Leipzig: Maßlose polizeiliche Selbstgerechtigkeit

PM der Polizei
Erstveröffentlicht: 
08.03.2017

Nach bisherigem Kenntnisstand vergriffen sich zwei Polizeisprecher im Ton. Anstatt in einer Pressemeldung die Polizeisicht auf sexualisierte Gewalt und das Geschehen ringsum sachlich-neutral wiederzugeben, maßen sich die beiden eine politische Bewertung an. Und überschreiten damit ihren Kompetenzbereich.

 

Auf den sexualisierten Übergriff am 4. März im Conne Island gibt es zwei Sichtweisen. Das ist nicht überraschend. Der Club selbst schildert ihn so, die Polizei schreibt dies (nach unten scrollen). Es fallen hingegen die Überschrift „Merkwürdiges Connewitzer Inselleben“ und folgende Bemerkungen im Polizeibericht auf:  

 

„Es bleibt einmal mehr ein sehr fader Nachgeschmack, allerdings auch eine gewisse Belustigung über die unübersichtlichen Zustände innerhalb sogenannter rechtsfreier Räume. Darin kann es im Jahr 2017 also schon mal vorkommen, dass das klassische Feindbild (Staat/Polizei) des uniformen Linksalternativen dabei behindert wird, wie es sich für einen (zu Unrecht verfolgten?) Ausländer einsetzt, der zudem – zumindest nach Zeugenaussagen – von augenscheinlichen Angehörigen der linken Szene angegriffen wurde. Rassismus ist jetzt vielleicht schon weit jenseits der gesellschaftlichen Mitte anzutreffen.“

 

Die von Polizeisprecher Andreas Loepki und Pressesprecher Uwe Voigt unterzeichneten Einlassungen spielen nicht nur den Übergriff herunter. Sie ergehen sich genüsslich in einem – unbewiesenen – Rassismusvorwurf, und die Lokalpresse greift das unkritisch auf. Solche Bewertungen abzugeben ist aber generell nicht Aufgabe der Polizei. Gerade in Sachsen, wo Exekutive und Judikative immer wieder damit auffallen, Rassismus und rechte Gewalt nicht zur Kenntnis zu nehmen oder sie herunterzuspielen, mutet solche „maßlose Selbstgerechtigkeit“ seitens der Behörde besonders krass an. Ist das noch Unprofessionalität oder der Wille zur Deutungsmacht? Über Charakter und Größe eines Egos möchte man gar nicht spekulieren, das mit „Ällabätsch!“ auf ihm missliebige Szenen zeigt, weil es eigene Projektionen für wahr hält.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass Polizeisprecher Loepki durch Eigenmächtigkeit auffällt. So sah er sich im August 2016 bemüßigt, im Kommentarbereich des kreuzer einen Beitrag zu kritisieren. Insbesondere wurmte ihn, dass das Magazin seine Pressemitteilung nicht einfach übernommen hatte. Sein Credo: „Worin das Interesse an einer gewissen Tatsachenverzerrung bestehen könnte, dürfte auch auf der Hand liegen. Schade dass Sie die Wertigkeit der Quelle mit uns auf eine Stufe stellen.“

 

Das Conne Island dazu:

 

Polizei Leipzig verharmlost sexualisierten Übergriff und wirft dem Conne Island zu Unrecht Rassismus vor

  • Täter eines sexualisierten und gewalttätigen Übergriffs erhält Hausverbot im Conne Island
  • Polizei macht sich mit politischer Bewertung unglaubwürdig


Am Samstag, den 04. März 2017, fand im Conne Island die Tanzveranstaltung Edit X Electric Island statt. In den frühen Morgenstunden kam es zu einem sexualisierten Übergriff eines Gastes, den die betroffene Frau der Security meldete. Diese machte den Täter ausfindig, erteilte ihm Hausverbot und verwies ihn des Geländes. Der Täter reagierte daraufhin aggressiv und warf mit Flaschen und Steinen um sich, verließ jedoch schlussendlich die Örtlichkeit.

 

Als die Veranstaltung beendet war und die Abendverantwortlichen den Saal des Conne Islands bereits abgeschlossen hatten, tauchten rund zehn Polizeibeamt_innen mit dem Täter auf dem Conne Island-Hof auf. Ihr Anliegen: Der Täter habe angeblich, trotz dessen er keine Garderobenmarke bei sich trug, noch seine Jacke im Veranstaltungssaal hängen. Diese solle nun herausgegeben werden. Die anwesenden Conne Island-Mitarbeiter_innen erklärten den Beamt_innen, dass der Täter aufgrund eines Übergriffs Hausverbot erhalten habe und sich deswegen nicht mehr auf dem Gelände aufhalten dürfe. Zudem würden sich keine Jacken mehr in der Garderobe befinden. Doch all das interessierte die Polizei offenbar nicht. Sie redete weiter auf die Anwesenden ein, bis sie schließlich einen Blick in die Garderobe werfen durfte, um sich der Tatsachen zu vergewissern. Soweit die Fakten.

Der Polizeibericht vom 05. März 2017 bewertet diese Fakten jedoch anders. Sexualisierte Gewalt wird bagatellisiert. „Eine Frau wurde Opfer eines Übergriffs. Sie hat den Mut den Vorfall zu melden. Die Conne Island-Security reagiert darauf, macht vom Hausrecht Gebrauch, um somit nicht nur die Betroffene sondern auch weitere Personen zu schützen. Und die Polizei hat nichts Besseres zu tun als den Täter zurück ins Conne Island zu geleiten. Dieses Vorgehen, insbesondere aber die Berichterstattung der Polizei, kritisieren wir stark“, so Geschäftsführerin Tanja Rußack zu den Vorfällen.

Im Polizeibericht wird behauptet, der Rauswurf wäre rassistisch motiviert. Der Täter erhielt jedoch ein Hausverbot, weil er eine Frau sexuell belästigte und gewalttätig wurde – natürlich nicht aufgrund seiner Hautfarbe. „Die Polizei scheint einen Gefallen daran zu finden, einem linken Projekt wie dem Conne Island einen Rassismusvorwurf zu machen, um es zu diffamieren.“

 

Das Ausmaß der Bewertung und die Polemik des betreffenden Berichts übersteigen eindeutig die Kompetenzen der Polizei. Sie verwendet den Rassismusbegriff für ein Geschehnis, das nicht rassistisch geprägt war. „Das ist höchst problematisch. Denn gegenüber den tatsächlichen rassistischen Zuständen in Sachsen ist die Polizei oft blind – teilweise kehr sie diese sogar unter den Teppich. Die Verbindungen zur Gruppe Freital sind dafür nur ein aktuelles Beispiel“, so Rußack.

Die Polizei schlachtet den Vorfall auf populistische Weise aus und Pressevertreter_innen übernehmen den Bericht unkritisch – ohne das Conne Island zu den Vorfällen zu befragen und damit ihrer journalistischen Pflicht nachzukommen.


Dass die betroffene Frau in einem nachgeschobenen Satz dann doch noch aufgefordert wird, sich bei der Polizei zu melden, erscheint wie blanker Hohn. Da wundert es nicht, dass sexualisierte Übergriffe angesichts eines solch herabwürdigenden Umgangs nicht angezeigt werden.

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