LKA-Spitzel gegen linke Szene in Heidelberg enttarnt

Erstveröffentlicht: 
14.12.2010

Verdeckter Ermittler des LKA forscht über neun Monate hinweg unter falschem Namen die linke Szene aus

Göttingen – In Heidelberg ist am gestrigen Sonntag, den 12.12.2010 ein verdeckter Ermittler des LKA enttarnt worden. Der Mann hatte sich unter falschem Namen seit Mai 2010 Zugang zu verschiedenen Gruppen und Strukturen der linken Szene in Heidelberg verschafft. Der LKA-Mann war unter dem Namen Simon Brenner vor etwa neun Monaten in Heidelberg aufgetaucht, hatte eine Wohnung in Leimen gemietet, sich an der Universität Heidelberg in den Fächern Soziologie und Ethnologie eingeschrieben und zunächst begonnen, sich in verschiedenen linken StudentInnengruppen zu engagieren. Dabei zeigte er Interesse für nahezu alle denkbaren Felder linker  Politik. So beteiligte er sich an Aktionen in den Bereichen Antifaschismus und Anti-AKW-Bewegung und nahm an den Bildungsprotesten ebenso teil wie am No-Border-Camp in Brüssel. Bei den vergangenen Anti-Castor-Protesten war er beispielsweise aktiv in die Organisation der Süd-Blockade involviert.

 

Nachdem ihn AktivistInnen mit seinem Doppelleben konfrontiert hatten, gab er zu, eine Sonderschulung als verdeckter Ermittler beim LKA Baden-Württemberg absolviert zu haben und in regelmäßigen Dienstbesprechungen sowohl mit dem Heidelberger Staatsschutz als auch mit dem LKA Namen und Informationen zu sämtlichen Personen der linken Szene weitergegeben zu haben, derer er habhaft werden konnte. Auch die Namen von MitbewohnerInnen und Freundschaften seien in den Akten der Betreffenden vermerkt worden. Sein Zielgebiet sei „insbesondere der Bereich Antifa“ und sein Einsatz „von langer Hand geplant“ gewesen. Ein konkreter Straftatbestand sei nicht Gegenstand seines Auftrags gewesen.

Das geheimdienstliche Ausspähen oppositioneller Gruppen durch die politische Polizei spricht jedem Anspruch von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Hohn. Es verletzt darüber hinaus eklatant das strikte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst, das sich die BRD als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Vergangenheit auferlegt hatte.

Das polizeiliche Vorgehen ist erkennbar und offensichtlich rechtswidrig. Der Einsatz verdeckter Ermittler erfordert laut Polizeigesetz und Dienstanweisungen die Benennung eines konkreten Tatverdachts und einer Zielperson, die namentlich genannt werden muss. Der Polizeispitzel „Simon Brenner“ hat aber offensichtlich über fast ein Jahr hinweg ein ganzes politisches Milieu ausgeforscht und sämtliche ihm zugänglichen Informationen über linke Gruppen und die in ihnen aktiven Personen gesammelt, ohne dabei einen tatsächlichen oder konstruierten Straftatbestand im Auge zu haben.

Die Rote Hilfe fordert die Polizeidirektion Heidelberg und das LKA Baden-Württemberg auf, die Öffentlichkeit sofort und rückhaltlos über den Einsatz dieses verdeckten Ermittlers zu informieren. Wir fordern die Heidelberger Polizei auf, unverzüglich Stellung zu nehmen zu folgenden Punkten: Was wusste die Polizeidirektion Heidelberg über den rechtswidrigen Einsatz dieses Spitzels? War die Heidelberger Polizei an Planung und Durchführung des Einsatzes beteiligt?

Wir verlangen vom LKA Baden-Württemberg eine sofortige und umfassende Stellungnahme zu folgenden Punkten: Auf welcher Rechtsgrundlage hat das LKA monatelang politische Aktivitäten und private Verhältnisse linker AktivistInnen in Heidelberg mit geheimdienstlichen Mitteln ausspähen lassen? Welchen Umfang hatte der Einsatz des Beamten? Welches Ziel sollte mit dem Einsatz verfolgt werden? Welche Daten wurden aufgrund dieses rechtswidrigen Einsatzes erhoben?

Wir fordern den baden-württembergischen Innenminister Heribert Rech auf, der Öffentlichkeit zu erklären, mit welcher Berechtigung staatliche Behörden legal arbeitende linke Strukturen durch verdeckte Ermittler der Polizei überwachen lassen. Gleichgültig, ob sich die Affäre mit Wissen von Innenminister Rech abgespielt hat oder ob er vollkommen die Kontrolle über seinen Apparat verloren hat: Die einzige denkbare politische Konsequenz ist sein sofortiger Rücktritt sowie der Rücktritt aller für den Spitzeleinsatz Verantwortlichen.

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Die Wahl des falschen Namen „Simon Brenner“ ist recht interessant und zeugt ja fast von Humor seitens der Behörden:

Simon Brenner ist der Name einer Romanfigur des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas. Bei der Figur handelt es sich um einen ehemaligen Kriminalpolizisten, der nicht ganz freiwillig die Polizei verliess und seitdem seine Fälle als Privatdedektiv, Chaffeur etc. erledigt. Ein Ex-Bulle, der auch gerne mal gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt und den einen oder anderen weiteren Kavaliersdelikt begeht. Und tendenziell links der Polizeigewerkschaft steht ;-)

 

Kann aber auch ein komischer Zufall sein.