Einleitung
Viele die diesen Text hier lesen werden, wissen bereits worum es geht,
haben schon einiges dazu gelesen oder sich mit der Berichterstattung
über das Verfahren auseinander gesetzt. Einige haben vielleicht etwas
von dem Prozess gehört und andere wissen noch gar nichts darüber. Wir
freuen uns über jede Person, die diesen Text liest und sich vielleicht
damit auseinander setzt oder wenn er irgendwie weiter hilft. Dieser
Text wurde von verschiedenen individuellen Menschen geschrieben.
Wir haben keinen Anspruch als Soligruppe oder sonst wie bezeichnet zu werden und wollen dies auch nicht. Der Text entstand im Verlauf der letzten Prozesstage und sollte eigentlich nicht als ein langer Text, sondern als mehrere kurze Prozessberichte über den jeweiligen Verhandlungstag, veröffentlicht werden. Während der Arbeit merkten wir jedoch, dass die Berichte auf dem Blog https://solidariteit.noblogs.org/ genügen und wir mit weiteren kurzen Texten nicht unseren Anspruch gerecht werden. Eher wollten wir einen längeren, ausführlichen Text verfassen, welcher als Ergänzung zu den bisherigen Berichten veröffentlicht wird. Der Text entstand in verschiedenen Schritten zu verschiedenen Zeitpunkten zum Teil kurz nach den Prozesstagen, aber auch zum Teil nach dem Ende des Verfahrens. Wir wollen sowohl detailliert darüber informieren, was sich während des Prozesses im und um den Gerichtsaal abspielte, als auch zu analysieren wie Repressionsbehörden bei „schweren Straftaten“ wie einer Bankenenteignung vorgehen. Ob wir unserem Anspruch gerecht wurden, müssen die Leser_innen für sich entscheiden. Im Folgenden noch ein ganz kurzer Abriss, worum es überhaupt geht.
Am 08.06.2013 wurden in der Aachener Innenstadt eine Bank um ca. 42.000€ enteignet. Die DNA der Angeklagten stimmt mit DNA
Spuren auf den Waffen (2 Schreckschusspistolen), welche 11 Tage später
in der Bank in einem Schrank von einem Praktikanten gefunden wurden,
überein. Bei der Angeklagten handelt es sich um eine Kameradin aus dem
anarchistischen Spektrum der Niederlande. In den 5 vorherigen
Prozesstagen wurden die beiden Bankangestellten, die sich während des
Enteignung in der Bank befanden, die Bullen, sowohl von der Polizei
Aachen als auch vom LKA Nordrhein-Westfalen und ein DNA-Gutachter
vernommen. Zusätzlich wurden schriftliche Stellungnahmen von
Entlastungszeugen verlesen. Die Bullen wollen diesen Überfall mit
anderen, welche 2012 und 2014 in Aachen stattfanden, in Verbindung
bringen. Hierfür sitzen zwei anarchistische Menschen aus Barcelona in
deutschen Kästen in Untersuchungshaft.
Berichte, Zeitungsartikel und Videos dazu findet ihr unter folgendem Link https://solidariteit.noblogs.org/ Die Seite ABC Wien hat auch eine ausführliche Sammlung an Texten und Berichten. Ebenfalls hilfreich Aachener Nachrichten und WDR
Lokalzeit Aachen oder einfach mal in der präferierten Suchmaschine
folgendes suchen: „Banküberfall Aachener-Bank 2013“, „Lianne Zwanenberg
Banküberfall“, „Überfall Pax-Bank Aachen 2014“ oder ähnliches.
Rückblick und Eröffnung
Am 01.12.2016 um 10:30 Uhr wurde durch den Richter der 6. Prozesstag
gegen unsere verhaftete Genossin eröffnet. Bei den vorherigen
Prozesstagen war immer eine gesamte Einsatzhundertschaft der Aachener
Polizei anwesend, die anscheinend den Auftrag hatte, durchgehend
Sympathisant*innen und vermeintliche Unterstützer_innen zu provozieren
und versuchen einzuschüchtern. Immer wieder wurde vor oder nach den
Verhandlungen willkürlich Personalien kontrolliert oder Plätze im
Zuschauerraum von Cops in voller Riotmontur belegt. Nichtsdestotrotz
kamen zu jedem Verhandlungstag zwischen 15 und 35 Unterstützer*innen.
Der 6. Verhandlungstag markiert auch den vorerst letzten Tag der
Beweisaufnahme. Am Montag dem 05.12 soll das Plädoyer der Staatsanwältin
und der Verteidigung abgehalten werden. Höchstwahrscheinlich wird das
Urteil nicht am selben Verhandlungstag gesprochen, sondern am darauf
folgenden, welcher Donnerstag der 08.12 sein wird.
Gutachten Nr. 2 oder Wie kategorisiert man Menschen?
An diesem Verhandlungstag war als Gutachterin eine Professorin der
anthropologischen Biologie der Universität Freiburg geladen. Die
Gutachterin war von den Ermittlungsbehörden beauftragt worden, die
Bilder der Überwachungskamera auszuwerten und die menschlichen Merkmale
der Person auf dem Video mit denen der Angeklagten zu vergleichen. Von
Anfang an war klar, dass der Bericht der Gutachterin kaum neue
Erkenntnisse bringen würde. Trotzdem wurde das Gutachten lange und
ausführlich erklärt. Im darauf folgenden der Versuch einer kurzen
Zusammenfassung.
Zuerst wurde öffentlich das Video der Überwachungskamera aus den Innenräumen der Bank gezeigt. Dieses war jedoch von sehr schlechter Qualität und hatte eine Aufnahme von einem Bild die Sekunde, woraufhin man die Aufzeichnungen kaum als Film bezeichnen kann.
Das Gutachten bestand aus 2 Teilen. Zum Einen eine Analyse und einen
Vergleich der Gesichtsmerkmale und zum Zweiten eine Analyse und der
Vergleich der Körpergrößen.
Von den Gesichtsmerkmalen (es gibt laut der Gutachterin ca. 200, die
ausgewertet werden können) waren nur 10 wirklich auswertbar und
vergleichbar. Jedes Merkmal im Gesicht bekam von ihr eine
Klassifizierung. Es gibt dabei i1 = allgemeine Merkmale, i2 = seltene
Merkmale und i3 = einzigartige Merkmale. Für die Einschätzung des
Gerichtes, ob die Angeklagte die Person aus den Überwachungsaufnahmen
ist, sind solche Gutachten sehr wichtig und sie verlassen sich im hohen
Maße darauf.
Die 20 Merkmale die von der Gutachterin ausgewertet wurden, stimmten
alle auch mit den Merkmalen der Angeklagten überein. Jedoch gilt es zu
bedenken, dass die Merkmale der Klassifizierung i1 gehören, sodass sie
auf eine sehr hohe Zahl an weißen Menschen in Westeuropa zutrifft. So
war das Urteil der Gutachterin, dass die Angeklagte möglicherweise die
Person auf dem Video sein könnte. Dies jedoch bedeutet, es könnte auch
ziemlich jede andere Person sein.
Im zweiten Teil wurde das Verhältnis der Körpergröße der Person zu denen
der Bankangestellten in dem Video analysiert. Dieses Verhältnis wurde
nun verglichen mit dem Verhältnis der Körpergröße der Angeklagten zu
denen der Bankangestellten. Hier räumte die Gutachterin auf Nachfragen
des Richters ein, dass es ein relativ großes Fehlerpotential gäbe, auf
Grund der schlechten Qualität der Aufnahmen, der Kopfbedeckung und des
nicht erkennbaren Schuhwerks der Person in den Aufnahmen. Die
Gutachterin kam auch hier abermals zum Schluss, dass es möglich sei,
dass die Person in dem Video die Anklagte ist. Jedoch träfe auch hier
wieder die Körpergröße auf so viele Menschen in Westeuropa zu, dass es
auch fast jede andere weibliche Person sein könnte.
Insgesamt so das abschließende Urteil der Gutachterin, wäre es möglich, dass die Angeklagte die Person in dem Video sei.
Es ist jedoch weiterhin für uns nicht von Belang, ob Gutachter_innen oder andere Zeug_innen, unsere Genossin, Freundin und Gefährtin belasten oder entlasten. Wir stehen weiterhin hinter ihr und versuchen zu jedem Prozesstag zahlreich zu erscheinen und uns solidarisch zu zeigen. Ebenfalls lassen wir uns von super freundlichen bis sich schon fast einschleimenden Richtern wie Dr. Quarach nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Gericht in einem von der Politik gewollten Prozess, eine Anarchistin und damit einen politisch unbequemen Menschen, zu einer möglichst langen Knaststrafe verurteilen soll.
Auswertung jeglicher elektronische Spuren
Nach einer Mittagspause von mehr als einer Stunde begann der zweite Teil
des Prozesses. Dieser zog sich gefühlt noch länger hin als der erste
Teil. Hier wurden die gesamten Finanzen seit 2013 unserer Genossin
erörtert und besprochen. Wann sie wo wie viel Geld abgehoben hat, an wen
sie wie viel Geld überwiesen hat und wer ihr wie viel Geld überwiesen
hat. So wurden alle Menschen, die irgendwie mal finanziellen Kontakt mit
ihr hatten von den unterschiedlichen nationalen Behörden überprüft. Die
gesamten Daten wurden beim LKA Nordrhein – Westfalen gesammelt. Das LKA
leitet auch die Ermittlung einer anderen Bankenenteignung in Aachen.
Hierfür werden zwei Anarchisten aus Spanien beschuldigt und sitzen dafür
momentan im Knast. Nähere Infos dazu hier www.abc-wien.net/?p=3384.
Das LKA will dadurch ein kriminelles Netzwerk oder eine kriminelle Vereinigung herbeifantasieren, um an möglichst viele Daten zu kommen und im schlimmsten Fall weitere Anarchist*innen zu verhaften. Die einzige nennenswerte Spur, die die Cops bei der Angeklagten finden konnten, waren zwei Transaktionen auf das Konto von ihr über eine höhere Geldsumme. Dies sei laut dem LKA ein Hinweis darauf, dass sie Geld aus dem Überfall überwiesen bekommen hat. Weiterhin behauptet das LKA in der Akte, durch die Kontoaktivitäten nachweisen zu können, dass sich unsere Gefährtin zum Tatzeitpunkt nicht in Amsterdam befunden haben kann.
Da dieser Teil der Beweisaufnahme auch keine neuen oder nennenswerten Hinweise zur Ent- oder Belastung lieferte und keine weiteren Anträge eingebracht wurden, entschloss sich der Richter dazu die Beweisaufnahme zu schließen und kündigte die Plädoyers für Montag den 05.12 an.
Es sind nicht alle da, es fehlen die Gefangenen
Das Verlassen des Gerichtssaal wurde noch mal genutzt unserer Genossin,
viel Kraft zu wünschen, zu zuwinken, Luftküssen zu werfen und
Solidarität zu bekunden. Dies sind die Momente, wo wir überglücklich
sind unsere Gefährtin noch mal lächeln zu sehen und zu hoffen, dass ihr
unsere Anwesenheit ein bisschen Kraft gibt, hinter den Knastmauern. Nach
jedem Prozesstag wird einem bewusst, welches Glück es ist, die die man
liebt sehen zu können und gleichzeitig steigt der Hass denen gegenüber
auf, die gegen die Freiheit sind und uns nicht nur weiter unterdrücken,
sondern auch hinter dicken Knastmauern vergraben wollen.
Für uns war es erschreckend zu sehen, mit welcher Hingabe und Präzision Menschen kategorisiert und eingeordnet werden, um sie vergleichbar und analysierbar zu machen. Nur die schlechte Kameraqualität und die Verkleidung der Person auf den Kameraaufnahmen, verhinderte eine weitere Identifizierung. Die permanente Überwachung durch Kameras im öffentlichen Raum, das Normieren von Verhalten in „normal“ und „abnormal“, die immer weitere Erfassung unser Bewegungsmuster durch Smartphones, Bankkarten und Laptops, werden einzig und allein dafür genutzt, die herrschende Ordnung aufrecht zu erhalten und Menschen, die dagegen verstoßen zu sanktionieren. Es wurden einem wiedermal vor Augen geführt, wie gut vernetzt mittlerweile Repressionsorgane europaweit zusammenarbeiten. Beim Durchgehen des Gerichts Hunderter Seiten LKA Ermittlungsakten wird mensch abermals bewusst, welche Möglichkeiten LKA, BKA und Staatsschutz haben. Jeder Kontakt, jede Handlung, jede Aktion, in der ein elektronisches Gerät genutzt wird, lässt sich theoretisch von Repressionsbehörden zurückverfolgen und auswerten. Dieser Tatsache müssen wir uns weiterhin immer bewusst sein.
7ter Prozesstag – Die Plädoyers
Der 7. und vorletzte Prozesstag war wieder sehr gut besucht, ca. 30-35
solidarische Menschen waren anwesend. Die Justizbeamt*innen zeigten sich
abermals von ihrer besten Seite und nahmen den Aktivist_inen
willkürlich Stifte und Schreibblöcke weg. Zu Beginn des Prozesses
eröffnete der vorsitzende Richter die Beweisaufnahme noch einmal. Es
wurden die Stellungnahmen und die zugehörigen Anlagen, welche die
Anwälte vorgelegt haben, durchgegangen. Der Richter verlas noch mal alle
schriftlichen Aussagen von Zeug*innen, welche die Angeklagte entlasten.
Die Zeug_innen bestätigen alle sehr detailliert, dass die Angeklagte
zum Tatzeitpunkt (7. & 8. Juli 2013) mit ihnen in Amsterdam
unterwegs war. Zu diesen schriftlich verfassten Stellungnahmen, gab es
keine weitere Diskussion oder Fragen. Anschließend folgte das Plädoyer
der Staatsanwältin.
Diese räumte zuerst ein, dass es sich um ein sehr kompliziertes, komplexes und schwieriges Verfahren handelt. Jedoch sei nach der Beweisaufnahme klar, dass die Angeklagte die Täterin sei. Zu einem sei laut ihr es nicht zu erklären, wie sonst an den beiden Waffen, welche in der Bank gefunden wurden, die DNA der Angeklagten gefunden worden sei. Alle Möglichkeiten zum Beispiel, dass die DNA vor der Tat an die Waffen kam, dass die Waffen gar nicht zur Tat benutzt wurden, seien reine (unrealistische) Spekulationen.
Ebenfalls sei durch die Gutachterin bestätigt worden, dass alle
Merkmale, die auf den Überwachungsvideos zu erkennen seien, mit den
Merkmalen der Angeklagten übereinstimmen.
Die Aussage der Bankangestellten, versuchte die Staatsanwältin
zusätzlich für sich und für die Anklage zu deuten. Die Zeuginnen sagten
widersprüchlich zum Akzent der Täterin aus. Die eine behauptet, sie
hätte akzentfrei Deutsch gesprochen, die andere meinte sie hätte einen
leichten osteuropäischen Akzent raus gehört. Laut Aussagen von
Justizbeamt*innen, habe die Angeklagte beim Sprechen einen starken
niederländischen Akzent gehabt. Hier argumentierte die Staatsanwältin
nun, unsere Kameradin hätte so ein Sprachtalent, dass sie den
niederländischen Akzent vortäuschen und eigentlich perfekt Deutsch
sprechen könne. Dies sei auch an den schriftlichen Anträgen zu sehen,
die in „grammatikalisch einwandfreien und akzentfreiem Deutsch“ verfasst
worden wären. Zu guter Letzt führte die Staatsanwältin noch die
politische Gesinnung unserer Freundin als Argument an. Unsere Freundin
machte aus ihren anarchistischen Ansichten auch in der Untersuchungshaft
kein Geheimnis. Da sie sich nicht von Bankenenteignungen distanziere,
sondern diese angeblich befürworte, sei dies ein weiteres Indiz für ihre
Schuld. Das Argument stützt sich auf einen Artikel aus der Zeitschrift
„Avalanche“, in welchem Bankenenteignungen begrüßt werden. Die
Staatsanwältin schreibt diesen anonym veröffentlichten Artikel unserer
Genossin zu.
Im Anschluss plädierte sie auf schuldig und forderte 6 Jahre und 5 Monate Haft.
In einer kurzen Pause, wurde die Staatsanwältin auf dem Flur von einer Kollegin zu diesen tollen Prozess beglückwünscht und dafür bewundert, dass sie 6 Jahre und 5 Monate Haft gefordert hat. Zusätzlich beschwerte sie sich darüber, dass ihr Fall so langweilig sei, es zwar ein Geständnis gebe, sie aber so nur 3 Jahre fordern könne. Diese Szene lassen wir in ihrer Widerwärtigkeit unkommentiert.
Nach dieser Pause folge das Plädoyer der Verteidigung. Ein Hauptthema war die Vertuschung der Ermittlungsbehörden, sowie die Versuche die Arbeit der Verteidigung zu behindern. Zu einem wurden die Waffen, welche als Tatwaffen deklariert wurden 10 Tage nach dem Überfall von einem Praktikanten in einem nicht verschlossenen Schrank im Flur der Bank gefunden. Des weiteren wurde viele Ermittlungsakten der Verteidigung erst verspätet oder gar nicht übergeben, Cops im Zeugenstand verweigerten die Aussage, mit der Begründung sie würden ermittlungstaktische Details und polizeiliche Vorgehensweise preisgeben. Generell gäbe es keine Auskunft darüber, wie und was das LKA 2 Jahre lang ermittelt und observiert habe. Es wurden bei der Befragung im Zeugenstand nur die Ermittlungsergebnisse mitgeteilt. Dies zeige, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht an einem fairen Prozess interessiert seien (wen wundert dies schon), sondern einzig und allein Beweise gegen unsere Genossin gesammelt und präsentiert haben. Es sei nicht darum gegangen die „Täter_innen“ zu finden, sondern die Angeklagte auf jeden Fall als Schuldige zu verurteilen. Des weiteren führte die Verteidigung aus, seien die angeblich so eindeutigen Indizien kaum aussagekräftig.
Es sei absolut nicht ersichtlich, wie und woher die DNA-Spuren
an den Waffen kommen, da die Täterin Handschuhe trug. Die Angeklagte
hätte zum Bespiele zu eine früheren Zeitpunkt die Waffen berührt haben
können, sie hätte die Handschuhe berühren können, welche die Täterin
trug oder eine ganz andere Theorie. Die Aussage des Gutachters hätte
verdeutlicht, dass die Spuren in viel zu geringem Maßen vorhanden und
auswertbar seien, um zu sagen, wie sie an die Waffen gekommen und wie
lange sie sich schon an den Waffen befinden. Die Behauptung der
Staatsanwältin , die Angeklagte müsse die Täterin sein und alles andere
seien Spekulationen, weil dies die angeblich wahrscheinlichste Theorie
ist, ist selber eine Spekulation.
Des weiteren interpretierte die Verteidigung das anthropologische
Gutachten (Vergleich der Merkmale zwischen Täterin im Video und der
Angeklagten) für sich. Die Merkmale, bei denen es eine Übereinstimmung
gäbe, seien so allgemein, dass fast jede der anwesenden weiblichen
Frauen die Person aus dem Überwachungsvideo sein könne, eingeschlossen
die Staatsanwältin und die Verteidigerin. Ebenfalls hätten die
Bankangestellten in ihrer Aussage als Zeuginnen die Angeklagte
entlastet. Des weiteren zeigte sich die Verteidigung überzeugt, dass
jeder_r in der Grenzstadt Aachen einen niederländischen
Akzent erkennen würde und kaum mit einem osteuropäischen verwechseln
würde. Ebenfalls verwundere es die Verteidigun, wie die Staatsanwältin
auf die Idee kommen würden, mensch könne an dem Schriftbild und an den
aAnträgen erkennen, dass die Angeklagte eigentlich akzentfrei Deutsch
sprechen könnte.
Zum Ende des Plädoyers verurteilte die Verteidigung den Versuch der
Staatsanwältin, unsere Genossin in Sippenhaft zu nehmen. Selbst wenn es
Menschen im anarchistischen Spektrum gäbe, welche Bankenenteignungen
begrüßen, bedeutet es nicht jede_r Anarchist_in, sei bereit eine Bank zu
enteignen/überfallen.
Auf Grund den Mangeln an Beweisen plädierte die Verteidigung auf Unschuldig und forderte einen Freispruch.
Das Urteil
Am Donnerstag den 08. Dezember wurde um 11:30Uhr das Urteil von dem
vorsitzenden Richter Dr. Quarach gesprochen. Das Urteil lautet
Freispruch in allen Anklagepunkten, Aufhebung des Haftbefehls und
Entschädigung für die Dauer der Untersuchungshaft.
Die ca. 45 anwesenden Unterstützer_innen jubelten lautstark, klatschten
und lagen sich in den Armen. Es war eine unfassbare Freude unter den
Anwesenden, als allen klar wurde, dass in den nächsten Minuten, die
Genossin in Freiheit begrüßt werden kann. Der Richter folgte in der
Urteilsbegründung der Argumentation der Verteidigung, teilweise wurde
diese im Wortlaut übernommen. Immer wieder wurde die Ausführung der
Vorsitzenden durch Klatschen und Jubeln unterbrochen. Zwischen durch
verließen Mitarbeiter des LKAs und des Staatsschutzes (die während allen
Verhandlungstagen anwesend waren) genervt den Saal. Nach einer
Viertelstunde wurde die Verhandlung abgeschlossen und wir konnten mit
unserer Freundin den Saal in Freiheit verlassen. Zu Erwähnen ist noch,
dass die Staatsanwältin Revision beantragt hat und der Urteil vom
Bundesverfassungsgericht geprüft wird.
Was bleibt?
Erst einmal ist es wunderbar, dass es einen Freispruch gab. In der
ausführlichen Urteilsbegründung des Richters wurden fast alle Indizien
der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Das Einzige was wirklich klar
sei, ist dass die DNA der Angeklagte an der
Waffe gefunden worden sei. Wie, warum weshalb und wie lange diese sich
dort befand, sei reine Spekulation.
Alle anderen Ermittlungsansätze, Befragungen und Gutachten, hätte nicht
zur Erhärtung des Verdachts beigetragen, sogar eher die Angeklagte
entlastet. Mit diesen wenigen Indizien, den Ermittlungspannen und einem
Schweigen der Angeklagten, welches ihr nicht zum Nachteil ausgelegt
werden darf, bleibe der Kammer keine andere Möglichkeit als der
Freispruch. Das Gericht, so der Vorsitzende weiter, habe die Aufgabe den
Fall aufzuklären. Wenn dies nicht Möglich sei, könne man nicht einfach
eine Person, bei der sich durch Spekulationen eine theoretische
Möglichkeit ergäbe, dass sie die Täterin sei, verurteilen.
Trotzdem spielt es für unsere Solidarität weiterhin keine Rolle, ob Gerichte Taten und Aktionen als „legal“ oder „illegal“ einsortieren. Wir sind unsagbar glücklich, dass wir am Ende einen Freispruch feiern können. Obwohl die Bullen vor Ort keine Gelegenheit ausließen die Menschen einzuschüchtern, erschienen immer zahlreiche Menschen. Ohne hier in Heldenpathos verfallen zu wollen und für jemanden Sprechen zu wollen, bewundern wir die Kraft und die Ausdauer der Genossin, die sich trotz 9 Monaten Untersuchungshaft weigerte, mehr als eine schriftliche Stellungnahme zu ihrer Person anzugeben. Es zeigt, dass in diesem Fall das Motto „Anna und Arthur halten das Maul“ zielführend sein kann. Uns ist jedoch bewusst, dass nicht alle Menschen die von Repression betroffen sind diesen Weg wählen möchten/können/sollten. Wir möchten uns auf keinen Fall das Recht nehmen einen Menschen zu verurteilen oder schlecht zumachen, der_die im Angesicht von drohender Repression, wie Geldstrafen, Untersuchungshaft, Bewährung oder gar jahrelang Haft, einen anderen Weg geht. Wir möchten hier auf den interessanten Text der „Solidaritätsgruppe Aaron und Balu“ verweisen. Ebenfalls möchte wir solidarische Grüße an die „Soligruppe Breitestraße“ schicken. Ihre Arbeit und umfangreiche Berichterstattung hat uns an Scheißtagen ermutigt weiter zumachen. Es ist uns ebenfalls wichtig zu betonen, dass so ein Prozess für alle unglaublich belastend und mit viel Anstrengungen verbunden ist.
In den nächsten Prozessen, welche im für Januar – März terminiert sind,
wird den Angeklagten ein Banküberfall auf die Pax-Bank Aachen im Jahr
2014 vorgeworfen. Es wird versucht laufend über Neuigkeiten und den
Verlauf der Verfahren zu berichten, um Möglichst viele Menschen zu
erreichen und zu informieren. Wir freuen uns über jede Art von
Unterstützung. Wir würden uns sehr freuen, wenn die Texte, die bisher
veröffentlicht wurden bzw. der Solidaritätsblog möglichst viel geteilt
und verbreitet wird. Zeigt euch solidarisch durch Briefe, Texte,
Besuchen oder Aktionen.
Sie wollen uns begraben, doch sie haben vergessen, dass wir wie Samen sind.
Freiheit für anarchistische Gefangene!
Danke
für den Text. Könnt ihr sagen, wie die "Professorin der anthropologischen Biologie der Universität Freiburg" heißt? Ursula Wittwer-Backofen?
Selbst gefunden
Es war Wittwer-Backofen, steht hier: http://www.aachener-zeitung.de/lokales/region/lianne-zwanenberg-die-freu...