein leichtes Ziel. Aber die die wirklich scheiße und kapitalistisch sind sind große Immobiiliengesellschaften die systematisch vorgehn. Warum recherschiert ihr nicht besser und zeigt auf die die echt unsozial sind?

Ein alter X-Berger mit vielen Neuköllner Freunden

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Ich kenne ebenfalls einige Leute aus dem Haus. So weit ich weiß, hat die Vermietergemeinschaft viel Zeit investiert, für jeden Mieter ein passendes Konzept zu finden. Da soll keiner ausziehen müssen, weil er sich das nicht mehr leisten kann! In der Regel läuft so was ja anders ab... billige Sanierung > Mietpreisanhebung auf Mietspiegel.

Hier wird ein Haus nachhaltig saniert und die Sozialstruktur soll erhalten bleiben. Dass das leider nicht umsomst geht mag traurig machen, aber ist eben auch logisch. Aus meiner letzten Wohnung wurde ich äußerst unsanft rausgeekelt, ich wäre froh gewesen, hätte sich dem Haus ein ähnliches Projekt gewidmet wie am Weichselplatz.

Eure Aufregung ist in diesem Fall leider nicht sachlich, ihr benutzt das Projekt statt dessen für eine umfassende diffuse Kapitalismuskritik. Das kommt leider ziemlich platt und kindisch daher, weil eben undifferenziert. Offensichtlich geht es euch nicht darum, notwendige Alternativen mit zu unterstützen und euch weitestgehend mit einzubringen, sondern um reine Besitzstandswahrung... das konsequente Ergebnis einer solchen "Politik" konnte ich in den 80er Jahren im Osten (da komm ich her) bewundern. Da waren die Mieten schön billig und irgendwann sind die Häuser einfach zusammen gefallen. Viele waren das.

By the way... Ein Aufruf zur Störung und Veröffentlichung von Namen und Adressen ist schon harter Tobak. Dass eine "linke" Gruppe solche Methoden nutzt, die mich irgendwie ein bisschen an eine vergangene Zeit erinnern, entbehrt nicht einer eigentümlichen Ironie.