Über fast viereinhalb Jahre hinweg beschäftigten sich Polizei und Justiz mit der Aufklärung einer Straßenschlacht in Delitzsch-Nord. Doch das Ziel, die Geschehnisse umfassend zu beleuchten, wurde verfehlt. Zwei Verurteilte gibt es dennoch.
Delitzsch/Leipzig. Was wirklich geschah an jenem frühen Morgen des 12. Mai 2012, darüber lässt sich im Detail nur spekulieren. Ausgangspunkt war die Discothek Blue Angel in Delitzsch-Nord. Nach übereinstimmenden Angaben begann dort zunächst ein Wortgefecht zwischen Asylbewerbern aus Nordafrika und einer deutlich größeren Gruppe Deutscher. Warum, blieb offen. Die Ausländer machten sich dann auf den Heimweg Richtung Innenstadt. Sie wollten zum Bahnhof und von dort mit dem Taxi zur Unterkunft im Ortsteil Spröda, sagte einer von ihnen vor Gericht aus. Doch auch die Deutschen setzten sich in Bewegung – und in der Securiusstraße wurde es dann brenzlig. Plötzlich flogen Steine, Holzlatten und Eisenstangen wurden gegriffen. Eine Wohnhausbaustelle vor Ort lieferte Material.
Gegen 5.30 Uhr war die Polizei vor Ort. Auch ein paar Anwohner schauten aus dem Fenster, alarmiert durch den Lärm. Entsprechend las sich die Zeugenliste der Gerichtsverhandlung: Insgesamt rund ein Dutzend Personen wurden zum Tathergang befragt – mit wenig Erfolg. Manche hatten kaum etwas gesehen, andere konnten sich nicht erinnern. Und jene, die als mutmaßliche Opfer der Straßenschlacht angehört werden sollten, gaben sich im Wesentlichen desinteressiert. „Ich habe keine Ahnung, ich weiß es nicht mehr“, wiederholte ein 36-jähriger Tunesier immer wieder, nachdem er am Donnerstag zwangsweise von der Polizei als Zeuge vorgeführt werden musste. Die Aussagen zu Verletzungen, die noch vor dem Amtsgericht getroffen worden waren, wurden zum Teil widerrufen. Ebenso die Darstellung, dass Steine nur aus der Gruppe der Deutschen flogen.
Trotzdem zogen die Verteidiger der beiden Angeklagten die Berufung zurück. Da gegen Kevin C. parallel noch ein zweiter Prozess gelaufen war und der 21-Jährige zwischenzeitlich vom Amtsgericht verurteilt wurde, hätte dieses Urteil laut Jugendstrafrecht einbezogen werden müssen. C. drohte damit eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, die nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Und ein Freispruch vor dem Landgericht war trotz widriger Zeugenaussagen nicht in Sicht. Die Verteidigung entschied sich, die Bewährung zu sichern – und damit für den Rückzug. Auch im Fall von Dirk H., weil sein Kumpel Kevin sonst gegen ihn hätte aussagen müssen.
*Namen geändert
Von Kay Würker
Ergänzung
Vorgeschichte:
Berufungsprozess nach Disco-Schlägerei: Zwei Delitzscher angeklagt
Prozess vorm Landgericht: Zähe Aufklärung einer Delitzscher Straßenschlacht
In der Druckausgabe standen damals die richtigen Vornamen:
"Kevin C." = Steven C.
"Dirk H." = Maik H.