[Kolumbien] Kein Grund zum Feiern - 15 Jahre Militärplan „Plan Colombia“

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Derzeit wird in der Medienlandschaft viel über das 15-jährige Bestehen des Plan Colombia berichtet. Der kolumbianische Präsident Santos fuhr daraufhin zu seinem US-amerikanischen Kollegen Obama. Doch zu feiern gibt es nichts, denn nach 15 Jahren Militarisierung ist der Drogenhandel nicht verschwunden, die Zahl der Opfer höher geworden und die Bedrohung durch Paramilitärs und kriminelle Banden aktueller denn je.

 

Pastor Alape, Kommandant der aufständischen Bewegung FARC-EP, machte vor zwei Tagen deutlich, dass es für die FARC-EP keinen Grund zum Feiern gibt. Für die aufständische Bewegung und für viele Kolumbianer stellt der Plan Colombia eine 15 Jahre anhaltende nationale Tragödie dar, in der sich die Zahl der Opfer des bewaffneten Konflikts erhöhte, bis zu 7 Millionen Menschen von Vertreibungen betroffen sind und es eine Vielzahl verschwundener Menschen und sogenannter „falsos positivos“ gibt, also als Guerilleros ausgegebene Tote Menschen. Die Ergebnisse sind traurig und schmerzhaft, so Pastor Alape.

 

In der Öffentlichkeit vorgestellt wurde der Plan Colombia als Krieg gegen die Drogen. Dabei gab es in Wirklichkeit eine öffentliche und nichtöffentliche Komponente. Laut Wissenschaftlern und Analytikern ist dieser Krieg jedoch fehlgeschlagen. Der Anbau von illegalen Pflanzen, worunter im Sprachgebrauch der Drogenanbau gemeint ist, war nicht rückläufig, sondern wuchs. Stattdessen hat der Kampf gegen die Drogenpflanzungen erheblich das Leben von Mensch und Natur beeinflusst. Die unerlaubte Verwendung von Glyphosat beim Besprühen der Pflanzungen hat Pflanzen und Umwelt zerstört und nicht das eigentliche Problem der sozialen Lebensbedingungen auf dem Land thematisiert. Im Gegenteil, die Zahl der Opfer im Konflikt wuchs und die die Bedrohung durch kriminelle Banden hat sich in den letzten Jahren vertieft.

 

Die nichtöffentliche Komponente und das wahre Wesen des Plan Colombia war die Aufstandsbekämpfung. Auch dieses Ziel wurde nicht erreicht, die Guerilla ist politisch anerkannt und das einzige, was erreicht wurde, ist eine schmerzhafte Verschärfung des Konflikts in Kolumbien mit erhöhter staatlicher Repression und Staatsterrorismus. Hierzu gehören zahlreiche getötete Menschen, die der Öffentlichkeit als getötete Guerilleros verkauft wurden (falsos positivos). Ebenso wurde der Druck auf die sozialen Bewegungen erhöht. Auch heute noch hat die Regierung kein Konzept gegen paramilitärische Gruppen. Schlimmer noch, immer wieder werden Verstrickungen von Politik mit Paramilitärs an das Licht gebracht.

 

Präsident Santos hingegen verkündet, der Plan Colombia erweist sich als eine fruchtbare Initiative. Gegenüber Radio Nacional de Colombia sagt er, es war ein sehr nützliches, sehr wirksames Instrument der Hilfe aus den USA für Kolumbien gegen den Drogenhandel, für die Stärkung ihrer Institutionen und seiner Streitkräfte, die Ergebnisse sind sichtbar. Dabei vergisst er die oben erwähnten Fakten und versteift sich auf das Zurückdrängen der Guerilla in periphere Regionen sowie eine Schwächung, die sich in der Teilnahme am aktuellen Friedensprozess ausdrückt. Dass auch die Regierung eine Position der Schwäche innehat und sie die aufständische Bewegung nicht besiegen konnte, erwähnt er hingegen nicht.

 

Fakten, die eindeutig gegen den Plan Colombia sprechen, ist zum Beispiel die Zunahme der Anbaufläche von Koka. Insgesamt wurde nach Angaben des Washingtoner Büros für Lateinamerika (WOLA) versucht, mehr als 1,6 Millionen Hektar von Koka-Plantagen zu vernichten. Ein großes Risiko bestand dabei für Tausende von Menschen, weil dabei wesentlich Glyphosat eingesetzt wurde, das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als krebserregendes Produkt klassifiziert wurde. Obwohl die Anbaufläche zuerst sank, stieg sie laut Aussage der Vereinten Nationen von 48.000 auf 69.000 ha im Jahr 2014 und 2015. Auch der Drogenhandel manifestierte sich und suchte sich andere Möglichkeiten im Kontext von Anbau, Produktion und Transport.

 

Ebenso im Widerspruch des Erfolges stehen die Zahlen der Opfer. So gab es einen bedeutenden Anstieg der Opferzahlen in den ersten acht Jahren des Plan Colombia. Laut Unidad de Víctimas wurden alleine im Jahr 2008 mehr als 800.000 Menschen Opfer des Konfliktes. Von den landesweit 7,8 Millionen registrierten Opfern gaben 75% an, dass sie in den Jahren des Plan Colombia Opfer des bewaffneten und sozialen Konfliktes wurden. Grundlegendes Problem war zum Beispiel die Vertreibung der Menschen aus ihren angestammten Regionen.

 

Generell war die Zivilbevölkerung der leidtragende Faktor im Konflikt. Die Militarisierung des Landes und der Kampf gegen die Guerilla führte dazu, dass soziale und politische Bewegungen, die in Opposition zur Regierung standen, auf das schärfste bekämpft wurden. Die Regierung drangsalierte Verteidiger der Menschenrechte und Militärs und Polizei schikanierten die Zivilbevölkerung. Besonders auf dem Land schränkten sie die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung derart ein, dass nicht nur ständige Kontrollen von Transporten und Wohnungen stattfanden, sondern auch Veranstaltungen überwacht und das öffentliche Leben eingeschränkt wurden.

 

Das Problem des Paramilitarismus konnte nicht gelöst werden. Obwohl es eine angebliche Demobilisierung von Paramilitärs unter der Ägide des ultra-rechten Präsidenten Uribe in den Jahren 2003 bis 2006 gab, ist die Bedrohung durch paramilitärische Gruppen auch heute nicht weniger geworden. Diese sind jedoch maßgeblich für den Drogenhandel, Menschenrechtsverletzungen und Bedrohungen gegen oppositionelle Personen und Gruppen verantwortlich. Hinzu kommt das Geschäft mit der Militarisierung, von dem nur Firmen und Institutionen profitieren, die im Sicherheitsdienst und im Armeesektor arbeiten. Mittlerweile werden Knowhow und kolumbianische Soldaten oder Sicherheitskräfte in andere Länder exportiert und der Handel von Waffentechnik floriert in Kolumbien.

 

Bleibt also die Frage, wem der Plan Colombia eigentlich genutzt hat? Wenn Präsident Santos als Vertreter der kolumbianischen Oligarchie sagt, dieser sei fruchtbar gewesen, dann kann er sich nur auf die Interessen der Industrie und Wirtschaft beziehen. Die Zivilbevölkerung, die aufständische Bewegung, sowie andere politische und soziale Bewegungen kann er jedenfalls nicht damit gemeint haben.

 

https://kolumbieninfo.noblogs.org/

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Eine Sache hättet ihr durchaus noch ergänzen können, die Zunahme der privaten Sicherheitsunternehmen und das ganze Geschäft mit Sicherheit und Waffen. Steht bei euch am Ende nur kurz in einem Absatz. So ist eine richtige Sicherheitsindustrie entstanden, die natürlich ohne Ende vom Krieg profitiert.

Sonst finde ich es Spitze, dass ihr regelmäßig über Kolumbien und den Konflikt - und aus einer anderen Perspektive - berichtet.

gruesse aus dem baskenland an die revolutionaeren kraefte in kolumbien!