Zwei besetzte Wohnungen, in der Samariterstr. 34a, wurden am Mittwoch den 17ten März zwischen 13 und 15 Uhr geräumt. Halbheimlich und still, genauso wie sie besetzt wurden. Ein Hausmeister, ein Mensch vom Schlüsseldienst, sechs Polizisten und zwei Praktikanten waren im Einsatz. Zitat einer BesetzerIn: "Verdammt! Jetzt werden wir schon von PraktikantInnen geräumt!" Zu Festnahmen oder Personalienfeststellungen kam es nicht. Die Wohnungen waren beim Eintreffen der Polizei bereits verlassen. Der Schlüsseldienst hat neue Schlösser eingebaut und die Polizei Zettel mit dem Hinweis hinterlassen, dass sich die "BewohnerInnen" bei der Dienststelle melden sollen, um ihren privaten Kram zurückzubekommen. Ein Hinweis, dass dies eine Anzeige und Ermittlungen nach sich ziehen würde fehlt jedoch.
Das Haus in der Samariterstr. 34a, gehört zu den wenigen unsanierten Häusern, eines ansonsten durchgentrifizierten Kiezes. Kachelofen statt moderner Zentralheizung und theoretisch bezahlbarer Miete, nur werden die Wohnungen nicht mehr vermietet. Die Hausverwaltung GOAL hat kein Interesse mehr daran zwei- bis dreihundert Euro für den Wohnraum zu kassieren. Sie wollen das Haus in 2011 leer sehen, damit es saniert werden kann. Um die gleichen Wohnungen dann für das doppelte bis dreifache an Besserverdienende, Luxusstudenten und andere Yuppies zu vermieten.
Diese ökonomische Verdrängung funktioniert und ist fast abgeschlossen. Wer im Lidl, in der Rigaerstr. einkaufen geht, kann es nicht übersehen: die Kunden sind jung, schön und gut gekleidet und auch die Mehrheit der verbliebenen Rest-Alternativen sind oft jung, schön und gut gekleidet. Eigentlich unterscheiden sich die einen von den anderen allein durch die "auf der Haut getragenen" politischen Attitüde. Nicht Barrikadenbau und Stadtguerillataktik sind Gesprächsthemen, sondern veganer Brotaufstrich aus dem Biomarkt und die nächste Soliparty. Widerstand sie anders aus und ernst gemeinter Protest auch.
"Miete verweigern. Kündigung ins Klo, Häuser besetzen sowieso!" Das skandieren sie auf Demos und anderen "gesellschaftlichen" Events. Aber die eigene Miete wird gezahlt. Mensch will sich ja nicht aus dem schicken Szene-Kiez vertreiben lassen und an den selbstdefinierten "Freiräumen" festhalten. Aber frei wofür oder wovon? Punks, Penner und Proleten sind dort nicht willkommen. Es gibt unterschiedliche Definitionen von Freiraum. Eine mögliche ist: Raum frei von Polizeizugriff und Repression. Ein Schutzraum vor der Staatsgewalt. Das war die wichtigste Eigenschaft der besetzten Häuser und war und ist Grundvorraussetzung für ein freieres Leben. Daher lehnten in den 80er und 90er Jahren die meisten Berliner Squats Mietverträge konsequent ab, wurden geräumt und existieren nicht mehr. Legalisierung wurde als unsolidarisches Verhalten betrachtet.
Und heute? "Friedlicher Protest, um das Projekt nicht zu gefährden." ist immer wieder zu hören. Das ist nicht radikal. So sehen "Freiräume" nicht aus. Jederzeit können die Bullen hineinstürmen und tun dies auch, während diejenigen die sich wehren könnten, gerade mit Plenieren und Freiraumdefinitionen beschäftigt sind. Die nach außen gerichtete Freiheit von Angst und Verletzung durch das staatliche Gewaltmonopol, wurde geopfert für die nach innen gerichtete Freiheit von allem und jedem was nicht konform ist. Daraus resultieren konformistische Lebensabschnittsgemeinschaften, homogen in Bildung, Aussehen und Alter vereint. Das hierraus nur Diskriminierung und krasser Widerspruch folgen kann, liegt auf der Hand. Das ist eine falsche Freiheit, die es nicht zu verteidigen gilt.
Aber es gibt noch Menschen die keine Miete zahlen, Häuser und Wohnungen besetzen und sich nicht von den dekadenten "Szene"-Strukturen vertreten fühlen. Es gibt noch HausbesetzerInnen in Berlin. Aber seit der Räumung der Brunnen183 keine offiziellen, mietfreien, besetzten Häuser mehr. Nur noch unfreie und unabhängig vom Grad des Kuschelkurses, ständig bedrohte Hausprojekte und eben jene stillen, also inoffiziellen Besetzungen. Nach Schätzungen leben in Berlin über 1000 Menschen in "still" besetzten Wohnungen. Die dahinter liegenden Motivationen sind unterschiedlich. Oft handelt es sich um Menschen die illegalisiert, also "sans papiers" (frz. für: ohne Papiere) in Deutschland leben. Weiterhin Menschen die sich schlicht keine Wohnung leisten könnnen oder keine bekommen würden. Jugendliche die von "zu Hause" ausgerissen sind, Aktivisten für die das eine Protestform ist und andere. In den beiden geräumten Wohnungen der Samariterstr. 34a lebten ebenso unterschiedliche Menschen, die, fast möchte man sagen zufällig, alle eines gemeinsam hatten: sie lebten ehemals in offiziellen, besetzten Häusern und fühlen sich in konformistischen, legalen Hausprojekten meist ungeschützt und unfrei.
aktuelle sache
das problem gibts jetz auch im krawallpuff in essen, aufgrund von sanierung wird demnächst geräumt nach sanierungsarrbeiten soll die bisher geringe kaltmiete von 150€ auf 350€ gesteigert werden rechtlich wird dies sicher eh nicht haltbar sein aber man merkt wo es hin soll