Am Sonntag, den 23. Oktober mobilisierten türkische Nationalisten anlässlich des PKK-Angriffs auf das türkische Militär am vergangenen Mittwoch zu einem landesweiten Aufmarsch in Stuttgart. Insgesamt zogen mindestens 1500 TeilnehmerInnen vorwiegend aus dem Spektrum türkischer Faschisten der MHP und den „Grauen Wölfen“ durch die Stuttgarter Innenstadt. GegendemonstrantInnen bekundeten am Rande des Aufmarsches durchgehend Protest. Die Polizei ging mit mehreren Hundertschaften, zahlreichen BFE-Einheiten und zivilen Beamten massiv gegen AntifaschistInnen vor.
Im Rahmen der Demonstration kam es immer wieder zu Angriffen der TeilnehmerInnen gegen protestierende AntifaschistInnen, die mit Flaschen, Stühlen und anderen Gegenständen beworfen wurden. Die massiv anwesende Polizei reagierte darauf, indem sie die Angegriffenen unter Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray verjagte.
Die Polizei erteilte annähernd zweihundert Platzverweise und kesselte GegendemonstrantInnen willkürlich in der gesamten Innenstadt. Etwa 40 GegendemonstrantInnen wurden teils unter enormer Gewaltanwendung festgenommen und bis nach 1 Uhr morgens in der Wache behalten. AntifaschistInnen, die vor der Wache auf die Inhaftierten warteten wurden nach kurzer Zeit von Bereitschaftspolizisten umstellt, videographiert und mit Platzverweisen für die umliegenden Straßen belegt.
Ein kurdischer Antifaschist sitzt seit seiner Festnahme wegen eines vermeintlichen Flaschenwurfes am Sonntag vorläufig in Untersuchungshaft und ist nun von einer möglichen Abschiebung bedroht. Bereits am Freitag, dem 28. Oktober soll sein Fall in einem Eilverfahren verhandelt werden.
Außerhalb der Demonstration kam es zu einigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Faschisten und AntifaschistInnen, wobei Fahrzeuge der Faschisten beschädigt und der Lautsprecherwagen der Demo mit Farbe beworfen wurde.
Bis in den Abend hinein zogen größere Gruppen türkischer Faschisten durch die Stadt, um politische Gegner und KurdInnen anzugreifen. Trotz einiger handfester Konflikte kam es zu keinen größeren Verletzungen auf Seite der AntifaschistInnen.
Don't step back!
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die türkischen Faschisten ein hohes und schnell zu aktivierendes Mobilisierungspotenzial haben. Das zweite Mal innerhalb von wenigen Monaten führte dieses Spektrum eine äußerst aggressive Aktion mit mehreren hundert TeilnehmerInnen in Stuttgart durch. In beiden Fällen konzentrierte sich die Polizei in ihrem Vorgehen auf die GegendemonstrantInnen, die in großen Teilen unmittelbar und offensiv verjagt, angegriffen, oder festgenommen wurden. Eine Linie, die sich nahtlos in das rigorose Vorgehen der Stuttgarter Behörden sowohl gegen die antifaschistische Bewegung, als auch gegen politisch aktive KurdInnen einreiht.
Die Gegenproteste müssen dementgegen in beiden Fällen als äußerst schwach, konzept- und koordinationslos eingeordnet werden.
Die zahlenmäßige Beteiligung aus der deutschen, wie auch der türkischen und kurdischen Linken war gering, was sowohl auf die sehr verworrene und kurzfristige Gegenmobilisierung, als auch auf eine geringe Sensibilisierung hinsichtlich der Thematik der türkischen Exil-Faschisten zurückzuführen ist.
Trotz zahlreicher engagierter Aktionen gegen Polizei und Faschisten, war der antifaschistische Protest der Gegenseite im Gesamten sowohl in der Wirkung nach außen, als auch hinsichtlich der Flexibilität und Geschlossenheit weit unterlegen.
Dennoch muss festgehalten werden, dass das direkte und spontane Zusammenwirken jugendlicher AntifaschistInnen aus der deutschen und der migrantischen Linken auf der Straße sich stellenweise als sehr fruchtbar erwiesen hat.
Die Ereignisse des vergangenen Sonntags müssen dazu dienen, die Notwendigkeit eines kollektiven und spektrenübergreifenden Vorgehens gegen türkische Faschisten breit zu vermitteln.
Die enorm nationalistische und rassistische Ideologie der türkischen Faschisten, ist ein Angriff auf hier aktive Linke aus der Türkei und Kurdistan und forciert die rassistische Spaltung der in der BRD lebenden MigrantInnen.
Gemeinsam mit migrantischen Strukturen gilt es nun fruchtbare Gegenstrategien der Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie effektive Aktionskonzepte auf der Straße zu entwickeln, um dem weiteren Wirken der türkischen Rechten zukünftig spürbaren Widerstand entgegensetzen zu können.
Nur so wird es möglich sein, sich trotz massivem und offensivem polizeilichem Vorgehen politisch zu Artikulieren und Aktionen zu entwickeln, die nicht schon im Vorhinein durch polizeiliche Willkür verhindert werden können.
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