Bochum: Landtagswahlkampf aus antifaschistischer Sicht

Antifaschist*innen aus dem Ruhrgebiet

Die antifaschistische Begleitung des Landtagswahlkampfes rechter Parteien verlief in Bochum insgesamt ambivalent. Zum einen konnten vor allem den Parteien rechts der CDU massive Verluste ihrer Wahlwerbung im Stadtgebiet zugefügt werden. Auf der anderen Seite gelang es selten, den Nazis bei Straßenständen und öffentlichen Auftritten die Show zu stehlen.

 

Bereits vor der Wahl gelang es Bochumer Antifaschist*innen einen TV-Auftritt von Marcus Pretzell in Bochum kritisch zu begleiten. Hierbei konnte, wie bereits auf Linksunten berichtet, der erste Dreh des Interviews mit Pretzell verhindert werden. Durch tatkräftige Unterstützung des WDR konnte das Interview mit dem NRW-Landesvorsitzenden schließlich doch an einer anderen Stelle durchgeführt und der AfD eine mediale Bühne geboten werden.

 

Die Bochumer AfD startete hochmotiviert in den Landtagswahlkampf und begann bereits in der ersten Nacht mit dem Plakatieren. Dabei verzichtete sie in diesem Jahr in weiser Voraussicht bereits auf große angemietete Aufsteller, was bereits als Erfolg des Aktivismus bei vorangegangenen Wahlkämpfen zu sehen ist. Stattdessen wurden zunächst nur A1 Plakate angebracht. Da diese in den Nächten reihenweise von den Laternen fielen, wurden weitere Plakate extrem hoch angebracht. Dieses Vorgehen führte intern und bei AfD-Freunden zu Missstimmung, da die kleingedruckten Parolen nun kaum noch zu lesen waren. In sozialen Medien und  in einem WAZ Artikel  beklagte die Bochumer AfD den Verlust ihrer Plakate, der nach eigenen Angaben zwischen 60 und 90% betrug. Dies mag für einige Bereiche Bochums stimmig sein, aus antifaschistischer Sicht ist jedoch in diesem Wahlkampf vergleichsweise viel Wahlwerbung verschont geblieben.

 

AfD Anhänger*innen beschwerten sich in der Folge im Internet darüber, dass sie in Bochum kaum AfD-Wahlwerbung entdecken konnten. Um auf den Schwund von Wahlwerbung zu reagieren, mietete die AfD wenige Wochen vor der Wahl bei der Düsseldorfer Firma Ströer zahlreiche große Werbeflächen im gesamten Stadtgebiet an. Noch einmal konnte sich die Bochumer AfD in die geliebte Opferrolle begeben, als nämlich zahlreiche Großplakate von Farbbomben zerstört bzw. kommentiert wurden. Allein für diese nächtlichen Farbaktionen soll der Schaden nach eigenen Angaben mehrere tausend Euro betragen. Besonders aktiv beim Anbringen ihrer rassistischen und sozialchauvinistischen Wahlwerbung waren dabei Gabriele Walger-Demolsky, ihr Mann Wolfgang Demolsky, Christian Loose und Sebastian Marquard. So kam es auch hier zu mehreren Konfrontationen zwischen örtlichen Antifaschist*innen und AfD Mitgliedern. Seitens der AfD-Plakatierern wurden hierbei mehrfach Bedrohungen ausgesprochen und Pfefferspray zur Schau gestellt.

 

Die AfD verzichtete in diesem Wahlkampf auf größerer Kundgebungen im Bochumer Stadtgebiet, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Stattdessen führten sie jeden Samstag einen Wahlkampfstand in der Bochumer Innenstadt durch. Die ersten zwei Wahkampfstände wurden von jungen Antifaschist*innen begleitet, was jedoch mit Personalienfeststellungen und Anzeigen endete. Dem Aufruf lokaler Antifaschist*innen, jeden Samstag in die Innenstadt zu kommen, folgten leider nur wenige Menschen. Hier ist es vor Allem der Polizei und ihrer Kriminalisierung zu verdanken, dass die AfD unter Bullenschutz ihre Propaganda verteilen konnte.

 

Claus Cremer und die NPD in NRW, die aufgrund der AfD nun endgültig in der Bedeutungslosigkeit versunken ist, legten in Bochum einen doch sehr unmotivierten Wahlkampf hin. Wahlplakate gab es mit großer Verspätung nur vereinzelt in Bochum zu sehen und auch die Öffentlichkeit schien die NPD in Bochum zu scheuen. Eine Ausnahme bildete die Lautsprecherrundfahrt wenige Tage vor der Wahl, bei der Claus Cremer mit einigen Nazis mit 5 Minuten Stopps durch das Ruhrgebiet fuhren, um damit dem Gegenprotest zu entgehen. Diese Form der Kurz-Kundgebungen ist neu und ebenso auf antifaschistisches Engagement zurückzuführen. Leider konnte dieser kurze NPD-Auftritt in Bochum nicht verhindert oder gestört werden. Zu einer etwas größeren Wahlkampfveranstaltung seitens der NPD kam es am 06.Mai. Die NPD führte auf dem Massenberg Boulevard eine ca. 45-minütige Kundgebung durch. Wie gewohnt wurde diese im Vorfeld nicht angekündigt. Cremer scheint den 6. Mai gezielt für diese Aktion in Bochum ausgewählt zu haben, da zeitgleich die Gewerkschafter*innen für den Frieden eine Demonstration gegen Rassismus und im expliziten gegen die AfD veranstalteten. Bochumer Antifaschist*innen riefen zu einem Antifa Block auf.

 

Wie bereits oben beschrieben organisierte und unterstützte die AfD Bochum während des Wahlkampfes zahlreiche Wahlkampfstände in der Bochumer Innenstadt und in Herne. An dieser Stelle müssen wir Bochumer Antifaschist*innen überlegen, welche  Taktik bzw. Protestform beim kommenden Wahlkampf verfolgt werden soll. Selbiges betrifft auch Stammtische der AfD. Am 27.04. fand ein solcher im Wattenscheider Steakhaus El-Dorado statt, welcher weder gestört geschweige denn verhindert werden konnte. Wenn wir uns nun die Ergebnisse der Landtagswahl in Bochum angucken kann man einen Verlust bei der NPD(787 Stimmen – 0,44%) erkennen. Die Rechte haben in Bochum 97 Personen gewählt (0,05%), die Republikaner 131 (0,07%) und ProNRW ist bekannterweise erst gar nicht angetreten. Die Republikaner haben zwei Tage vor der Wahl eine Wahlkampfkundgebung in Bochum abgehalten, die  ebenfalls nicht begleitet wurde. Mit rund 15.000 Stimmen und 8,69% haben deutlich mehr Personen in Bochum die AfD gewählt, was zwar mehr als erschreckend ist, jedoch auch zu erwarten war.  

 

Außerparlamentarische Aktivitäten der lokalen rechten Szene waren während der Wahlkampf-Phase ebenfalls zu verzeichnen. Seit Beginn des Jahres können in Bochum wieder vermehrt rechte Aktivtäten beobachtet werden. Dies zeigt sich vor Allem in Propagandaaktionen wie dem Kleben von Plakaten, Aufklebern und dem Sprühen von Parolen. Eine Person die hier genannt werden kann ist Pascal Seifert. Seifert ist seit ca. 2 Jahren in Bochum unterwegs und unterhält Kontakte ins Bochumer Bahnhofsmilieu. Nun mag man denken, dass Seifert keinerlei besondere Bedeutung in der organisierten Naziszene des Ruhgebiets hat, was auch stimmen mag, jedoch ist er bereits mehrfach mit Gewalttätigkeiten gegenüber Migrantinnen und alternativen Jugendlichen aufgefallen. Zudem war er am 1. Mai vergangenen Jahres Teilnehmer der NPD-Demonstration in Bochum, als auch der 1. Mai-Demo von Die Rechte in Dortmund-Lütgendortmund, wo er durch provokantes und aggressives Verhalten aufgefallen ist. Ein Teil der oben genannten Straßenpropaganda wird auch auf sein Konto gehen.

 

Eine neue rechte Gruppierung, die in der letzten Zeit ihr Unwesen in Bochum treibt, sind die Identitären. Seit Beginn des Jahres 2017 werden im gesamten Stadtgebiet Aktivitäten dieser ausgemacht.

 

In Hinblick auf die Bundestagswahl müssen wir Bochumer Antifaschist*innen die vorhandene Vernetzung ausbauen und gerade bzgl. Straßenpropaganda und Wahlkampfkundgebungen und -stände wieder handlungsfähiger werden. Dass Neonazis ungestört Kundgebungen in Bochum abhalten können, kam in den vergangenen Jahren nur selten vor und dabei soll es auch bleiben. Hinzu kommt, dass lokale Akteur*innen der rechten Szene wieder vermehrt auf die Füße getreten werden muss.

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300 Antifaschisten demonstrieren am 6.5.2017 rund 500 Meter von der NPD entfernt.

Eine Handvoll Anwohner des Massenberg-Boulevards demonstrierte gegen die Faschos.

Wo war da die Antifa?

http://www.bo-alternativ.de/2017/05/07/das-letzte-npd-aufgebot/