Demobericht eines Genossen der GG/BO-Soligruppe Jena zu den diesjährigen Silvesterdemos zum Knast in Berlin
Am 31. Dezember 2015 nahmen einige Genoss_innen von unserer Jenaer GG/BO-Soligruppe, an den beiden Silvesterdemos zum Knast in Berlin teil.
Die erste Demo startete 15:30 in der Frankfurter Allee und führte zur JVA für Frauen Lichtenberg, wo die türkische Kommunistin Gülaferit Ünsal einsitzt. Sie war 2011 von Griechenland an die BRD ausgeliefert und 2013 wegen angeblicher Mitgliedschaft in der türkischen bewaffneten marxistisch-leninistischen Organisation DHKP-C auf Grundlage des Anti-Terror-Paragraphen 129b zu 6,5 Jahren Haft verurteilt worden. Während ihrer Zeit in den Frauen-Knästen Pankow und Lichtenberg hat sie einen 54-tägigen Hungerstreik und einen einwöchigen Warnhungerstreik gegen rassistische Schikanen durch Mithäftlinge und Schließer_innen und die Nicht-Aushändigung von Post und Büchern durch die Behörden durchgeführt. Vorm Knast wurde auf ihren Wunsch hin ein Lied von Grup Yorum gespielt. Die Stimmung auf der Demo war gut, Slogans wurden gerufen (auf Deutsch, Englisch, Türkisch), es gab einige anarchistische Fahnen und es nahmem ca. 300 Menschen teil. Vom Lauti aus wurden der Aufruf zu Demo, Grußwörter der Gefangenen Gülaferit Ünsal (Berlin-Lichtenberg) und Thomas Meyer-Falk (Sicherheitsverwahrung in Freiburg), ein Text des ägyptischen Gefangenen Ahmed Said sowie Redebeiträge der Mumia-Soligruppe, der Ahmed-Said-Soligruppe, der GG/BO, einer kurdischen Frauengruppe und einer Flüchtlingsgruppe verlesen.
Die zweite Demo sammelte sich ab 21:30 vor der JVA Moabit. Die Bullen waren mega stressig, filzten alle möglichen Leute und versuchten, die Demo so einzuschüchtern. Durch Slogans, Winken und Feuerzeuge konnten wir trotz der Entfernung, hohen Knastmauern und des Stacheldrahts mit den Gefangenen hinter den Gitterstäben ihrer Zellenfenster Kontakt aufnehmen. Zur zweiten Demo waren weit weniger Leute gekommen als zu Mittagsdemo, maximal 150. Als wir dann losliefen, ging es recht schnell Richtung JVA für Frauen Reinickendorf. Auf dem Weg wurden Slogans auf verschiedenen Sprachen gerufen (Deutsch, Englisch, Griechisch) und die Redebeiträge und Grußworte von der Mittagsdemo wiederholt. Den Jahreswechsel erlebten wir gemeinsam mit unseren Genoss_innen und den Frauen der JVA Reinickendorf. Da es sich um einen offenen Frauenvollzug handelt, konnten wir einfach mit ihnen kommunizieren. Einige Frauen erschienen am Fenster und winkten uns zu. Anschließend ging die Demo weiter, an einem Lager für Migrant_inen vorbei, zur U-Bahn-Station.
Auf beiden Demos wurde die Demospitze von einem FLTI*-Block (Frauen, Lesben, Trans, Inter) gestellt. Ich finde das gut, da meiner Erfahrung nach auf vielen anderen Demos der Frontblock de facto ein unangekündigter Männerblock ist. Wir von der Soligruppe für die GG/BO haben mit mäßigem Erfolg versucht, neue klassenkämpferische Slogans in Solidarität mit der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation einzuführen. Die GG/BO war neben dem Grußwort mit einem Transpi am Start. Vielleicht könnte man das nächste Mal einen Flyer parat haben, um ihn Passant_innen in die Hand zu drücken und in Briefkästen von Häusern auf der Demoroute zu stecken.
Nicht nur in Berlin, auch vor den Knästen in Freiburg, Ossendorf bei Köln, Holstenglacis bei Hamburg, Bremen, Dortmund, Würzburg, Stammheim bei Stuttgart, Butzbach bei Frankfurt (wo vom 1. bis 11. Dezember ein von der GG/BO unterstützter Hunger- und Bummelstreik stattfand), in London, vor den griechischen Knästen Korydallos bei Athen und Larissa, vor dem Lager für Migrant_innen Elliniko bei Athen, vor dem Lager in Calais und anderswo haben Anarchist_innen und Linksradikale in Solidarität mit den Gefangenen und internierten Migrant_innen demonstriert.
Wir halten die Silvesterdemos zum Knast für eine großartige Idee. Anstatt sinnlos rumzuböllern, können wir den Gefangenen unsere Solidarität zeigen, die Mauern, die der Staat zwischen uns hochzieht, überwinden und so die Isolation der Gefangenen zumindest an diesem Tag aufbrechen. Ich fände es überlegenswert, nächstes Jahr nicht nur in Berlin, sondern auch in einer anderen ostdeutschen Stadt wie Dresden oder Leipzig eine Demo zum oder Kundgebung vorm Knast durchzuführen. Voraussetzung dafür wäre aber, vorher einen Kontakt zu Gefangenen in der entsprechenden JVA aufgebaut und gepflegt zu haben. Womit wir beim Wichtigsten wären. Die Demos zum Knast sind eine nette Sache, aber bringen nur was, wenn sie in Bezug zu einer gefangenensolidarischen Alltagspraxis und zum Aufbauprozess der Gefangenengewerkschaft stehen. Insofern gilt es, bis zum nächsten Silvester, die Gefangenenbewegung zu stärken und die Unterstützungsstrukturen außerhalb der Knastmauern auszubauen.
K. von der GG/BO-Soligruppe Jena
Zuerst auf unserem Blog veröffentlicht: http://gefangenensolijena.noblogs.org/post/2016/01/09/demobericht-zu-den...
!
der startpunkt der abenddemo war ne katastophe, wollte kurzfristig hin und sehe das da nich mal ne u-bahn in der nähe is, außerdem gabs keinen routenplan um später dazu zu stoßen, nächstes jahr gerne wieder, sehr gerne sogar, aber bitte an u-bahn anfangen! -> Berlin
Krass!
Andere hocken im Knast und würden gerne kommen - du bist zu faul deinen Arsch zu bewegen.
faktisch falsch
Der Startpunkt der Demo war vor der JVA Moabit, ca. 800 Meter vom U-bahnhof Turmstr (U9).
Was bitte ist daran "eine katastrophe", wenn eine Demo in Solidarität mit Gefangenen vor einem Knast anfängt?
Zumal es einfacher ist, auf offenem Straßenland als an einem U-Bahnausgang mit Vorkontrollen umzugehen.
Kritik an Demoziel: offener Vollzug
Im offenen Vollzug sitzen in der Regel nicht die kämpfenden Gefangenen. Außerdem waren einige Insassinnen auf Urlaub und gar nicht in ihrer Unterkunft. Die Demo war zu lang und wir mussten rennen, um pünktlich zu sein.
Nächstes Jahr bitte wieder zum Knast Moabit statt zu Freigängerhäusern, wo die willigen Knackis ohnehin bald wieder draußen sind. Danke.
heul doch
Schau mal, wenn du wo pünktlich ankommen willst, mußt du auch früh genug weggehen. Demoslogan war unter Anderem FREIHEIT FÜR ALLE GEFANGENE!
Das bedeutet, dass Solidarität nicht nur den kämpfende Gefangene gilt, sondern auch allen anderen die davon betroffen sind. Es ging gegen das System Gefängnis. Auch die Behauptung, dass Gefangene in den Freigängerhäusern willig sind ist einfach nur zynisch und stellt in keiner Weise die Lebensrealität von Langzeitgefangenen in Kontext. Vielleicht setzt du dich mit deiner Haltung und deinen Ideen bis zum nächsten Jahr einfach noch ein wenig auseinander, denn offensichtlich hat der kurze Weg nur nach Moabit Dir noch nicht soviel Weitsicht verschafft. Ach ja, ne öffentliche Vorab demoroute wäre echt nicht schlecht gewesen.