Samstag | 28.01.2017 | 18:30 Uhr | Hörsaal A | Campus der Universität Wien | Spitalgasse 2 1090 Wien
In Österreich, Europa und weltweit erleben wir ein diffuses
Zusammenspiel von ökonomischen, (sicherheits-)politischen und sozialen
Umwälzungen. Es fühlt sich an, als würden sich Ereignisse verdichten,
als wäre auf einmal mehr los als in den letzten Jahren. Die radikale
Linke sah sich im Verlauf des letzten Jahres gleich mehreren
Entwicklungen ausgesetzt, auf die bis heute eher schlecht als recht
Antworten gefunden werden konnten: Die Krisen- und Austeritätspolitik
der EU und allen voran Deutschlands als
europäischem Hegemon; die Flucht- und Migrationsbewegungen und die
Militarisierung der tödlichen Außengrenzen der EU; das Erstarken extrem
rechter Bewegungen und Parteien sowie die autoritäre Zuspitzung der
Gesellschaft. Nicht nur die Verschärfung der Sicherheitspolitik, der
Abbau bis hin zur faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl, sondern
auch die generelle autoritäre Zuspitzung staatlichen Handelns wird
zumeist, wo nicht beklatscht, doch zumindest als neue Normalität
hingenommen. In Zeiten immer größerer Unsicherheit, sozialer
Abstiegsängste und immer stärker wachsenden Drucks, sich den Zwängen und
Anforderungen des Marktes anzupassen, kommt es zu einer Hochblüte
autoritärer Politik durch den kapitalistischen Wettbewerbsstaat auf der
einen und die Akzeptanz reaktionärer Ideologien auf der anderen Seite.
Das alles ist kein Zufall.
Was sollte die radikale Linke
angesichts der sich anbahnenden Katastrophe tun? Wo ist die „Notbremse“
(Walter Benjamin), wo die Ansatzpunkte, um die Welt aus den Angeln zu
heben? Ist der Aufstieg der extremen Rechten als ein „Notwehrakt“ der
Proletarisierten (Didier Eribon) zu verstehen, weil die Linke
gescheitert ist? Oder ist die Arbeiter*innenklasse gar kein
„revolutionäres Subjekt“, sondern eher Teil der rechten Hegemonie? Wie
lassen sich aus den multiplen Krisen multiple Kämpfe entwickeln, welche
in emanzipatorischer Weise über die bestehenden Verhältnisse
hinausweisen? Welche Form sollte diese „wirkliche Bewegung“ (Marx)
annehmen und welches Verhältnis hat sie zu Reformismus, Staat und
Parteien? Das Krisen auch ein Moment emanzipatorischer Veränderung
gesellschaftlicher Verhältnisse bieten könne, hat nicht zuletzt die
Oktoberrevolution vor genau 100 Jahren unter Beweis gestellt. Doch
markiert dieser Versuch einer klassenlosen Gesellschaft auch ihr
Gegenteil: Das Umschlagen von Befreiung in Herrschaft und Barbarei. Der
Nationalsozialismus strafte dann wenige Jahrzehnte später jede
materialistische Geschichtsteleologie und jeden Fortschrittsglauben
Lüge, indem die negative Aufhebung der Klassengesellschaft in den
volksgemeinschaftlichen Volksstaat mittels Shoah und Vernichtungskrieg
vollzogen wurde.
Angesichts der ständigen Gefahr des
Umschlagens moderner bürgerlicher Herrschaft in Barbarei, in der die
Krisenlösung als Massenmord im nationalen Wahn gedacht und umgesetzt
wird, scheint die Linke mit ihren Abwehrkämpfen richtig zu liegen. Doch
ist dies bekanntlich ein Kampf gegen Windmühlen, da es die bürgerliche
Gesellschaft selbst ist, die ständig irrationale Ideologien und
wahnhafte Monster hervorbringt. So scheint die Veränderung der
gesellschaftlichen, von Menschen hervorgebrachten, sich aber von den
Menschen verselbstständigten Verhältnisse drängender denn je. Denn die
eskalierenden Widersprüche des globalen Kapitalismus drängen auf
Lösungen. Ob dies im bestehenden, reaktionär oder emanzipatorisch und
revolutionär geschieht, dass ist die Frage der sich die Linke aktuell zu
stellen hat. Wiederholt sich die Geschichte als Farce, als Tragödie
oder ist es der Moment des Aufbruchs?
Diese Fragen wollen wir auf dem Podium und gemeinsam mit euch diskutieren:
° LUKAS OBERNDORFER (Mosaik - Politik neu zusammensetzen,
WIEN): Die Hegemoniekrise, die wir durchleben, bedeutet, dass sich auch
Perspektiven für emanzipative Brüche öffnen. Diese Situation gilt es,
für eine gesellschaftliche Re-Organisierung der Linken zu nutzen.
° Das KOLLEKTIV (BREMEN) hat mit ihrem 11-Thesen-Papier über Kritik
linksradikaler Politik, Organisierung und revolutionäre Praxis einen
umfangreichen Beitrag zur Strategiedebatte verfasst. Es ist ein Plädoyer
für eine revolutionäre Politik jenseits von Staat, Parteien und Kapital
und für Selbstorganisierung abseits staatlicher Institutionen und eine
linksradikale Gegenkultur:
° …UMS GANZE!-BÜNDNIS: Ein Genosse des kommunistischen "ums Ganze!" Bündnis
fragt sich, ob reformistische Politik unter den gegenwärtigen
kapitalistischen Bedingungen überhaupt noch möglich ist. Die Dialektik
von Struktur und Handlung lässt sich nicht einseitig in eine Richtung
auflösen. Die systemischen Dynamiken des Kapitals müssen mitgedacht
werden und linke Politik darf sich selbst nicht überschätzen. Der
Reformismus hat zu kurze Beine und kann nur kapital-konforme Lösungen
erarbeiten. Deshalb braucht es die radikale Linke, die abseits der
staatlichen Politik Selbstorganisierung vorantreibt. Ein gutes Leben für
alle ist nur jenseits des Kapitalismus möglich!
° (ABGESAGT)
BÜNDNIS GEGEN RECHTS (BgR) LEIPZIG: Eine Genossin des mittlerweile
aufgelösten Bündnisses meint: Der rechte Konsens zeigt, dass man die
Menschen nicht dort abholen kann wo sie stehen, sondern ihnen in den
meisten Punkten widersprechen muss. Dieser Problemlage muss sich ein
„Linkspopulismus“ stellen. Rechte Positionen müssen kritisiert werden,
auch wenn sie von der Linken kommen. Widersprüche müssen klar benannt
werden, anstatt sie zuzudecken. Es lässt sich eine gesellschaftliche
Regression und eine Regression der Linken beobachten.
° JUTTA DITFUTRH: Jutta Ditfurth konnte kurzfristig für das Podium zusagen. Eine Beschreibung folgt in kürze!
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Die Veranstaltung findet im Rahmen der Kampagne der Plattform Radikale Linke
"Raus aus der Ohnmacht! Gegen die autoritäre Zuspitzung - für die
befreite Gesellschaft!" statt. Mehr Infos darüber findet ihr hier: http://radikale-linke.at/ de/home/
hört sich gut an!
Wird für alle Menschen, die nicht mal so schnell nach österreich kommen, einen audio/video-mitschnitt geben? wär klasse!