Am Donnerstag, den 14. Juli 2016, musste sich der Hamburger Polizist Sven Schrader (*16.11.1974 in Hamburg) aus der lauenburgischen Gemeinde Kuddewörde vor dem Amtsgericht Schwarzenbek wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Bei einer vorausgegangenen Hausdurchsuchung fanden Zollbeamte neben mehreren hundert Waffen und Waffenteilen auch diverse Nazi-Devotionalien. Unter den gefundenen Waffen befanden sich eine Repetierflinte „Maverick by Mossberg M88“, ein Schlagring, ein Wurfstern, ein Butterfly-Messer, zwei Nunchakus, sowie weitere Schusswaffen und insgesamt 276 Patronen, darunter Munition für ein Sturmgewehr und Nato-Munition.
Das Aufsehen der Behörden erregte Schrader durch die Bestellung einer
Laserzielvorrichtung über das Internet. Diese unterliegt in Deutschland
einem Verbot. In einem Ermittlungsverfahren konnte die Identität des
Käufers nicht zweifelsfrei geklärt werden, weshalb sein Haus durchsucht
wurde. Vor Gericht räumte Schrader den Kauf der Zielvorrichtung sowie
den Besitz der Waffen ein. Das Laserzielvisier sei ein Geschenk für den
Sohn eines Freundes gewesen, die Waffen hätten seiner Mutter gehört.
Obwohl Schrader und seine Mutter ein distanziertes Verhältnis hatten, bat sie ihn seiner Aussage nach kurz
vor ihrem Tod ein paar Dinge aus ihrem Haus abzuholen, um ihr Ansehen zu
wahren. Zu den Dingen zählten Propaganda der verbotenen rechten
«Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei» (FAP) sowie diverse
Schusswaffen.
Schraders Mutter sei in den 80er Jahren Mitglied
der FAP gewesen, er selbst habe sich an der extrem rechten Einstellung
gestört und später den Kontakt abgebrochen. Messer, Wurfsterne und
Nunchakus seien seit seiner Jugendzeit in Schraders Besitz, er habe sie
lediglich vergessen. Durch weitere private Schicksalsschläge habe
Schrader es verpasst, die Schusswaffen bei den Behörden abzugeben, sie
deswegen im Schrank verschlossen und vergessen. Die beiden Zollbeamten,
die während der Hausdurchsuchung anwesend waren, widersprachen dieser
Darstellung leicht. So sei die Abseite, wo die Waffen lagerten, sehr
ordentlich und aufgeräumt gewesen. Messer und Wurfsterne hingen in
selbstgebastelten Halterungen.
Die Staatsanwaltschaft forderte
wegen Verstoßes gegen den Besitz von Schusswaffen und Munition sowie der
unerlaubten Einfuhr der Laserzielvorrichtung eine Haftstrafe von 16
Monaten ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung sowie eine Geldstrafe von
2000€. Die Verteidigung betonte den minderschweren Fall und die
psychische Belastung des Angeklagten aufgrund der erfahrenen
Schicksalsschläge sowie aufgrund der medialen Berichterstattung über
seine Person im Zuge der Ermittlungen.
Der Vorsitzende Richter
verurteilte Schrader zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten ausgesetzt
auf zwei Jahre Bewährung sowie eine Geldstrafe von 2000€ zugunsten der
„Freien Jugendhilfe e.V.“. Die rechtlichen Regelungen hätten ihm als
Polizist bewusst sein müssen, allerdings sei es strafmildernd, dass
Schrader die Waffen nicht gezielt erworben hatte, sondern durch seine
Mutter bekommen und lediglich die Abgabe versäumt hatte. Mit dem
Strafmaß unter 12 Monaten kann Schrader seinen Beruf als Polizeibeamter
weiter ausführen, sollten keine weiteren Disziplinarmaßnahmen folgen.
• Einschätzungen & Kommentar
Es
ist bemerkenswert, mit welcher Vehemenz versucht wird, den
vorliegenden Fall zu entpolitisieren. Zu Recht haben Presseagenturen im
Hinblick auf die bei der Hausdurchsuchung sichergestellten
Nazi-Devotionalien eine Verbindung zur extrem rechten Szene vermutetet [2] [3] [4] [5] [6] [7].
Die zuständigen polizeilichen Behörden versuchten, die rechte politische Dimension der Straftat zu kaschieren. So wurde der
zuständige Oberstaatsanwalt erst durch den Hinweis eines Redakteurs
eines etablierten Presseportals auf das Verfahren aufmerksam gemacht.
Erst durch diesen Hinweis erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Die
Frage stellt sich, ob nicht auch anderweitig versucht worden ist, auf
die Ermittlungen im Fall Schrader Einfluss zu nehmen.
Die
Aussagen Schraders wirken zum Teil einstudiert, seine Geschichte
aalglatt, ohne Kanten und mit viel Herzschmerz vorgetragen. Einige Dinge
sind vom Gericht nicht geklärt worden. So ist es unklar, welche
Nazi-Devotionalien neben Flyern und Aufklebern der FAP gefunden wurden
sind. Das Material hätte eventuell näher bewertet werden müssen, denn
sollte sich auch aktuelleres Material darunter befinden, wäre dies ein
Indiz für Verbindungen zur extremen Rechten vor Ort. Zur Frage, ob die Abseite, hinter
der sich die Waffen befanden, abgeschlossen war, liegen zwei
unterschiedliche Aussagen vor. Diese Unstimmigkeit wurde vom
Gericht nicht aufgeklärt, obwohl der Verschluss der Waffen in der
Urteilsverkündung strafmildernd berücksichtigt worden ist.
Die
Aussage des Zeugen Stefan V., welcher zunächst angab, dass die Anordnung
der Waffen typisch für einen Waffensammler gewesen sei, wurde nach
einer Reaktion des Angeklagten im späteren Verlauf der Vernehmung
revidiert. Diese geänderte Aussage hat einen bitteren Beigeschmack.
Bei
der Recherche zu Sven Schrader weit vor dem Vorhandlungstag war
auffällig, dass Accounts gelöscht oder deren Inhalt entfernt worden war.
Auch auf der Homepage seines Sportvereins sind keine weiteren
personenbezogenen Daten verfügbar. Es bleibt spekulativ, dennoch
vorstellbar, dass systematisch versucht worden ist, Eintragungen zu
seiner Person zu entfernen.
Es bleibt ungeklärt, aber es wäre
natürlich ein Skandal, wenn ein Hamburger Polizist Verbindungen zur
extrem rechten Szene besäße und darüber hinaus Zugang zu einem nicht
unerheblichen Waffenarsenal gehabt hätte. Unklar bleibt auch, wie die
Nato-Munition und Waffen in den Besitz von Schrader und/oder seiner Mutter gelangen
konnte. Mit Blick auf die rechte Gesinnung der verstorbenen Mutter und
ihrer Bitte, die Waffen zu verstecken, sollte die Herkunft der Waffen
geklärt werden, um ausschließen zu können, dass diese für Straftaten der
extremen Rechten verwendet worden sind.
Wir als
Antifaschist_innen wollen nicht über ein „gerechtes“ Strafmaß
diskutieren. Wir sehen es auch nicht als unsere Aufgabe an, juristische
Straftaten aufzuklären. Dennoch sehen wir es als unsere Pflicht, uns in
Prozesse einzumischen; gewisse Ermittlungsschritte können wir
kritisieren. Wir müssen extrem rechte Verbindungen benennen, diese
aufzeigen und entschieden bekämpfen. Unser Anliegen muss es sein, dafür
zu sorgen, dass extrem rechte Strukturen nicht aufkeimen und dessen
Verbindungen zerschlagen werden.
Antifaschistische Koordination Lübeck
Waffenbesitz auf Bewährung ???
Andere wandern wegen Polenböllern (Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion) ohne Bewährung in den Knast.
Also darf ich als Polizist recht unbeschwert scharfe Waffen und Natomunition bunkern ?
Derb ! Absolut derb !
Kein Wunder, dass Neonazis ein eher entspanntes Verhältnis zur Polizei suchen. Waffennarren unter sich. Solange ein Polizist das ganze bunkert, scheint ja alles in Butter. Oder halt weniger kriminell.
Die gewaltaffinen Nazis wären schön blöd, es sich bei solchen "Freunden" zu verprellen. Scharfe Munition gegen ein eisernes Kreuz. Gott, wo sind wir hingeraten !
Unreflektiertes Gelaber
Es ist strafrechtlich nun mal ein erheblicher Unterschied ob man eine Sprengstoffexplosition herbei führt (und nicht nur die Böller besitzt, wie du schreibst ) oder ob ich als Waffenträger oder gar WBK Inhaber Waffen besitze.
So komplett ohne Wissen zum Strafrecht sollte man sich mit dem hysterisches Schreiben von Kommentaren zurück halten.
Dann die Schlussfolgerung FAP Material aus den 80ern und 90ern = Nazi.
Wenn kein aktuelles Material sondern nur 25 Jahre altes gefunden wurde , ist die Schlussfolgerung schon gewagt.
Die Reaktionen hier sollten nicht immer so vorschnell und hysterisch ausfallen.
Das ist in gewisser Weise Relativierung und schadet der Glaubwürdigkeit aller hier.
Gibt es konkretere Infos zu den Nazi Devotionalien
Hey, danke für den Bericht zu diesem am Ende doch wenig medialisierten Fall.
Gibt es konkretere Infos zu den Nazikram, der gefunden wurde? Im Spiegel hieß es im Januar es seinem Hakenkreuzflagge, Reichskriegsflagge sowie anderer mit Hakenkreuzen verzierter Kram gefunden worden. Nun heißt es nur noch FAP Kram? Bei letzterem denkt man eher an Parteipropaganda, aber NS Devotionalien sind ja nochmal eine andere Nummer?
War das überhaupt Thema des Prozesses oder ging es nur um Waffen? Gibt es keine Staatsschutzermittlung?
Heute, 18:00 Hafenstrasse
Kommt heute (22.7.) umd 18:00 zur Balduintreppe in der Hafenstrasse und um 21:00 zu Grohe, gute Nacht sagen!
Gegen rassistische Kontrollen, Solidarität mit den Geflüchteten!
(ausserdem: ein kleines Jointchen in Ehren sollte man nun wirkluch niemand verwehren)