Demonstration am 10. Dezember 2011 – 12 Uhr am Platz der Alten Synagoge – Freiburg im Breisgau
Antifaschismus ist jetzt voll “in“. Seit dem großen Coming-out von aktuellem Naziterrorismus will keineR was mit Rechts zu tun haben. Auch in Freiburg plant ein breites Bündnis von Stadt, Kirche, Gewerkschaften und MigrantInnen-Vereinigungen für den 10. Dezember 2011 eine „Demo gegen Rechts“. So weit, so gut. Zu den ErstunterzeichnerInnen des Aufrufs gehören unter anderem Oberbürgermeister Dieter Salomon von den Grünen und der DGB-Kreisvorsitzende Bernd Wagner. Das soziale Gewissen der Gemeinde erhebt sich gegen den Extremismus und wird am Samstag klarstellen: Wir sind die Guten, es lebe der Staat, keine Macht den ExtremistInnen…
Diese bevorstehende und unermüdlich wiedergekäute Verharmlosung des Problems des Rechtsradikalismus macht uns wütend.
Systematisch
werden die Zeigefinger kreisen, während der gesamtgesellschaftliche
Trend nach Rechts seinen freien Lauf nimmt. Ein Spektakel für jeden
Fall, als antifaschistisches Lippenbekenntnis.
Wir glauben, dass Solidarität und Antifaschismus praktisch werden müssen, Tag für Tag. Der von den Behörden praktizierte anti-antifaschismus spricht auch in der Region Bände über den praktischen Gehalt der Lügen aus der etablierten HeuchlerInnen-Politik.
Bereits 2002, als rund 15.000 einen Aufmarsch der NPD blockierten, haben die „demokratischen AntifaschistInnen“ dieser Stadt die linksradikale Mobilisierung gegen die Nazis verraten, indem sie mit der Polizei Absprachen zu Ungunsten engagierter Antifas trafen. Während der DGB und die Grünen am Platz der Alten Synagoge redeten, wurden zahlreiche AntifaschistInnen im Colombipark gekesselt und kontrolliert.
Als es in jüngerer Vergangenheit rechte Übergriffe gab, der Nazi Thomas Baumann Waffen und Sprengstoff hortete und sich rechtsradikale Anschläge mehrten, wurde die darauf folgende antifaschistische Demonstration im November 2009 von Hundertschaften der Polizei in Absprache mit der Stadtverwaltung zerschlagen. Die Polizei betätigt sich am liebsten selber mit dem Schützen von Nazistrukturen oder verfällt selbst nationalistischem Gehabe und rassistischer Gewalt. Die Verfolgung von Nazis ist in der Region alleinige Arbeit antifaschistischer Basisgruppen. Wie durch ein Wunder überlebten GenossInnen im Spätsommer 2011 den Versuch des Nazis Florian Stech sie zu überfahren. Von Nazistrukturen in Südbaden wollen die Behörden nichts wissen…
Bundesweit sind seit der Wende mindestens 150 Menschen von Nazis ermordet worden. 20 Jahre nach dem Pogrom von Hoyerswerda sind Anschläge und Morde von Nazis keineswegs Rückläufig. Offenbar konnten die staatlichen Institutionen keine Lösungen zur Bekämpfung rechtsradikaler Strukturen finden. Und offensichtlich ist dies von zahlreichen Behörden auch nicht gewollt. So zeigen sich immer wieder Überschneidungen zwischen den Strukturen der Nazis und staatlicher AkteurInnen. Im aktuellen Fall geriet besonders der deutsche Verfassungsschutz unter medialen Beschuss.
Nach der suizidären Selbstaufdeckung eines Teils der
Naziterrorzelle „National Sozialistischer Untergund“ (NSU), schwappte
ein demokratischer Aufschrei gegen Nazis und uneffektiver Polizei- und
Geheimdienste durch die Republik. Er hört sich an, als käme es aus dem
Nirgendwo und als würden die Polizei- und Geheimdienste nicht genau das
machen was die BürgerInnen von ihnen abverlangten. Der Staat bekämpft
doch den Extremismus, hält soziale Spannungsfelder im Schach, hilft beim
Augenwischen in Anbetracht kapitalistischer Dauerkrise und verteidigt
die Nation von Kabul bis Gorleben.
Rassismus und Autoritarismus, die ständige Ausgrenzung und Bekämpfung
des „Fremden“ nach Innen und nach Außen sind ein wesentlicher
Bestandteil des jetzigen Systems und werden in der Mitte der
Gesellschaft reproduziert, so auch hier in Freiburg. Nicht zuletzt die
Aktivität bekennender FaschistInnen, deren Brandanschläge, Übergriffe,
Bombenbau und lebensgefährliche Angriffe auf Andersdenkende in der
Region wird seit Jahren von Seiten der Verwaltung verharmlost, von
Seiten der Justiz gedeckt und seitens der Exekutive, wenn überhaupt,
weitgehend untätig begleitet.
Der Staat ist in diesen Wochen aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen, auf die rechtsradikale Terrorzelle und ihr jahrelanges Morden und Horten von Waffen zu reagieren und Ächtung zu propagieren. Überall werden BürgerInnen-Demos initiiert, um einen antifaschistischen Konsens hochzuhalten, der in der bundesdeutschen Realität wie eine Farce daherkommt.
Thema sind die rechten und rechtsradikalen Tendenzen nur, wenn sie sich zur medialen Inszenierung nutzen lassen oder der Widerstand ausreichend spektakulär und effektiv wird. Doch der Staat lässt dies nicht zu, letztlich dient er der immer wiederkehrenden Autoritarisierung gesellschaftlicher Beziehungen. Die Tendenz ist hier den Repressionsapparat weiter auszubauen und bestehende Freiheiten weiter zu beschränken. Dies gilt nicht nur in offenkundig rechts gelenkten Systemen, sondern auch bei einer Regierung aus SozialdemokratInnen, „Freiheitlichen“ und Grünen. Von Aufklärung und radikaler Kritik an rechter Politik keine Spur.
Nicht zuletzt trägt der Extremismusdiskurs, so wie er versucht rechte und linke Politik vergleichbar zu machen, zur Verharmlosung menschenverachtender Politik bei. Antifaschistischer Widerstand wird an allen Ecken und Enden kriminalisiert. Familienministerin Schröder steht mit ihrer kulturell- und sozial blinden Gleichmacherei exemplarisch für den Trend eines propagandistischen Staates.
Es geht darum den rechten Trend der Mitte gegen vermeintliche „Extremisten“, die nicht der Norm entsprechen, auszubauen. Nicht die Ziele sondern gegebenenfalls Methoden sozialer Gruppen stehen im Mittelpunkt. So werden militante Linke zu FaschistInnen verschrien und Populismus wird, solange er das demokratische Gewand trägt, inmitten der Gesellschaft aufgenommen.
Auf diesem Nährboden ist viel Platz für Nationalismus und für die Verherrlichung des Staates, bei weitreichendem Verschweigen der ständigen Verbrechen, hier und anderswo. Alltäglicher Fremdenhass ist angesagt und erhält im Superstaat Europa im Antlitz der Krise neuen Aufwind. Antirassistisches und antifaschistisches Engagement von Unten wird kriminalisiert, da sich die Obrigkeit hinterfragt fühlt und die Kontrolle zu verlieren droht. Gleichgesetzt wird von Seiten der Behörden das wiederholte rassistisch motivierte Morden einer schwerbewaffneten Bande von Nazis mit Aktionen direkten Widerstandes wie z.B. Sabotage.
Der autoritäre Umgang mit Kritik spiegelt sich im Besonderen bei der Verfolgung linksradikaler Gruppen in der BRD in jüngster Vergangenheit. Zu nennen ist da vor allem die versuchte irrwitzige Verfolgung der „Militante(n) Gruppe“ nach §129a (Bildung einer Terroristischen Vereinigung), obwohl ihnen allerhöchstens die versuchte Zerstörung von deutschem Kriegsgerät zur Last gelegt werden könnte. Nach der wiederholten Verhinderung des faschistischen Dresdener Aufmarsches im Februar 2011 stellte sich heraus, dass den strafverfolgenden Behörden nach wiederholten Hausdurchsuchungen gegen Linke, primär die flächendeckende Überwachung und Kriminalisierung der antifaschistischen DemonstrantInnen ein Anliegen waren.
Nicht der faschistische Terror, sondern der Widerstand aus linken Zusammenhängen wird gestern noch als Vergehen nach §129 geahndet, und heute schon präsentiert sich das System als größter Unterstützer eines konsequenten Antifaschismus. Müssen nur wir uns da an den Kopf fassen und herausschreien: „So nicht!“?
Am 10. Dezember werden wir uns als
linksradikaler Block an der „Demonstration gegen Rechts“ beteiligen. Wir
nehmen das Thema sehr ernst und werden unser Anliegen lautstark
kundtun. Wir schließen uns der Forderung "Gemeinsam gegen Rassismus –
Schluss mit dem Naziterror" an und ergänzen: Der Weg in eine
antifaschistische Zukunft führt zwangsläufig über die Zerschlagung des
Staates und seiner Institutionen.
Weg mit den Geheimdiensten und Repressionsbehörden! Selbstbestimmt gegen Nazis und RassistInnen vorgehen, immer und überall!
Bündnis’90 ANTIFA
Heuchelei - IndyPrint
Ein sehr schöner Artikel der meine Gedanken sehr nett zusammenfasst.
Wie wäre es denn diesen Artikel zusammen mit ein paar Zusastzinformatioen zu Baumann, Dresden2011, etc. in einer Indyprint zusammenzufassen und diese auf der DGB/Salomon Demo zu verteilen?
Schick
Schicker Text... aber was zum Teufel ist ein Bad Block?
Wurden auch Gruppen aus anderen Städten eingeladen?
Wir sind die Bösen ;O)
Wir werden einen "Bad Block" bilden als Kontrast zur "Guten Zivilgesellschaft", da wir uns von der Heuchelei des Blumenpflückenden, Gesichtzeigenden und Mehrheitsgesellschafts-Antifaschismus abgrenzen, der Tag ein Tag aus Rassismus, Nationalismus, Patriarchat und militaristische Repression hervorbringt. Und ja: Es sind alle eingeladen sich am linksradikalen Block zu beteiligen.
Falsch
Ich finde die Abgrenzung zu den Institutionen und vor allem zu den Grünen, zur CDU und zum OB richtig, aber die pauschale Ablehnung von "DER Zivilgesellschaft" falsch. Diese Haltung ist das übliche Problem der Freiburger Szene, die ihre Teilbereichskämpfe als etwas Exklusives versteht.
Es ist gut und wichtig, dass sich die Zivilgesellschaft gegen Nazis, gegen Krieg und Sozialabbau stellt, denn wir (ich weiß, ihr nicht!) sind ein Teil dieser Gesellschaft. Wir sind alle betroffen von der ganzen Scheiße und jeder fängt einmal an, sich zu engagieren. Ohne Zivilgesellscahft gäbe es schon lange keine KTS, Wagenplätze usw. mehr und die Nazis hätten es einfacher.
Daher ist auch das Motto und die Intention des Blocks nicht gerade schlau. Die übliche kindische und kreative Abgrenzung, und freiwilliger Gang an den Rand der Gesellschaft statt klarer politischer Positionen und Interventionen dort wo das Leben ist. Warum kein "Antifaschistischer Block"?
omfg
Ja Kuschel du nur schön in der Volksgemeinschaft! Mit konsequentem Antifaschismus hat das nichts zu tun und davon will der "zivilgesellschaftliche" Teil der diese Demo besucht auch nichts Wissen! Die allermeisten jedenfalls!
kopfschüttel
Deine Reaktion auf meine Kritik ist ebenfalls symptomatisch für die Freiburger Szene-Linke.
was soll das mit freiburg zu tun haben?
das problem liegt im system, das ist hier und anderswo der fall, wie die aufrufenden treffend formuliert haben. die verlogenheit von behörden, die hier lagerunterkünfte, rassismus, polizeigewalt und vertreibungspolitik fördern, inmitten einer nickenden zivilgesellschaft, ist einfach nur zum kotzen. heraus zum autonomen block, für einen konsequenten antifaschismus.
ps: die anregung auf der antifa-demo einen antifa-block zu machen ist sehr amüsant. sie spiegelt vorzüglich wieder, wie unernst der "zivilgesellschaftliche" aufruf der heuchler_innen gemeint ist.
taktisch arm
oh maaaan...... der Text und die Kritik sind richtig und angebracht aber die gänzliche ablehnung eines "bürgerlichen" Antifaschismus ist ja wohl taktisch sehr beschränkt.
Stellt dir doch mal die Dresden Blockaden 2010 & 2011 OHNE bürgerlichen Protest vor.... nur wir "echten" Antifas. Also ich bin mir sicher das die Nazis marschiert wären.....
arm an Taktik
Es ist keine Ablehnung, sonst würds ja ne Gegendemo geben. Es geht um ne Kritik. von wegen Taktik und so.
typisch
wie immer vergesst ihr antideutschen das wesentliche und ignoriert menschen die sich ihres politischen potenzials erst noch bewusst werden.
Richtig
Ich kann hier keinen Teilbereichskampf entdecken oder siehst du das Problem, dass sich "DIE Zivilgesellschaft" nur dann für Nazis interessiert wenn sie gerade Medial präsent sind und ansonsten Antifaschistischen Widerstand als das übliche Chaotentum abtut und bekämft nur als Problem der Freiburger Verhältnisse? Du wiederholst doch nur die üblichen "Kritikpunkte", die man meistens unter Texten aus Freiburg liest, "Sektierer", "ihr seid doch gegen Alles", usw. aber ne Kritik die weiterführt fehlt mir dabei. Ich werde auf jedenfall am Samstag kommen und das nur weil es diese begründete Abgrenzung zur Zivilgesellschaft gibt. Mir geht es dabei darum, zwar in der Demo mitzulaufen, aber sich mit seiner Kritik zu artikulieren und abzugrenzen, um deutlich zu machen: Antifaschismus ist in dieser Gesellschaft notwendig, aber die Ursachen für Faschismus sind eben genauso in der Gesellschaft. Dabei sehe ich zumindest meinen Antifaschismus nicht als Teil eines breiten bürgerlichen Spektrums, sondern als Kritik daran, weil es eben zur kurz greift. Und welche Zivilgesellschaft hat nochmal die KTS usw. erkämft?
wo bitte
findet sich in dem aufruf "zivilgesellschaft"?
!!!
eine reaktion aus freiburg! bin sehr erfreut das es hier eine demo gibt!
wurde auch zeit!
->am besten wenn alle antifaschistischen gruppen aus der stadt und region egal ob sooo oder sooo geprägt, auch dort, mit ihren eigenen Aufrufen fett hin mobilisieren. denn hier geht es nich darum wie denn die einstellung von gruppe zu gruppe, von schwarz zu rot (usw) in Fr ist sondern das man ein starkes zeichen gegen den staat, deutschland und seine nazis setzt!!<-
Frage
Ist dieser Aufruf von einer (oder ein paar) Einzelpersonen oder sind da auch feste Gruppen involviert?
aufrufende
die folgenden personen und gruppen (wir) sind am aufruf für die demo beteiligt:
Primitive Aktion Freiburg
Revolutionäre Aktionszellen Freiburg
Antifa Freiburg
Martin Hohendorn
Philipp Nanen
Robert Bauer
Radio Dreyeckland schreibt zur Demo
im folgenden RDL-Bericht