Gegen die begriffliche Vulgarisierung der „Bewegung“ von 2016 in Frankreich

Symbolbild Diskussionen

In der letzten Zeit ist in Frankreich wie auch in Belgien eine Welle der semantischen Kaperung von Konzepten und Kategorien der revolutionären Arbeiter*innenbewegung zu beobachten. Konzepte, die für revolutionäre Proletarier*innen einst noch mit Sinn und Bedeutung gefüllt waren – wie der Streik, der unbefristete Streik, der „insurrektionelle Streik“, Klassengewalt, Revolte, „Blockade der Produktion“, „Besetzung produktiver Bereiche“, Sabotage, Vollversammlung, direkte Demokratie, die Bewegung, Basiskomitees – sind heute ihres subversiven Gehalts entleert. Sie werden in verfälschter Form verwendet oder ihre Bestimmung wird gänzlich verkehrt. Sie sind zu einer harmlosen Karikatur des realen Klassenkampfes geworden.

 

 

Die Abwesenheit eines für uns vorteilhaften Kräfteverhältnisses (oder zumindest eines nicht eindeutig nachteiligen) wird durch die verbale Eskalation kompensiert, welche die Schein-Kämpfe umgibt. Anstatt  die unzureichende, oder schlimmer noch, den Mangel an Kampfesfreude des Proletariats anzuerkennen und zu versuchen, dessen Gründe zu verstehen, konkurrieren die Gewerkschaften, die sich selbst als kampfeslustig präsentieren – CGT und Sud in Frankreich und FGTB-CGSP in Belgien[1] – und ihre stalinistischen, trotzkistischen und autonomen Unterstützer*innen um verbale Radikalität. Es gibt keine Streiks? Auf geht’s zum „Generalstreik“. Es gibt keinen Generalstreik? Machen wir einen „insurrektionellen Streik“ daraus, und wenn nicht dann lasst uns „die Produktion blockieren“, oder „uns aufmachen zu… der Revolution!“ Es gibt keine Besetzungen der Produktionsstätten durch die Arbeiter*innen ? Dann lasst uns Straßen oder Plätze besetzen…

Unsere wortgewandten Agitator*innen gehen vom Stellvertreter*innenstreik [2] ungeniert über zu einer Ersetzung des Streiks selbst. Die Beschwörungen von Kämpfen sind an die Stelle realer massenbasierter Kämpfe getreten, die – bedauerlicherweise – nicht existieren. Wenn diese theatralischen Ersatzhandlungen für den Klassenkampf die Form von ultra-minoritären Aktionen annehmen, ohne jegliche Hoffnung darauf, anzuwachsen, so bestärken sie unter anderen Proletarier*innen den Glauben, dass das einzige konkrete Ziel dieser Aktionen darin bestünde, ihnen in ihrem Alltagsleben auf die Nerven zu gehen.

In diesem Kontext der Vortäuschung falscher Tatsachen, wo die Schatten dessen, was einmal der Klassenkampf war, auf dem Podest der Herrschaft des Kapitals tanzen, ist es maßgeblich, die wahre Bedeutung dieser Begriffe wiederherzustellen, die missbraucht, verwässert, überbeansprucht wurden, die aber gleichwohl die autonome Arbeiter*innenbewegung bestimmt und konzeptionell strukturiert haben.


Der Streik, der seiner raison d’être entleert ist

Der Streik ist ein grundlegendes Moment der auf Lohnarbeit basierenden Gesellschaft. Er ist der erste Ausdruck des Klassenantagonismus. Er entwickelt sich regelmäßig zwischen Lohnarbeiter*innen und Chef*innen. Der Streik übersetzt den Umstand in die Tat, dass Profit und Löhne historisch in entgegengesetztem Verhältnis zueinanderstehen: Der Anstieg des einen bedeutet den relativen Rückgang des anderen[3]. Der Streik ist der Akt, der die Klassenautonomie begründet, der erste Schritt in Richtung einer Konstituierung der ausgebeuteten Klasse als Klasse für sich.

Umgekehrtes Verhältnis von Profit und Salär. Gegensatz der beiden Klassen, deren ökonomisches Dasein der Profit und das Salär sind.“ (MEW 6: 535) [4]
Der Streik ist daher nur sinnvoll, wenn seine Dynamik stets mehr Sektoren der ausgebeuteten Klasse einschließt und er ist nur effektiv insofern er vermag, die Güterproduktion zu stoppen und damit die Profiterzeugung und so die Reproduktion des Kapitals zu beeinträchtigen.

Durch die Verallgemeinerung der Kapitalverwertung und die Verwandlung aller gesellschaftlichen Produktion in sich vermehrendes Kapital, setzt sich die kapitalistische Produktionsweise als vorherrschende Produktionsweise durch und als solche selbst fort. Von nun an ist die gesellschaftliche Produktion als der Ort der Schöpfung von neuem Wert bestimmt, der sich in Kapital verwandelt. Für diese Verwandlung in Kapital muss die Ware ihren Wert in der Zirkulationssphäre durch ihre universellste und abstrakteste Form realisieren, nämlich durch die Form des Geldes. Die Metamorphose des neu geschaffenen Werts verschleiert, dass dieser seinen Ursprung in der Mehrarbeit hat, also dem Teil gesellschaftlicher Arbeit, der für den*die Kapitalist*in verrichtet wurde und den durch den Lohn vergoltenen Teil der Arbeit übersteigt. Die Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse findet an den Orten der Wertproduktion statt.

Der Streik zielt darauf ab, den Prozess der Produktion von neuem Wert zu stören, die Wertproduktion und/oder -realisierung zu unterbinden wo immer sie stattfindet, sei es in Fabriken, Warenhäusern, Büros oder Supermärkten.

Die Störung der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion des Kapitals ist eine maßgebliche Waffe, über die die Arbeiter*innen verfügen. Bei kluger Nutzung kann der Streik die Achillessehne der kapitalistischen Produktionsweise treffen und damit ihre Herrschaft über das Ganze der Gesellschaft. Der Streik hat die Kraft, das Kapitalverhältnis aufzulösen. Aus diesem Grund beinhaltet jedweder unabhängige Streik, der imstande ist, die Wertproduktion und/oder -realisierung zu stören, ein gewichtiges politisches Potential. Ein Potential, das sich umso mehr bestätigt, wenn der Streik sich ausdehnt, Wurzeln schlägt und mehr und mehr Arbeiter*innen in den Kampf einschließt. Es hat keinen Sinn, den sogenannten ökonomischen Abwehrkampf der eigenständigen politischen Bewegung der Klasse entgegenzusetzen, die in ihre unabhängigen Streikbewegungen eingeschlossen ist – es sei denn man arbeitet für die bestehende Ordnung indem man den Klassenkampf in die Normalität der Ausbeutung zurückzuführen versucht[5].


Und in dieser Weise wächst überall aus den vereinzelten ökonomischen Bewegungen der Arbeiter eine politische Bewegung hervor, d.h. eine Bewegung der Klasse, um ihre Interessen durchzusetzen in allgemeiner Form, in einer Form, die allgemeine, gesellschaftlich zwingende Kraft besitzt. Wenn diese Bewegungen eine gewisse previous Organisation unterstellen, sind sie ihrerseits ebensosehr Mittel der Entwicklung dieser Organisation.“ (Marx an Friedrich Bolte, 23. November 1871)[6]
Wenn das Proletariat zur Waffe des Streiks greift, bemüht sich die herrschende Klasse unter Ausnutzung all ihrer Mittel, das gesellschaftliche Band zwischen Arbeit und Kapital wiederherzustellen. So auch indem sie versucht, den Klassenkampf in akzeptable Formen der Auseinandersetzung umzuleiten, mit Hilfe von Gewerkschaften sowie den linken kapitalistischen Parteien, den angeblichen „Freund*innen der Lohnabhängigen“.

Wenn die eigentliche Wirkungskraft eines Streiks in seinem Vermögen liegt, den Prozess der Produktion und Realisierung von Wert zu blockieren, so muss er eine zunehmende und möglichst große Anzahl von Arbeiter*innen einschließen.

Wir erträumen uns keine flächendeckende Erhebung des Proletariats gegen das Kapital. Wir wissen, dass die anfängliche Phase des Kampfes meist in der Tat von entschlossenen Minderheiten unter den Arbeiter*innen besteht. Dennoch, das unmittelbare Ziel dieser entschlossenen Minderheiten besteht darin, so viele weitere Arbeiter*innen wie möglich für die aktive Beteiligung in der Bewegung zu gewinnen. Andernfalls wird es der Bewegung niemals gelingen, sich dem Kapital erfolgreich entgegenzustellen, als erster Ausdruck eines neuen gesellschaftlichen Verhältnisses, das dem Wert und seiner Herrschaft antagonistisch gegenübersteht. Wenn der Streik keine sich ausbreitende und verwurzelnde Dynamik entwickelt, verliert er all seine Wirkungskraft und vor allem vermag er es so nicht, ein anderes Verhältnis zwischen den Produzierenden anzudeuten und die Befreiung von der Lohnarbeit zu antizipieren.

Die sogenannte Bewegung gegen das Arbeitsgesetz in Frankreich bestand aus Minderheiten-Streiks, verbunden mit großen Bummel-Protesten, die vermeintlich die Unterstützung der Mehrheit der Arbeiter*innen bezeugen sollten, die fortwährend arbeiteten, weil es ihnen „unmöglich sei zu streiken ohne ihre Jobs zu verlieren“. Dann gab es eine lange Folge von Streiks, die kleinen Stichen glichen, die aber niemals „die Produktion blockierten“. Nach Aussage der Bank HSBC hatte die Bewegung gegen das Arbeitsgesetz auf das französische BIP einen unbedeutenden Effekt von 0,1% im dritten Quartal 2016. Im Jahr 1995 lag der auf den Streik (von 23 Tagen) zurückzuführende Rückgang des BIP laut INSEE (dem staatlichen Institut für Statistik, „l’institut étatique de statistiques“) doppelt so hoch: bei 0,2% im vierten Quartal.

Die Mikro-Streiks haben dem französischen Kapital also keinen maßgeblichen Schaden zugefügt. Was sie aber bewirkt haben, war, die in Umfragen ausgedrückte allgemeine Zustimmung der lohnabhängigen Bevölkerung, deren Arbeits- und Lebensbedingungen seit langer Zeit vom Kapital und seinem Staat angegriffen wurden, schrittweise auszuhöhlen.
So war der Mythos des „Stellvertreter*innenstreiks“ in Frankreich schnell aufgelöst, angesichts der langen Warteschlangen auf den Straßen, der überfüllten Bahnhöfe in denen keine Züge abfuhren, und der stinkenden Müllhaufen, die sich in den Arbeiter*innenvierteln stapelten. Es blieb ein Streik, dessen geringe Wirkungsstärke daran bemessen werden kann, wie schnell die Ordnung wiederhergestellt war, unbenommen der Demonstration zu seiner Beisetzung vom 14. Juni, die von den Oberhäuptern der CGT als „gewaltig“ beschrieben wurde.

Der Generalstreik als präventive Beisetzung der unabhängigen Kämpfe

Nach Aussage der Befürworter*innen der „Bewegung“ von 2016 in Frankreich wäre der Generalstreik – als mehr oder weniger unbefristeter, mit oder ohne insurrektionelle Höhepunkte –  die Krönung von aufeinander aufaddierten minoritären Streiks. Eine Idee, die sich schnell totgelaufen hat und sich auflöste in der „gewaltigen“ Demonstration des 14. Juni, dem letzten Gefecht der CGT, das die Bewegung im Grunde genommen beendete. Das Unvermögen, die schwachen ultra-minoritären Streiks in eine wirkliche, innerhalb des Proletariats verbreitete und hegemoniale Massenbewegung von Arbeitsniederlegungen zu transformieren, ist nicht auf einen Mangel an Willen der Gewerkschaften und systemkritischen Parteien zurückzuführen. Der Generalstreik, wie jede andere sichtbare Manifestation des Klassenkampfes, ist nicht eine Frage des Willens vermeintlich politischer Oberhäupter. Unlängst schrieben wir in unserem Text über „Nuit Debout“:

Die Mobilisierung der Gesamtheit des Proletariats ist die Konsequenz der anwachsenden Kraft der Kämpfe und Massenunruhen überall wo das Proletariat lebt und arbeitet. Diese Kämpfe gegen das Kapital und seine Anhängsel, die die Gewerkschaften und linken bürgerlichen Parteien darstellen, können sich nur in Phasen entwickeln, indem sie sich vereinigen während sie sich gegenseitig verstärken. Der Generalstreik, der hier beschrieben wird, setzt letztendlich eine Verwurzelung in den produktiven Bereichen der unabhängigen Organisationen der Klasse voraus.“[7]

Wenn dieser Kurs nicht eingeschlagen wird, kann sich der Generalstreik in sein Gegenteil verkehren: in ein Werkzeug zum Absorbieren und Auslaugen der fortgeschrittensten Momente des Klassenkampfes, ein Werkzeug in den Händen von Gewerkschafter*innen und politischen Vermittler*innen des Staates, die jede wirkliche Bewegung in dem wirkungsschwachen Treiben ersticken, das sie kontrollieren. Der Fall des Mai 1968 in Frankreich liefert hiervon eine beispielhafte Bestätigung. Vom 14. Bis zum 18. Mai kam eine Minderheiten-Bewegung außerhalb des gewerkschaftlichen Rahmens in Gange. Im Anschluss daran riefen die Gewerkschaften und linken Parteien einen Generalstreik aus, der von außergewöhnlicher Dauer war (vom 18. bis zum 30. Mai ), um die Bewegung zu kanalisieren. Dieser Generalstreik hatte kaum eine verstärkende oder verallgemeinernde Wirkung auf die Kämpfe. Im Gegenteil, aufgrund seiner Modalitäten und dem Ausbleiben einer selbstständigen Organisierung der Klasse, führte er zur Erschöpfung des anfänglichen Impulses.

Die sorel’schen und anarcho-syndikalischtischen Konzeptionen von Generalstreik säten die Illusion vom Zusammenbruch des Kapitalismus als einfache Folge von Arbeitsniederlegung. Diese Idee des Generalstreiks behauptet, dass der Kapitalismus durch die totale Blockierung der Produktion fallen wird. Diese These, die in der Vergangenheit bereits viele Male widerlegt wurde, mindert das insurrektionelle Moment des revolutionären Prozesses herab, ja beseitigt es gar. Dieses Moment ist jedoch ausschlaggebend, denn bei richtiger Durchführung entscheidet es über den Zusammenbruch des repressiven Staatsapparates und die Bestätigung der sich bildenden Arbeiter*innenmacht[8].

Im Laufe ihrer langen Geschichte von über zweihundert Jahren hat die Arbeiter*innenbewegung sowohl Erfahrungen mit der Verallgemeinerung von Streiks gemacht, die eine unabhängige politische Entwicklung der Klasse getragen hat, als auch solche mit der formellen Ausweitung von Kämpfen die dazu führte, dass der kämpferische Teil im Meer der Passivität der großen Masse der Arbeiter*innen ertränkt wurde – und außerdem häufig aggressiv anti-proletarische Politiken zur Folge hatte. Entgegen dem sorel’schen und anarcho-syndikalistischen Mythos hat der Generalstreik an sich keinen eigentümlichen Wert, der ihn über andere Formen des autonomen Kampfes der ausgebeuteten Klasse erheben würde.

Der Generalstreik hat nicht länger die kathartische Kraft, die großen unterdrückten Massen zum Klassenkampf zu erwecken, die in die Trägheit des sozialen Friedens und des Individualismus abgetaucht sind. Leider ist es aber genau diese Art der idealistischen Interpretation, die heute so verbreitet ist.

Der Generalstreik ist daher eine wichtige Form des Kampfes, aber er muss mit Sorgfalt gehandhabt werden. Dies verlangt zweierlei Bemerkungen.

  • Erstens: Der Aufruf zum Generalstreik ist eine vertrackte Maßnahme, die eine ungeheure Vorbereitung erfordert und die Fähigkeit voraussetzt, die Kräfte des Gegners angemessen einschätzen zu können. Es gilt den Zeitablauf des Kampfes genau zu bestimmen, um dem Klassenfeind nicht zu ermöglichen seine Gegenwehr aufzubauen. 1926 machten sich die englischen herrschenden Klassen beispielsweise Informationen über den Generalstreik zunutze, um an die rechten Mittel zu gelangen, die ihnen halfen den Kampf zu gewinnen.
  • Zweitens: Wenn wir davon ausgehen, dass die Bewegung, die einen Generalstreik tatsächlich möglich macht, in miteinander verknüpften, vollkommen selbstorganisierten Arbeiter*innenkomitees liegt, die in Kämpfen in sehr viel begrenzteren Bereichen gebildet werden – warum sollten dann alle Kräfte in einen einzelnen Kampf fließen? Selbst wenn, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass die Aufgabe nicht auf eine anhaltende Arbeitsverweigerung reduziert werden kann. Jeder Klassenkampf ist ein Bewegungskrieg.

Ein Generalstreik setzt einen hohen Grad an politischer Unabhängigkeit des Proletariats voraus, sowie eine feste und tiefgreifende Organisierung der Klasse, die imstande ist, die Kapitalverwertung an ihren maßgeblichen Knotenpunkten zu stören. Letztendlich geht es bei dem Generalstreik, auf den wir uns beziehen, keinesfalls um Forderungen, sein Inhalt ist nicht rein „ökonomisch“. Er stellt keine Forderungen, er setzt durch. Diese Form des Kampfes dient dazu, die Arbeiter*innenmacht, die durch die kompromisslose Konfrontation zwischen herrschender und ausgebeuteter Klasse gewonnen wurde, zu verfestigen und auszuweiten. Folglich ist der Generalstreik, von dem wir hier sprechen, nichts, wenn er nicht politisch ist und wenn er sich nicht einfügt in die anderen Formen der Arbeiter*innenkämpfe, die legalen sowie die illegalen.

Die Parodie des insurrektionellen Generalstreiks, die uns von den autonomen Randgruppen vorgespielt wird

Die sogenannten radikalen Gruppen, die kopfüber in die Gewerkschafts-Falle gestürzt sind, meinten sich durch verbale Eskalation und gelegentlicher Beteiligung an gewaltsamen „Ausschreitungen“ selbst aus dieser befreien zu können. Einige von ihnen rufen zur Revolution auf, andere versuchen auf den „Bullenhass“ aufzubauen. Alle von ihnen sind gekennzeichnet von einer Fremdheit zu und Unkenntnis von den produktiven Bereichen, die sie gerade beanspruchen durch ihre konfusen Aktionen zu „blockieren“.  Für sie sind die produktiven Bereiche nichts als Spielwiesen für ihre aggressiven Kindereien.

Es ist nun näher auf den Mythos von der Blockade der Produktion einzugehen. Hier muss in erster Linie die Gewalt problematisiert werden, die durch Randgruppen ausgeübt wird. Die „Ausschreitungen“ werden ihrem Namen gerecht. Laut den Praktizierenden besteht das Ziel darin, friedliche Demonstrationen als Gelegenheiten zur Konfrontation mit den Kräften der Repression zu nutzen: Straßenmöbliar zu zerstören, Reklametafeln und Schaufenster von Läden und Banken. Die Albernheit dieser Sache ist keiner weiteren Beachtung wert. Die „Bullenjagd“ dagegen, die von einigen kleinen Gruppen angestellt wurde, erfordert eine nähere Ausführung.

Proletarische Gewalt wird oft gegen die Kräfte der etablierten Ordnung angewandt [9]. Sie festigt die Ordnung des Kampfes gegen die Lohnarbeit, gegen die Ordnung der Arbeit. Diese Art von Gewalt, die von mobilen, gut organisierten Gruppen von Arbeiter*innen durchgeführt wird, hat das Ziel, jene Kräfte zu neutralisieren, die für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung verantwortlich sind, um so die proletarische Ordnung zu bekräftigen. Ihr Zweck besteht nicht darin, Rache für Polizeigewalt zu nehmen oder Menschen in Uniform auszuschalten. Sie ist eine zielgerichtete Kraftausübung, die im strengen Zusammenhang des Plans der Arbeiter*innenmacht steht. Sie ist eine Kraftausübung, die Gewalt als Ausdruck persönlichen Hasses gegen die Wachhunde der bestehenden Ordnung zurückweist, sei dieser auch noch so gerechtfertigt[10]. Proletarische Gewalt hat nichts zu tun mit einer Gefühlslage oder dem Konzept der Revolte als existentieller Geisteshaltung.

Darüber hinaus muss jede Ausübung von proletarischer Gewalt für die große Mehrheit der Unterdrückten und Ausgebeuteten allgemein verständlich sein. Persönliche Kriege sind kein Kampffeld für das revolutionäre Proletariat, denn Klassengewalt ist an sich ein Ausdruck der Bewegung der Klasse und nichts sonst. Revolutionäre Gewalt muss ein neues gesellschaftliches Verhältnis ausdrücken.
Wenn es keine Bewegung gibt, das heißt, wenn die Ordnung des Kapitals in den produktiven Bereichen unangefochten herrscht, verliert individuelle Gewaltausübung jeden gesellschaftlichen Grund, jede Legitimität. Im Gegenteil wird sie zur unfreiwilligen Stütze der kapitalistischen Ordnung, zum Abwehrmittel gegen autonome Kämpfe. Genau dies geschah wiederholt auf Gewerkschafts-Demonstrationen gegen das Arbeitsgesetz in Frankreich. Hunderte von jungen Menschen versammelten sich lediglich aufgrund des Bedürfnisses, sich mit Polizist*innen zu prügeln, platzierten sich am Anfang oder am Ende des Demonstrationszugs und zwangen der Mehrheit der friedlichen Demonstrationsteilnehmer*innen ihren Willen auf. Diese Leute haben bis zu einem gewissen Grad den vermeintlich oppositionellen Gewerkschaften in die Hände gespielt, indem sie ihnen zu Schlagzeilen und TV-Berichterstattungen verhalfen. Das ist ein erbärmlicher Trost für die Schwäche ihrer Bewegung in den produktiven Bereichen. Indem sie diese lächerlichen „Ausschreitungen“ verüben, haben diese jungen Leute Regeln sowie Zeitplan der Gewerkschaften für die Mobilisierung faktisch akzeptiert, anstatt den Versuch zu unternehmen eine von den großen Gewerkschaften unabhängige Perspektive aufzubauen. All dies ist keine Erhebung der Klasse, sondern lediglich individuelles, kurzfristiges Abreagieren, das der knallharten Niederschlagung durch den Staat geweiht ist. Die Erhebung der Klasse bezieht ihre Stärke aus dem Vermögen, die kapitalistische Ordnung in den produktiven gesellschaftlichen Bereichen zu zerlegen und ist nur denkbar als organisierter und unabhängiger Ausdruck des Proletariats in Bewegung.

Der gegenwärtige Aufruf zu einer „Erhebung des Volkes“[11] hat nichts zu tun mit den Ereignissen der Vergangenheit, von denen er behauptet, dass er sich auf sie beziehen würde. Zwei Beispiele:

  • Asturien, Spanien, Oktober 1934[12]. Die bewaffnete Insurrektion einer großen Massen von Proletarier*innen ging von  dem Generalstreik in beinahe sämtlichen Fabriken und Mienen der Provinz aus. Die Kolonne bewaffneter Bergarbeiter*innen aus der Region Mieres marschierte nach Oviedo. Das Proletariat hat eine rote Armee von 30.000 Kämpfer*innen aufgestellt. Dennoch wurde diese glorreiche Episode des Proletariats in Spanien durch die Truppen und Söldner der Republik und der von Franco geführten Fremdenlegion militärisch beendet.  Die linken Parteien und Gewerkschaften überließen den Kampf sich selbst. Diese waren verantwortlich dafür, dass der Beginn des sogenannten „friedlichen Generalstreiks“ in anderen Gegenden des Landes ausgesetzt wurde. Der Preis war hoch: 5.000 Genoss*innen wurden getötet, 70.000 inhaftiert.
  • Der Generalstreik im Rahmen des Ruhraufstands fand vom 13. März bis zum 17. April 1920 in Verlängerung des landesweiten Generalstreiks statt, der in Reaktion auf den Kapp-Putsch vom 13. bis zum 17. März 1920 ausgelöst wurde. Er wurde vom Gewerkschaftsführer des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), dem Sozialisten Carl Legien, unterstützt. Fest entschlossen, Rache für die Niederlagen von 1919 zu nehmen, errichteten die Proletarier*innen eine Rote Armee von 50.000 bis 80.000 Kämpfer*innen.[13] Nach den ersten lokalen Siegen gelang es den bewaffneten Arbeiter*innen nicht, in die Offensive zu gehen und sie wurden von der deutschen Armee umzingelt.[14] Die Unfähigkeit eine Offensive zu starten, resultierte aus der akzeptierten Präsenz der linken Parteien SPD, USPD und KPD in den politischen und militärischen Organen der Insurrektion. Diese plädierten für eine politische Einigung und waren in sich selbst zutiefst gespalten. Von da an war die Niederlage unabwendbar, die zu 2.000 Toten in unseren Reihen führte.

Sich diese beiden Höhepunkte des Klassenkampfes in Erinnerung zu rufen reicht aus, um die Kluft zu erkennen, die sie von den gegenwärtigen jämmerlichen Scheingefechten trennt.

Den Eingang eines Großmarktes zu besetzen oder auf einem Autobahnring spazieren zu gehen, reicht nicht aus, um die Produktion zu blockieren

Es ist bei gewerkschaftlichen Demonstrationen in Mode gekommen, die Produktion blockieren zu wollen. Je weniger wirkliche Streiks es gibt, desto mehr hält man diese Strohpuppe hoch. Und um diesem Geschwätz einen diffusen Gehalt zu verleihen, starten die Gewerkschaften Angriffe zur Mobilisierung von hauptsächlich militanten Gewerkschafter*innen und Linken, die einfach mal Bock auf „Action“ haben.[15] Diese Operationen sollen dann das Herz der kapitalistischen Ökonomie in Frankreich treffen.[16] Hier zwei Beispiele:

  • Am 28. April 2016 blockierten rund 200 Leute (die Mehrheit unter ihnen Studierende an der Universität Paris VIII zusammen mit Gewerkschafter*innen von SUD und CGT) von 5:30 Uhr bis 8:00 Uhr einen Kreisverkehr in der Hafengegend von Gennevilliers mit brennenden Reifen. Nachdem die Aktion durch die Polizei aufgelöst wurde, wurden 75 von ihnen auf ihrem Rückweg zur Metrostation verhaftet.
  • Am 9. Juni 2016 blockierten rund 500 Menschen auf einen Aufruf der CGT hin (lokale Gewerkschaft des 94. Départements, Air France usw.) von 3:00 Uhr bis 6:00 Uhr eines der vier Tore des Großmarktes Rungis. Anschließend verließen sie den Ort in einem Demonstrationszug über die Bundesstraße in Richtung Flughafen Orly.

Die „Blockade der Produktion“ wie sie von den Gewerkschaften und den sie unterstützenden Linken praktiziert wird, ist darauf beschränkt, vorrübergehend die Zirkulation von Personen zu behindern und - sehr vereinzelt - die von bestimmten Waren wie Nahrungsmitteln. Fabriken laufen weiter, Banken funktionieren perfekt trotz zerbrochener Fensterschreiben, die Läden sind voll von Gütern und abgesehen von punktuellen Knappheiten an Benzin in manchen Gegenden hat alles stets für das Kapital funktioniert. Diese Aktionen stören die Chef*innen oder die Regierung kein bisschen. Indessen können sie Verärgerung unter den Arbeiter*innen erzeugen, die die unerfreulichen Konsequenzen dieses politischen Zirkus zu tragen haben.

Wir haben bereits dargelegt, worin für Revolutionär*innen der Sinn des Streiks besteht: die Produktion und Zirkulation des Werts zu stoppen. Ein Streik hat zum Ziel, Bereiche und Orte der Produktion und Zirkulation von Gütern in Bastionen der Ordnung der Arbeiter*innen zu transformieren, in Zonen des Nicht-Rechts für das Kapital, seinen Staat und seine Akteur*innen. Die Ökonomie ist der Ausdruck des sozialen Verhältnisses, in dem Bosse und Grundeigentümer herrschen. Um sie zu blockieren, muss dieses soziale Verhältnis in der Säure des unabhängigen Klassenkampfes auflgeöst werden. Das „soziale Band“, das den*die Arbeiter*in an das Kapital bindet, muss zertrennt werden, wo es am stärksten ist: in der Fabrik, im Büro, im Warenlager, wo immer es direkt dazu dient, den Wert zu erzeugen oder zu realisieren, der von den Gesamtarbeiter*innen produziert wird. Es gibt keine Blockade der Produktion ohne massive Streiks, ohne permanenten Aufruhr an den Orten der Ausbeutung, ohne die systematische Infragestellung des Kommandos des Betriebs, ohne die konkrete Bestätigung der Arbeiter*innenmacht als antagonistisches Verhältnis, das aus der Asche der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse erwächst.

Direkte Demokratie in einer falschen Generalversammlung, eine Degeneration der bürgerlichen formalen Demokratie

Um die Bitterkeit leichter erträglich zu machen, dass die große Mehrheit der Arbeiter*innen der Bewegung gegen das Arbeitsgesetz fernblieb, warten die oppositionellen Gewerkschaften und ihre linken Unterstützer*innen mit der direkten Demokratie auf und hoffen nebenbei von der Ablehnung der „Politik“ und ihrer Organisationen profitieren zu können. Plötzlich blühen Generalversammlungen auf, ebenso wie Kampfkomitees, Koordinationen, Organisator*innen der horizontalen Konvergenz der Kämpfe etc. Tatsächlich sind die sogenannten Basisorganisationen nichts von alledem. Die Generalversammlungen werden von den Gewerkschaftsvertreter*innen besucht, von Arbeiter*innen kaum.

Ein Beispiel? Am Bahnhof Saint-Lazare haben die Generalversammlungen durchschnittlich 50 bis 90 Bahnarbeiter*innen versammelt, die meisten von ihnen Gewerkschafts- und/oder politische Aktivist*innen. Die einzige Ausnahme: Die erste Generalversammlung vom 2. Juni hat 180 Arbeiter*innen zusammengebracht, von möglichen 3.500.[17]

Die verschiedenen bestehenden Komitees sind die Schöpfungen von Linken, die ihre Intentionen vor den Arbeiter*innen verbergen. Koordinationen haben nichts zu koordinieren und versammeln die gleichen Aktivist*innen wie die falschen Generalversammlungen und Phantom-Komitees – alles, um ein unabhängiges politisches Leben der ausgebeuteten Klasse nachzuahmen, das im Augenblick nicht existiert. Als ob es genug wäre, seine Organisation zu erfinden, um es existieren zu lassen…

Anstatt ein wesentliches Moment der politischen Reifung der Arbeiter*innenklasse zu sein, sind diese „Generalversammlungen“, Komitees und andere Organisationen Schallräume für Entscheidungen und Ausrichtungen, die durch die politischen und Gewerkschafts-Apparate bereits getroffen und eingeschlagen wurden. Genau wie es in bürgerlichen Parlamenten geschieht. Die Form kann den Inhalt nicht ändern und, vor allem, nicht sein gesellschaftliches Wesen. Die Arbeiter*innenorganisation ist immer ein Ausdruck der Klassenbewegung, niemals der Hebel, der sie erzeugt. Und selbst wenn die proletarische Bewegung wirklich ist, ist keine Form der Organisation selbst eine Garantie dafür, dass die Bewegung den richtigen Weg einschlägt und sich einen guten Kampfplan gibt. Die „Basis“, per definitionem vernünftig, der „Spitze“, per definitionem korrupt, entgegenzustellen wie es die Linke tut, mittels des „direkten Ausdrucks“ des Volkes – dies fügt ein weiteres konfuses Element hinzu und verstärkt letztlich den Glauben an die bürgerliche formale Demokratie. Wir müssen nur an das funktionsuntüchtige Chaos der Generalversammlungen von „Nuit debout“ denken, um das zu verstehen.

Müssen wir alle Formen der direkten Demokratie verwerfen? Keineswegs. Aber es ist essentiell, dass sie das Produkt einer realen Bewegung gegen die herrschende Produktionsordnung ist, die den großen Teil der Klasse direkt und aktiv einbezieht. Unter diesen Umständen können die Generalversammlungen, die Komitees, die die entschlossensten und weitsichtigsten Arbeiter*innen zusammenbringen, notwendige Orte der kollektiven Ausarbeitung eines Angriffsplans gegen das Kapital werden, unersetzliche Instrumente des politischen Bewusstseins des Proletariats.

Der unbedingte Gang der Arbeiter*innenautonomie

Die sogenannte Bewegung von 2016 in Frankreich, wie auch ihr Äquivalent in Belgien, hat letztendlich den Kampfeswillen der kleinen proletarischen Minderheiten zersetzt, die zur Tat geschritten sind. Schlimmer noch, diese zwei gewerkschaftlichen Episoden haben die Kluft vertieft, die diese Minderheiten von der großen Masse der Arbeiter*innen trennt. Der „Stellvertreter*innenstreik“ wurde zum Streik, der erst Gleichgültigkeit auslöste und dann Feindseligkeit, trotz aller Umfragen, die über die mehrheitliche Unterstützung der Bevölkerung berichteten. Es ist unbestritten, dass die Arbeiter*innen jedes neue Gesetz, Dekret und andere Bestimmungen, die sie gegenüber den Boss*innen und dem Staat schwächen, ablehnen. Die Umfragen haben dies durchweg gezeigt. Aber Meinungsumfragen sind nicht die Realität, ebenso wenig wie Wahlen es sind. Beide tragen der Meinung der gesamten Bevölkerung Rechnung, nicht dem Kampfeswillen des Proletariats. Außerdem besteht die politische Verzerrung von Meinungsumfragen darin, alles in das Ringen zwischen Parteien des Kapitals zu verwandeln. Wie können wir sonst den Umstand interpretieren, dass Front National-Wähler*innen in Frankreich proportional vergleichbar stark gegen das Arbeitsgesetz eingestellt sind wie Sympathisant*innen der Linken?

Die brutale Realität ist, dass das Proletariat in Frankreich und Belgien in seiner großen Mehrheit im Netz der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse verfangen bleibt, im engen Netz der Lohnarbeit. Der Klassenkampf lässt sich nicht verordnen. Damit die Bewegung die aktive Unterstützung der proletarischen Massen gewinnt, ist es nicht ausreichend, wenn Minderheiten sich in Bewegung setzen. Vor allen Dingen zeigt diese n-te Episode in den turbulenten Beziehungen zwischen einigen Gewerkschaften und der Regierung, dass der Gang des unabhängigen Klassenkampfes nicht durch diese operettenhafte Mobilisierung voranschreitet, die durch die Intermediäre des Staates ausgerufen wurde.

Ein Aufschwung der Arbeiter*innenautonomie kann sich unter den aktuellen historischen Bedingungen der Integration der alten Arbeiter*innenbewegung in den Staat nur herstellen, wenn   die linken Parteien und Gewerkschaften als wesentliche Organe der kapitalistischen Ordnung erkannt werden. Die Protesthaltung in den Gewerkschaftsverbänden, die kampfeslustige Minderheiten dazu bringt, sich als Antrieb für die linken Parteien und Gewerkschaften aufzuspielen, mit dem Ziel, diese zu einem Handeln zu bewegen, das im Widerspruch zu der institutionellen Funktion steht, die ihnen durch das Kapital zugewiesen ist – sie ist der Weg, der am sichersten und schnellsten in neuen Niederlagen endet.

Die politische Unabhängigkeit des Proletariats baut sich in den Kämpfen der Klasse auf, die sich von allen Beschränkungen der politischen und/oder gewerkschaftlichen „Einheitsfront“ und den unbedeutenden Taktiken der „Ausschreitungen“ befreit, die in die Agenda eingetragen sind, wie sie von den Gewerkschaften und Parteien des Kapitals bestimmt ist, die der Verwaltung der Widersprüche der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse verschrieben sind. Diese politische Unabhängigkeit des Proletariats, die wir herbeiwünschen, wird aus den alltäglichen Kämpfen gegen die Herrschaft des Kapitals erwachsen und wird erstarken, indem sie ihre eigenen Organe im und durch den Kampf begründet. Es geht um Organe, deren erster Auftrag darin besteht, die politische Dimension jeden Kampfes gegen die materiellen Bedingungen der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung anzuerkennen und voranzutreiben.


Mouvement Communiste/Kolektivně proti Kapitălu

Übersetzung: Antifa Kritik & Klassenkampf

Originaltext unter: http://mouvement-communiste.com/documents/MC/Leaflets/BLT1606FR%20vF.pdf


Endnoten:


[1] Der Fall Belgiens ist bemerkenswert. Die Gewerkschaften haben über das gesamte Jahr 2015 hinweg viel Beachtung in den Medien erhalten, sodass der Eindruck entstand, Belgien würde eine immense Streikwelle erleben. Die tatsächlichen Zahlen wiesen den Medien-Zirkus zurecht. Laut der belgischen Zeitung „L’Ècho“ vom 17. Juni 2016 waren im Jahr 2015 207.563 Streik-Tage zu verzeichnen, während es 2014 760.297 waren. 2015 ist eines der streikärmsten Jahre seit 1991.

[2]    Ein verhängnisvolles Konzept, das im November/Dezember 1995 während des Kampfes der Eisenbahnarbeiter*innen gegen die Abschaffung der speziellen Ruhestands-Regelungen erfunden wurde.  Es diente dazu, die Tatsache zu rechtfertigen, dass der Streik nicht über die Linien des SNCF und RATP hinausging (bzw. in geringem Umfang, wie in La Poste, die des EDF und GDF). Vgl. die Beilage zum „Worker Bulletin“ No. 1 (französisch): http://mouvement-communiste.com/documents/Archives/WorkerBulletin/bo_1_supp.pdf

[3]  Gleichwohl es Phasen gibt, in denen eine steigende Profitrate mit steigenden Löhnen einhergeht.

[4] MEW 6: 535

[5] Vgl. „Unions and Political Struggle“: http://mouvement-communiste.com/documents/MC/Letters/LTMC0311EN.pdf.

[6] MEW 33: 332-333
[7] Vgl. “Standing at night, or taking it lying down?”:
http://mouvement-communiste.com/documents/MC/Leaflets/BLT16024ENVF.pdf

[8] Als die  Anarchist*innen den faschistischen Putsch vom Juli 1936 in Barcelona siegreich  beantworteten,  geschah dies nicht durch einen Generalstreik, sondern durch ausführliche militärische Vorbereitung, die Beobachtung der Armee-Kasernen, die Bewaffnung des Proletariats, die durch die Gruppe Nosotros organisiert wurde. Umgekehrt ist der Basel-Kongress der Zweiten Internationalen von 1912 ein anschauliches Negativ-Beispiel davon, was die Sozialdemokratie damals unter Generalstreik verstand. Vielen anderen Versammlungen folgend entschied der Basel-Kongress für den Kriegsfall das sofortige Einleiten eines Generalstreiks in allen kriegsführenden Ländern. Ungeachtet dessen haben sich im Jahre 1914 beinahe die gesamte Zweite Internationale ebenso wie viele Anarchist*innen an die Seite ihrer jeweiligen Bourgeiosie gestellt. Der formelle und bürokratische Slogan des „Generakstreik“ diente da bereits als Vogelscheuche gegen jegliche reelle Klassenpolitik.
[9] siehe: Unser Brief Nr. 36: „Die proletarische Gewalt ist nicht immer ein Synonym für Arbeiter*innenautonomie“
http://mouvement- communiste.com/documents/MC/Letters/LTMC1336FRv F.pdf
[10] „Der dialektische Materialist kennt keinen Dualismus zwischen Ziel und Mittel. Das Ziel ergibt sich naturnotwendig aus dem historischen Prozess. Die Mittel sind dem Ziel organisch untergeordnet. Das unmittelbare Ziel wird zum Mittel für ein entfernteres Ziel.“ (Leo Trotzki, Ihre Moral und unsere, https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/moral/moral.htm )
[11] Slogan, der von einige Teilnehmenden von „Nuit Debout“ in Paris verwendet wird und von der Pariser Commune von 1871 inspiriert ist. Arme Communarden, solche miserablen Erben zu haben.

[12] Für eine weitere Beschäftigung empfiehlt sich das (nicht auf Deutsch erhältliche) Buch von Manuel Grossi: „La insurrección de Asturias“

[13] Siehe zu diesen Ereignissen: „Un rebelle dans la révolution Max Hölz“ ; Éditions Spartacus. und  „La gauche communiste en Allemagne 1918-1921“ von D.Authier et J. Barrot, S.144-152; Editions Payot

[14] Die Armee wurde auf der westlichen Front von den französischen und den belgischen Besatzungstruppen unterstützt.
[15] Ein anderer bestätigter Fall ist die opportunistische Ausnutzung dieser Situation durch einige Gewerkschaften - wie der Piloten von AirFrance – um eigene korporatistische Interessen zu verteidigen, die nichts mit dem „loi travail“ zu tun haben.
[16] Mouvement Communiste hat selbst diese Parole während des ersten Irakkriegs propagiert. Damals musste  daran erinnert werden, dass die einzige Art, kapitalistische Kriege zu stoppen, darin besteht, das Kapital an seiner Verwertung zu hindern und so den Krieg in einen internationalen Klassenkrieg zu verwandeln. Dies hat also überhaupt nichts mit dem aktuellen Kontext zu tun. Siehe: „Um den Krieg zu stoppen, muss man die Ökonomie stoppen“ http://mouvement-communiste.com/documents/MC/Leaflets/tract_9009_pas_de_...

[17] Der Bahnhof Paris Saint-Lazare zählt 4015 Lohnabhängige (Zahlen von 2015). Es gab drei Vollversammlungen: Achères, Mantes-la-jolie und Saint-Lazare. Die VV in Saint-Lazare vereinte 3.500 Menschen aus dem Personal, die aus den Bereichen des Technikzentrum (Levallois, Vorstadtzüge, und Clichy, Material), kommerzielle Services, Fahrkartenkontrolle,  Bahnpolizei, Weichenstellung, Rangierung und der Administration kommen können.

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Also Gerneralversammlungen sind chaos, direkte aktionen bringen nichts und gewerkschaften sind wie parteien immer eine Stütze des Systems? Ganz im ernst  Blockaden und Proteste vor Produktionshallen sind ein Weg um andere Menschen auf das Thema aufmerksam zu machen und anderen Ausgebeuteten Mut für eigene Aktionen oder eienr Teilnahme zu machen. Die Streiks die ihr als historische Beispiele aufführt sind auch nicht aus dem Nichts gekommen, sondern waren jahrzente lange Basisarbeit. 

 

Das Gewerkschaften beio einem Streit nicht zusammen arbeiten sollen ist wohhl das lächerlichste was ich je gehört hab, aber macht ruhig weiter Agitation für den einen wahren richtigen erleuchteten Weg den ihr entdeckt habt, nach eurem Studium, werdet ihr eh aufhören nachdem ihr bemerkt habt dass euch Arbeiter bei der Terminalogie die ihr benutzt nur auslachen werdet, falls ihr überhaupt jemals mit denen zu tun haben werdet ;)

 

Und natürlich bitte keien Ausschreitung, dass ist ja sowas von gar nicht Arbeiterklasse. Gott, nur weil ihr die Wut nicht nachempfinden könnt, müsst ihr sie nicht anderen abreden. Mensch, natürlich ist ein reines Scheiben einschmeißen langweilig und sinnlos, aber zerstörung der Produktionsstätten in frühen Phasen des Kampfes sind sowohl praktisch natützlich als auch die wortgewaltigste Propaganda überhaupt. Streikbrecher und Beschwichter wird es immer geben, davon sollte man sich nicht aufhalten lassen.