Gemeinsam mit dem Kurdischen Gesellschaftszentrum Heilbronn e.V. haben wir die Kampagne „Die Karten neu mischen…Frieden statt Krieg – Freiheit statt Repression – Weg mit dem PKK-Verbot!“ organisiert. Ziel war es zum einen, die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen der kurdischen Bewegung und uns als radikaler Linken zu festigen und eine gemeinsame Praxis zu entwickeln. Zum anderen war es uns wichtig, den Bogen von Kurdistan nach Deutschland zu spannen und die Repression gegen die kurdische Bevölkerung in Heilbronn, die deutschen Waffen- und Rüstungsexporte und die Zuspitzung der Auseinandersetzungen in den kurdischen Gebieten zu thematisieren.
Kriegsprofiteure vor der eigenen Haustüre
Den Auftakt der Kampagne machte die Kundgebung vor der Firma AIM
Infrarotmodule GmbH mit Sitz in der Theresienstraße 2 in Heilbronn. AIM
stellt Wärmebildgeräte für See-, Luft- und Landfahrzeuge her, welche
u.a. in Panzern des Mutterkonzerns Rheinmetall verbaut werden. Dessen
Kampfpanzer „Leopard“ wird aktuell von der türkischen Armee zum Kampf
gegen die fortschrittlichen Kräfte in der Türkei eingesetzt. Der
Zusammenhang zwischen der Waffen- und Rüstungsindustrie hier und der
Unterdrückung der Kurd*innen im Nahen Osten zeigt sich daran
beispielhaft. Dieser antimilitaristische Ausdruck der Kampagne war uns
besonders wichtig, denn die Frage „Krieg vs.Frieden“ stellt sich auch in
Deutschland unmittelbar. Mit knapp 70 Menschen war die Kundgebung vor
der etwas außerhalb der Innenstadt liegenden Firma gut besucht. In einer
Schweigeminute zu Beginn der Kundgebung wurde den Toten gedacht, die
unter anderem in den kurdischen Gebieten seit Jahrzehnten deutschen
Waffen zum Opfer fallen. In den Redebeiträgen des Arbeitskreis
Internationale Solidarität Heilbronn (AKISHN), des Kurdischen
Gesellschaftszentrums Heilbronn und der Organisierten Linken Heilbronn
(IL) wurde neben den Waffenexporten auch der Kriegseinsatz der
Bundeswehr in Syrien scharf kritisiert. Seit Jahren kämpfen PKK und
YPG/YPJ in Syrien vehement gegen den IS, doch die Unterstützung für
die Kämpferinnen und Kämpfer wird durch das PKK-Verbot in Deutschland
fast unmöglich gemacht. Zudem wird der NATO-Partner Türkei hofiert und
dessen Unterstützung für den IS komplett ignoriert. Die Kundgebung vor
der Firma AIM Infrarotmodule war ein gelungener, wenn auch ausbaufähiger
Auftakt der Kampagne. Durch unsere antimilitaristische Arbeit im Rahmen
der Kampagne wurden wir auch von der Friedensbewegung wahrgenommen.
Repression und kein Ende in Sicht
Die zweite Veranstaltung der Kampagne hatte als Schwerpunkt das Thema
Repression gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland und speziell im
Raum Heilbronn. Durch die Diskussionsrunde mit Monika Morres vom
Rechtshilfefond AZADÎ e.V. sollte nicht nur die aktuelle Lage und die
Repression der letzten Jahre beleuchtet werden, sondern auch deren
Ursprünge und politische Bedeutung für die Praxis der
Repressionsbehörden. Ausgehend von der Repression gegen Kurdinnen und
Kurden in Deutschland in den 80er Jahren, dem Verbot der PKK 1993 und
den seitdem stattgefundenen Entwicklungen, ging es immer wieder um die
Frage, wie wir gemeinsam die aktuelle Situation in Deutschland nutzen
können und Repressionsschlägen, wie sie auch in Heilbronn bereits
häufiger vorkamen, entgegentreten. Dabei wurde schnell klar, dass eine
Ende des PKK-Verbots nicht in Sicht ist. Zwar hatte sich durch die
erfolgreiche Verteidigung Kobanês und die Rettung der Jezid*innen durch
die PKK das Bild der kurdischen Bewegung in der Öffentlichkeit
verbessert, doch an dem Bündnis zwischen Deutschland und der Türkei hat
dies nichts geändert. Durch den neu geschlossenen „Flüchtlingsdeal“
wurde die selbstgeschaffene Abhängigkeit der EU von der türkischen
Regierung noch vergrößert. Nicht nur, dass die Repression gegen
kurdische Aktivist*innen wieder verstärkt wird. Durch die Diskussion,
die Türkei als sicheres Herkunftsland einzustufen, könnte die Situation
für kurdische Flüchtlinge noch gefährlich werden – ihnen könnte die
Abschiebung drohen.
Während der Diskussion wurde auch klar, dass viele Heilbronner Kurdinnen
und Kurden aufgrund ihrer politischen Identität selbst von Repression
betroffen sind bzw. waren. Langwierige und teure Verfahren sollen
abschrecken und die Menschen davon abhalten sich politisch zu betätigen.
Hausdurchsuchungen, Verbot von ganzen Demonstrationen und Feiern,
Vorladungen vom Regierungspräsidium, Bedrohung des Aufenthaltstatus –
das alles auf Grundlage des PKK-Verbots. Allen Anwesenden war bewusst,
dass es neben dem juristischen Weg unsere gemeinsame Aufgabe ist, der
Repression unsere entschlossene Solidarität entgegenzusetzen und sie
nicht schweigend hinzunehmen. Über 60 Menschen nahmen an der
Diskussionsrunde teil und machten sie zu einer gelungenen Veranstaltung.
Ausdruck auf der Straße
Durch den längeren Vorlauf war es diesmal möglich, nicht nur die
Kampagne gemeinsam zu veröffentlichen, sondern auch gemeinsam zu
gestalten. Bei einem Vorbereitungstreffen für die Demonstration im
kurdischen Gesellschaftszentrum, wurden innerhalb eines Abends die
gesamten Demoutensilien hergestellt und der gemeinsame Austausch voran
gebracht.
Die Demonstration zum Ende der Kampagne war dann mit ca. 400 Menschen
gut besucht. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Demonstrationen und
Aktionen mitte des Jahres war sowohl die Beteiligung der deutschen
Linken, als auch der kurdischen Jugend Heilbronn (Ciwanên Azad
Heilbronn) überdurchschnittlich hoch. Die Kriminalisierung der
Heilbronner Kurdinnen und Kurden konnte im Vergleich zu früheren
Demonstrationen verringert werden. Kriminalisierte Sprechchöre waren
dauerhaft präsent und auch die von der Polizei verbotenen Fahnen von
Abdullah Öcalan, PKK und KCK waren teilweise zu sehen. Zudem konnte die
bereits zu Beginn wieder völlig überzogene Polizeipräsenz durch
Einwirken der Demonstrationsteilnehmer*innen verringert werden, sodass
dee Außenwirkung nicht durch straßenversperrende Kastenwägen gestört
wurde. Bei der Abschlusskundgebung verliehen Aktivist*innen durch eine
Schilder-Aktion der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots Nachdruck.
In unserer Rede thematisierten wir neben der Repression gegen die
kurdische Bewegung auch den Krieg der türkischen Regierung gegen die
kurdische Bevölkerung und das Schweigen der Bundesregierung.
Ein Sprecher des Kurdischen Gesellschaftszentrums Heilbronn
verdeutlichte mit den Worten „Die PKK ist für uns Kurdinnen und Kurden
wie Wasser und Brot“, dass es sich bei der PKK eben nicht um eine
terroristische Vereinigung, sondern um die Selbstorganisation,
Selbstverteidigung und den politischen Ausdruck der Kurd*innen handelt,
die auch nicht mit Verboten und Repression klein zu kriegen ist. Denn
die „Kurden sind nicht vom Himmel auf die Berge gefallen“.
Fazit und Ausblick
Die Kampagne war für uns auf verschiedenen Ebenen erfolgreich. Wir
konnten die Zusammenarbeit mit den Kurd*innen stärken, verschiedene
Themen unter einem Motto zusammenbringen und ein ansprechendes Zeichen
in Heilbronn setzen. Dennoch war die Resonanz in der Öffentlichkeit
geringer als wir uns erhofft hatten. Außer „Kurdendemo verlief
friedlich“ in der Lokalzeitung und zwei Halbsätzen zum Thema der
Demonstration, drang inhaltlich nicht viel an die breitere
Öffentlichkeit. Hier müssen wir andere Mittel wählen, um in die
Gesellschaft zu wirken.
Da wir neben der Kampagne auch bei der Organisation der Kundgebungen
gegen die rassistischen Aufmärsche in Öhringen maßgeblich beteiligt
waren und weiterhin sind, lag unser Fokus nicht wie geplant zu
100-Prozent auf der Kampagne. Vor allem die Werbung und Mobilisierung
hätte mehr Energie bedurft.
Nach dem Start im November wurde die Kampagne in gewisser Weise vom aktuellen politischen Geschehen überholt. Während zu Beginn noch der Wahlsieg der AKP durch den von der AKP-Regierung initiierten Krieg gegen die Kurd*innen im Vordergrund stand, wurde nach den Anschlägen von Paris in Windeseile der Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien beschlossen. Wenige Tage vor Ende der Kampagne, zynischerweise am „Tag der Menschenrechte“, zogen die ersten Soldat*innen in den Kampfeinsatz. Die Türkei wird derweilen von der EU hofiert, um Flüchtende auf dem Weg nach Europa aufzuhalten und sie rief erneut die NATO-Staaten dazu auf, nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Terroristen zu unterscheiden und die AKP-Regierung beim Krieg gegen die PKK zu unterstützen.
Mit unserem „Statement zur Kampagne und zu den Themen Antimilitarismus und Internationalismus als Bestandteile linker Politik“ wollten wir dem Rechnung tragen und die beiden Arbeitsfelder Internationalismus und Antimilitarismus mit der allseits proklamierten „Flüchtlingskrise“ in Verbindung bringen. Unser Motiv war dabei, die Zusammenhänge zwischen imperialistischer Politik (am Beispiel der Kurd*innen), Flüchtlingsströmen und rechter Hetze sichtbar zu machen und den rechten Deutungen über Flucht und deren Ursachen eine (radikal-) Linke Position entgegen zu stellen. Denn die Deutungshoheit über Fluchtursachen und den Umgang mit Geflüchteten darf nicht den rechten HetzerInnen überlassen werden.
Dazu gehört für uns in Heilbronn, dass wir auch in Zukunft gemeinsam mit unseren kurdischen Freund*innen die Lage in den kurdischen Gebieten thematisieren werden und bei anderen Themen die Zusammenarbeit ausbauen. Die Basis hierfür haben wir mit der Kampagne und der gemeinsamen Arbeit im letzten Jahr gelegt.
Organisierte Linke Heilbronn (IL), Dezember 2015
Kartoffelsicht
Ist dieser Satz Ausdruck davon, wie tief ihr in der Materie seid?
Kartoffel?
Die Formulierung bezieht sich doch eindeutig auf die Zusammenarbeit mit dem kurdischen Verein in Heilbronn. Die Kampagne wurde gemeinsam mit dem Kurdischen Gesellschaftszentrum organisiert, es gab auch gemeinsame Statements. Was genau ist Deine Kritik?