[B] Rumstehen der 22 in Gropiusstadt

Gegenkundgebung

Für den gestrigen Montag hatte die Neuköllner NPD eine Kundgebung auf dem Bat-Yam Platz in Neuköllner Ortsteil Gropiusstadt angekündigt. Dass vollmundig angekündigte gemeinsame Zeichen gegen die den vermeintlichen „Ansturm von Billigarbeitern“ geriet letztendlich zum Mobilisierungsdesaster für die Nazis. Nach einer knappen Stunde zwischen Hamburger Gittern zogen die etwa 20 Nazis unverrichteter Dinge wieder ab. Übertönt wurden sie dabei über weite Strecken von, trotz nur dreitägiger Mobilisierungzeit, mehr als 300 Gegendemonstrant_innen aus autonomer Antifa, Zivilgesellschaft und Anwohner_innen.

 

Seit vergangenem Freitag hatte die NPD die gestrige Kundgebung gegen „Fremdarbeiter“ im Internet beworben. Antifaschist_innen aus dem Bezirk reagierten umgehend auf diese Ankündigung und begannen mit der Mobilisierung gegen die NPD-Kundgebung. Sie veröffentlichten unter anderem eine Flyervorlage zur eigenständigen Verbreitung und Mobilisierung. Ein Angebot vom dem vielfach Gebrauch gemacht wurde.


So bot sich ab 17.30 Uhr auf dem Vorplatz des U-Bahnhofs Liptschitzallee ein erfreuliches Bild. Zur angemeldeten Gegenkundgebung waren bereits frühzeitig zahlreiche überwiegend junge Antifaschist_innen aus verschiedenen Spektren erschienen. Im weiteren Verlauf wuchs die Menge der Protestierenden auf mehr als 300 Menschen an. Lange Zeit verwaist wirkte hingegen der komplett mit Hamburger Gittern umgebene Kundgebungsplatz der NPD auf dem angrenzenden Bat-Yam Platz. Vorbereitungen für eine bevorstehende Kundgebung waren bis kurz nach 18.00 Uhr nicht zu erkennen. Lediglich der auf einem nahe gelegenen Parkplatz abgestellte bekannte blaue NPD-Bulli samt Besatzung u.a. der wie üblich großmäulig daherkommende Jan Sturm, ließen auf eine bevorstehende Aktivität der Nazis schließen.

 

Als der NPD-Bus schließlich doch noch auf dem angemeldeten Kundgebungsplatz vorfuhr, wurden die Nazis mit einem gellenden Konzert aus Trillerpfeifen, Fußballtröten und antifaschistischen Sprechchören empfangen. Eine Geräuschkulisse, die die NPD-Anhänger_innen über die gesamte Dauer ihrer Kundgebung begleitete und die ohnehin kaum vorhandene Außenwirkung ihrer Kundgebung weiter gegen Null tendieren ließ. Die versammelte NPD-Riege um Anmelder Stefan Lux, den NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, die Lichtenbergerin Cornelia Berger, die sich wieder ein Mal als Anti-Antifa Fotografin versuchte, und den Berliner Wahlkampfleiter der Partei, Frank Rohleder, begann mit dem Aufbau, blieb dabei aber erst ein Mal allein auf weiter Flur. Ebenfalls anwesend war zu diesem Zeitpunkt, nachdem ihm zunächst der Zutritt zur Kundgebung von der Polizei verwehrt wurde, der als „der Iraker“ bekannte Anti-Antifa Aktivist aus Berlin. Er berief sich schlussendlich erfolgreich auf seine scheinbar guten Kontakte zu Udo Voigt. Etwa zehn Minuten später gesellte sich dann doch noch eine weitere Gruppe Nazis zu ihnen, die auf ihrem Weg vom U-Bahnhof zur Kundgebung mit direktem antifaschistischem Protest konfrontiert wurden. Ein Ereignis was die massiv anwesenden Polizist_innen zum ersten Mal an diesem Tag zu einem Sprint veranlasste und zur Folge hatte, dass die Absperrung zwischen Gegendemonstrant_innen und NPD-Kundgebung fortan mit Hunden verstärkt wurde.

Schlussendlich  wurde der „Iraker“ von - einer ihm offensichtlich nahestehenden Person - außerhalb des Hamburger Gitter angepöbelt, woraufhin er sofort über die Absperrung sprang und sich dabei klassisch am Hosenboden die Jogger zerriss, um dann ganz klein laut davon zu trotteten.

 

Schließlich wurde die NPD-Kundgebung von Sebastian Thom mit der Verlesung der Auflagen eröffnet. Die im Halbkreis um ihren Lauti gruppierten letztlich 22 teilnehmenden Nazis u.a. Julian Beyer, Jill-Pierre Glaser und Manuela Tönhardt mussten anschließend nach einem kurzen Beitrag des NPD-Bezirksverordneten Jan Sturm, einen nicht enden wollenden Wortschwall von Udo Voigt über sich ergehen lassen, ohne dass sich dabei auch nur die geringste Veränderung am statisch-einschläfernden Charakter der Veranstaltung ergab. Auch der wegen seiner Beteiligung an den rassistischen Brandanschlägen auf zwei Wohnhäuser von Familien mit Migrationshintergrund in Rudow im Frühjahr 2008 unter Bewährung stehende Robert Hardege, hatte mit seinem Fahrrad den Weg nach Gropiusstadt gefunden. Einziger inhaltlicher Ausdruck neben den schwer verständlichen Redebeiträgen, war ein einzelnes Transparent, dass in seiner Aussage offenbar Bezug auf die laufende Kampagne selbst ernannter „Autonomer Nationalisten“ aus dem Umfeld des Internetportals „NW-Berlin“ nahm. Eine Tatsache, die ein weiteres Mal, die enge organisatorische und inhaltliche Verknüpfung des Berliner NPD-Verbandes mit der gewaltbereiten Kameradschaftsszene unterstreicht.

 

Inzwischen hatten sich auch auf der Rückseite des NPD-Kundgebungsortes Anwohner_innen an den Polizeigittern versammelt und brachten lautstark ihren Unmut über die rassistischen Tiraden der Nazis zum Ausdruck. Als die NPD nach nicht ein Mal einer Stunde ihre Kundgebung beendete, wurde es noch ein Mal hektisch. Nach dem der als Lauti genutzt Bulli der NPD bei der Abfahrt mit hoher Geschwindigkeit die Flucht vor wütenden Anwohner_innen ergreifen mussten, beschloss die Polizei die verbliebenen Nazis durch die Gegenkundgebung zum U-Bahnhof zu führen. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen wie sich herausstellen sollte. Der überfordert wirkenden Polizei entglitt hier kurzzeitig die Kontrolle, es kam zu mehreren Blockadeversuchen und leider auch mindestens drei Festnahmen. Im Verlaufe des Gerangels verloren einige der eingesetzten Beamt_innen offensichtlich komplett die Orientierung, so dass zu einer kurios anmutenden Episode kam. Joachim Haß, Leiter der Berliner Versammlungsbehörde (LKA 572), geriet zwischen die Fronten und wurde nach dem er Bekanntschaft mit dem Pfefferspray seiner Kolleg_innen machen musste, von übereifrigen Bereitschaftspolizist_innen bereits zur Festnahme am Einsatzfahrzeug fixiert, bevor diese erkannten, wen sie dort traktierten und von ihm abließen. Haß musste anschließend von Rettungsassistent_innen versorgt werden.

 

Insgesamt kann ein durchweg positives Fazit des gestrigen Tages gezogen werden. Die verzweifelten Bemühungen der NPD in Neukölln Aktivität zu simulieren und sich im anstehenden Wahlkampf für die Abgeordnetenhauswahlen zurückzumelden, sind kläglich gescheitert. Es überwiegt das Bild der zahlreichen Gegendemonstrant_innen, die gestern in Gropiusstadt lautstark gegen den Auftritt der NPD protestierten. Die Tatsache, dass trotz des äußerst kurzfristigen Bekanntwerdens der Nazi-Kundgebung, innerhalb von nur drei Tagen mehr als 300 Antifaschist_innen zum Protest zusammengekommen sind, ist nicht nur ein großer Mobilisierungserfolg, sondern lässt auch für zukünftige Auftritte der NPD und anderer Nazis in Neukölln Gutes hoffen.

 

Weitere Berichte und Bilder:

Berlin rechtsaußen | Flickr: Noktalia, Böser Alter Mann, Mikael Zellmann

 

Infos zu Antifa & Co in Berlin-Neukölln:

» www.antifa-neukoelln.net » www.neukölln-gegen-nazis.de

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Da kann man wirklich nur positiv nach vorne schauen und hoffen das sich am 28. April 2011 auch so viele Menschen und vielleicht auch noch mehr an der antifaschistischen Streetparade durch Neukölln, anlässlich des 66. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus, beteiligen.

 

Infos unter:

www.befreiungneukoelln.blogsport.de