Bullenknüppel und Mediation

Runder Tisch Stuttgart 21

Das Befürchtete ist eingetroffen: Nachdem der Repressionsstaat bei  Stuttgart 21 mit der old-school-Herrschaftsausübung im Sinne von Polizeiknüppel und Wasserwerfer keine wirklichen Erfolge einfahren konnte und die Bewegung jedenfalls nicht kleinkriegte, funktioniert genau das, mit etwas subtileren, moderneren Formen der Herrschaftsausübung: Integration, “wir sind doch alles zivilisierte Menschen und können doch miteinander reden!”

 

Bloß worüber wird geredet? “Vielen Bahnhofsgegnern fehlten bisher die notwendigen Fakten, um das Projekt beurteilen zu können, etwa was die Kapazitäten des neuen Bahnhofs oder der Tunnel angehe.” widergibt tagesschau.de Peter Hauk (BaWü-CDU). Dass es hier darum gehen könnte Lösungen zu finden, mit denen die ProjektgegnerInnen einverstanden wären, wird also nicht einmal in der herrschenden Propaganda behauptet. Sondern ganz klar ist das Ganze eine propagandistische “wir-sind-gerne-bereit-auch-den-blödesten-Steinzeit-AnwohnerInnen-noch-einmal-zu-erklären-warum-das-Projekt-auch-für-sie-sinnvoll-ist”. Denn was gut ist und was nicht wird immernoch daran gemessen “was UNS voran bringt”, oder wollen wir etwa, das WIR im Vergleich zu China rückständig erscheinen? und was Vorwärts ist,da kann es ja wohl keine verschiedenen Meinungen drüber geben!

 

Ob wirklich eine/r der GegenerInnen daran glaubt, dass die Verhandlungen zu einem anderen Ergebnis kommen könnten als “Harvester frei”? Keine Ahnung. Vor allem aber muss die übereifrige Verhandlungsbereitschaft gesehen werden, als ein Festklammern am Glauben an den Rechtsstaat. Wer sein Leben lang fest an ihn geglaubt hat, interpretiert den sogenannten “bloody thursday” wohl lieber als Ausrutscher, als die repressive Systemmatik dahinter zu erkennen, die alles was sich der herrschenden Politik entgegenstellt – egal ob bürgerlich oder “extremistisch”  - nur als niederzuschlagendes Problem sieht. Wer einmal in anderen sozialen oder ökologischen Bewegungen nachfragen würde, könnte ein Liedchen davon gesungen bekommen. Diese Mühe machen sich leider nur wenige, denn es geht hier ja nur um den Bahnhof. Für einige. Gleichzeitig geht es aber auch um viel mehr. Nämlich darum, dass BürgerInnen gerne mehr eingebunden würden in politische Entscheidungen. Ein sehr respektables Anliegen, welches leider zum Witz verkommt, wenn nicht die Anstrengungen unternommen werden, die Herrschaftsstrukturen dieser Gesellschaft zu analysieren.

 

Denn so wird die Verhandlungsbereitschaft der Politik von oben nun schon gesehen als Erfolg der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 und für mehr Mitbestimmung. “Nach ein paar Ausrutschern besinnt sich der Rechtsstaat nun und sieht ein, dass Politik nur mit den BürgerInnen möglich ist. Deshalb müssen wir nun auch schön friedlich sein und da mitmachen!”

 

Wer die Strategie von Runden Tischen und Schlichtungsgespräche einmal durchschaut hat, den/die können die aktuellen Ereignisse wenig überraschen. Dass auf einmal nach einer gelungenen Aktion – der Besetzung des Südflügels, während der sich die technischen Einheiten der Polizei etwas blamierten – selbst beim entschlosseneren Teil der ProjektgegnerInnen, auf parkschützer.de kontrovers über die Aktion diskutiert wird, die vor einer Woche noch alle super gefunden hätten. “das ist jetzt der falsche Moment für solche Aktionen, wir sollten die Friedenspflicht einhalten” kann mensch dort lesen. Friedenspflich? Davon reden die Projektbefürworter von oben, und offenbaren worum es ihnen wirklich geht: Ruhe auf den Zuschauerplätzen. Ein Großteil der Bewegung soll integriert werden in die herrschende Politik, indem sie Hoffnungen in die Verhandlungen setzten und deßhalb die Friedenspflicht einhalten. Denjenigen die das durchschauen und weiter Aktionen machen, soll die breite Solidarität entzogen werden, und die Bewegung soll damit gespalten werden. Wer glaubt, dass nach einer gescheiterten Verhandlungen, dort weitergemacht werden könnte wie davor, also Widerstand auf der Straße, der/die hat keine Erfahrung mit Widerstandsdynamiken: Wo die Luft drausen ist, ist sie raus.

 

Anstatt also Druck auf jene auszuüben, die das einzig sinnvolle tun, nämlich den Widerstand weiterzuführen, sollte Druck gegen jene ausgeübt werden, die an den Verhandlungen teilnehmen und damit eine Bewegung zerstören. Denn es geht hier nicht nur um einen Bahnhof: Es geht darum wie und ob Großprojekte in Zukunft von oben durchgesetzt werden können. Und es geht darum die geschehene Polizeirepression als das zu erkennen was sie ist: Repression gegen alle die ihre Zuschauerplätze verlassen. Und darum diese deßhalb grundsätzlich in Frage zu stellen.


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"Runde Tische gibt's bei IKEA!"

Werbung für einen weiteren besserwisserischen Artikel zu Stuttgart21 aus linksradikaler Perspektive.

Der ist aber auch gar nicht mal so dumm:

 

"Der Wind dreht sich..."

http://spektakelaufruhr.blogsport.de/?p=3

eine linksradikale Bewegung zuletzt so einen langen Atem gezeigt wie die Stuttgart 21 Proteste?