Polizei nach Braunkohle-Protesten in der Lausitz mit Lob überhäuft

Erstveröffentlicht: 
17.05.2016

Ungewohnte Töne in Brandenburg: Nach der Protestaktion von Braunkohle-Gegnern in der Lausitz erhält die Polizei viel Lob für ihre Deeskalationsstrategie. Sie hatte die Aktivisten weitgehend gewähren lassen.

 

Potsdam. Nach ihrem Großeinsatz rund um Proteste der Kohlegegner in der Lausitz wird die Polizei mit Lob überschüttet. „Einerseits sind durch die deeskalierend wirkende Einsatztaktik Situationen wie im vergangenen Jahr im rheinischen Kohlerevier mit Dutzenden verletzten Demonstranten und Polizisten vermieden worden“, sagte Innenstaatssekretärin Katrin Lange am Dienstag in Potsdam. „Andererseits hat die Polizei schnell reagiert, als die zunächst friedlichen Proteste teilweise in gewalttätige Aktionen umschlugen.“

 

Auch der energiepolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Landtag, Thomas Domres, hob hervor, dass die Strategie der Polizeiführung „sehr gut angekommen“ sei: „Sie hat dazu beigetragen, dass es nicht die Bilder gegeben hat, wie wir sie im Rheinland erlebt habe. Dafür möchten wir uns als Fraktion recht herzlich bedanken.“

 

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Wir stellen fest, dass die Deeskalationsstrategie der Polizei auch aufgegangen ist.“ Daran habe auch die Staatsanwaltschaft großen Anteil gehabt. „Brandenburg unterscheidet sich wohltuend von anderen Bundesländern“, sagte Vogel.

 

Vattenfall-Sprecher Thoralf Schirmer hatte bereits am Sonntag die Polizei für den Umgang mit den Protesten gelobt: „Aus unserer Sicht gibt es an der Arbeit der Polizei nichts zu kritisieren.“

 

Unter dem Motto „Ende Gelände“ war am Wochenende das Kraftwerk Schwarze Pumpe in Brandenburg blockiert worden. Umweltaktivisten hatten das Betriebsgelände am Samstag gestürmt. Daraufhin nahm die Polizei rund 130 Menschen vorläufig fest. Die Gleise der Züge für den Kohlenachschub wurden besetzt und der Betrieb für 24 Stunden massiv gestört. Vattenfall hatte daraufhin die Leistung drosseln müssen.

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Die Polizei hat sich bis zur Stürmung des Kraftwerks tatsächlich sehr zurückhaltend verhalten.
In Folge des "unerlaubten Eindringens" kam es allerdings zu einigen Vorfällen, die definitiv NICHT als deeskalierend beschrieben werden können und alles Andere als Lob verdienen.
1. Die Demonstrant*innen zogen sich nach dem Eintreffen der Polizei zu den Eingängen des Kraftwerks zurück und wurden dabei von der Polizei getrieben. Das Treiben erzeugte eine Teilmassenpanik welche dazu führte, dass sich mehrere (teils schwer) bei der Überquerung eines Zaunes verletzten.

2. Erneut arbeiteten Polizei und Sicherheitsdienst (der seine Kompetenzen mehrmals überschritt) sehr eng miteinander zusammen. So setzte der Sicherheitsdienst nach Fixierung eines Demonstranten Pfefferspray gegen diesen ein und Security fuhr rund um das Kraftwerk wurde Patroullie und sperrte Zeitweise Zufahrtsstraßen (unter offensichtlicher Billigung der Polizei).

4. Bei der Verfolgung von fliehenden Demonstrant*innen wurden mind. zwei von einer Wanne angefahren und mind. eine*r verletzt - Zustand unbekannt.

3. Die 80-100 Demonstrat*innen welche von Polizei und Sicherheitsdienst gekesselt wurden, mussten in diesem Kessel bis 03:00 Nachts, bei ~3°C, ohne Versorgung mit Essen & Decken verharren, bis sie teils mit Linienbussen, Streifenwagen und Gefangenentransportern in die Gesa verbracht wurden.
Während des Kessels kam es zu Flaschen-, Klopapier- und Böllerwürfen, sowie Beleidigungen von Teilnehmern der Vattenfall-Kundgebung.

4. In der Gesa waren die Gefangenen miserablen Bedinungen ausgetzt. Sie bekamen zuerst gar keine Verpflegung - später nur Kekse und trockenes Brot. Ein dutzend Gefangener waren zeitweise in einer Ein-Mensch Zelle eingesperrt. Die Kommunikation auf Englisch war Stundenlang nicht möglich. Die Versorgung mit Hygieneartikeln wurde erst nach langwieriger Diskussion gewährleistet.

5. Allgemein ist festzustellen, dass wie von Nazi/AfD-Aufmärschen gewohnt, die Repression gegen Links gerne und mit aller Härte durchgeführt wird, während Repression gegen Rechts höchstens zaghaft praktiziert wird.
So kram es in Folge der Kraftwerksstürmung zu zahlreichen Übergriffen von Rechts: Böller, Zerstochene Reifen, gewaltsame und verbale Übergriffe, ein Abdrängversuch eines Taz-Wagens (um nur einige zu nennen). Die Polizei zeigte bei diesen Straftaten und dem klaren Gewaltpotenzials kaum Motivation zu Deeskalieren, geschweige denn dagegen Vorzugehen.
Schutz musste von Aktivist*innen selbst übernommen werden und die Bedrohung ging ab Samstag sowohl von Faschist*innen, Anwohner*innen und Polizist*innen aus.