[PK] Interview mit einem Kämpfer zur Revolution in Rojava

Rojava Broschüre

Rojava - dieser schmale, vorwiegend kurdisch besiedelte Streifen, im Norden des nach vier Jahren Bürgerkrieg völlig zerrütteten Syrien - ist auch in den Mainstream-Medien angekommen. Der versuchte Völkermord an den EzidInnen durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) im irakischen Sindschargebrige (kurdisch Shengal) , der nur durch Einheiten der PKK und der YPG/YPJ verhindert wurde, die Verteidigung und schließliche Befreiung des völlig vom IS eingekesselten Kobani und zuletzt der mörderische Anschlag in Suruc, den die Türkei Erdogans nutzte um einen Krieg gegen die PKK zu beginnen, sorgten für eine bisher nicht dagewesene mediale Aufmerksamkeit für die Entwicklungen in Rojava.

 

Die Berichterstattung bleibt aber meist auf die militärische Situation, sowie die mal positiv, mal negativ bewertete Behauptung beschränkt, hier entstehe ein neuer kurdischer Staat. Ob bewusst oder nicht wird der zentrale Punkt übersehen: Europa und die USA sind seit Jahren von der tiefen strukturellen Krise, in der sich der Kapitalismus befindet, gekennzeichnet. Der Widerstand gegen die Erscheinungen der Krise, ist meist schwach und reagiert höchstens auf die unmittelbaren Angriffe des Kapitals. Jedenfalls konnten antikapitalistischen Bewegungen nirgends die ideologische Dominanz des Neoliberalismus nachhaltig brechen, geschweige denn eine praktische Alternative aufscheinen lassen.

 

Im Nahen und Mittleren Osten, der ebenfalls unter den Folgen der Krise zu leiden hat und in dem seit Jahrzehnten verschiedene imperialistische Akteure ihre Interessen mit harter Hand verfolgen, stellt sich die Situation ungleich schlimmer dar. In Syrien und in Lybien herrscht seit vier Jahren Bürgerkrieg, der die gesamte Region in Mitleidenschaft gezogen hat. Im Irak ist die Bevölkerung im Grunde genommen seit dem US-Einmarsch 2003 mit einem Zustand des verdeckten Krieges konfrontiert, der sich im Juni und Juli 2014 mit der Einnahme Mossuls durch den IS in einen offenen gewandelt hat.

 

In dieser Situation der Krise und Perspektivlosigkeit, in der eine Barbarei, sich scheinbar nur von einer noch größeren Barbarei ablösen lässt, in der die ganze Region in scheinbar entlang von ethnischen und konfessionellen Grenzen geführten Konflikten versinkt, scheint in Rojava die Möglichkeit einer anderen Gesellschaft auf, die nicht mehr auf den Dogmen des Neoliberalismus fußt. Einer Gesellschaft die versucht sich unabhängig von den Interessen der imperialistischen Länder zu entwickeln, in der Patriarchat, Rassismus und religiöser Fundamentalismus aktiv bekämpft werden.

 

Ob diese Entwicklung nun als sozialistisch, revolutionär oder demokratisch-fortschrittlich bezeichnet wird - im Sinne von Marx Ausspruch, dass „jeder Schritt wirklicher Bewegung mehr wert ist als ein dutzend Programme“ lohnt es sich für die revolutionäre Linke den Prozess in Rojava genauer anzusehen, die Entwicklung solidarisch zu begleiten und zu unterstützen.

 

Es geht uns dabei nicht um Idealisierung oder Mystifizierung, sondern um eine Auseinandersetzung mit der Revolution in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit. Mit Widersprüchen, die der speziellen Situation geschuldet sind, genauso wie mit solchen, mit denen revolutionäre Bewegungen früher oder später überall konfrontiert sind. Für eine revolutionäre, internationalistische Linke, ist der Prozess in Rojava also gleich in mehrfacher Hinsicht interessant.

 

Oberflächlich betrachtet ist der augenfälligste Charakterzug dieses Prozesses sicherlich der der nationalen-kulturellen Befreiung:

Unter der Regierung Assads wurden KurdInnen systematisch benachteiligt. Die kurdische Sprache und Kultur war verboten, kurdische Gebiete wurden von der wirtschaftlichen Entwicklung abgeschnitten und vielen KurdInnen wurde selbst die syrische Staatsbürgerschaft vorenthalten, was sie von fast allen ökonomischen Aktivitäten und Bildungsmöglichkeiten ausschloss. Die jetzige Entwicklung in Rojava beinhaltet aber nicht nur volle kulturelle und demokratische Rechte für die kurdische Mehrheitsbevölkerung, sondern für alle Ethnien und Volksgruppen in dem entsprechenden Gebiet.

 

Dieser Aspekt hat im Kontext der Erfahrung anderer nationaler Befreiungsbewegungen eine herausragende Bedeutung. Denn in vielen nationalen Befreiungsbewegungen und anti-kolonialen Kämpfe setzten sich früher oder später reaktionäre Kräfte durch, die selbst nationalistisch oder gar rassistisch vorgingen. Es zeigt die hohe politische Qualität der Bewegung diese Gefahr zu reflektieren und die kulturelle und nationale Befreiung nicht nur auf die KurdInnen zu beziehen.

 

Dies ist aber auch Ausdruck des umfassenden demokratischen Prozesses, der tatsächlich bisher wohl das wesentlichste Element der Revolution ist. So wurden und werden auf allen gesellschaftlichen Ebenen Räte geschaffen, die das Zusammenleben, die Versorgung mit Lebensmitteln, Energie und Wasser, Bildung, Kultur und in Teilen auch die Produktion organisieren. Besonders wird dabei auf die Beteiligung aller Ethnien und Minderheiten Wert gelegt. Das gilt auch für Frauen, die in allen wichtigen Gremien zu mindestens 40% vertreten sein müssen, und darüber hinaus eigene Organisationen bilden - nicht zuletzt die Frauenguerilla YPJ (Frauenverteidigungskräfte). Eine solche praktische Kritik an patriarchalen Strukturen, ist nicht nur angesichts der tief verankerten Diskriminierung von Frauen in der Region bemerkenswert, sondern auch im Hinblick auf den Stand der gesellschaftlichen Debatte die in der BRD zu Herdprämie und Managerinnenquote in DAX-Aufsichtsräten geführt wird.

 

Grundsätzliche Bedeutung hat auch die schon vielfach bewiesene und genauso häufig bestrittene Erkenntnis, dass jeder emanzipatorische Prozess - ob sozialistisch oder nur radikal demokratisch - früher oder später auch bewaffnet gegen die Kräfte der Reaktion verteidigt werden muss. Denn die Heftigkeit der Angriffe der verschiedenen Dschihadisten-Gruppen auf Rojava und die massive Unterstützung die sie dabei durch die Türkei und die feudalistischen Golfmonarchien erhalten, erklärt sich in erster Linie aus dem Widerspruch zwischen diesen reaktionär verfassten kapitalistischen Ländern und dem fortschrittlichen Charakter Rojavas.

Auch dass die Vertreibung der Assad-Truppen relativ unblutig gelang und die meisten Gebiete Rojavas - mit Ausnahme Kobanis und weniger anderer Gebiete - von großflächigen Zerstörungen weitgehend verschont blieben, ist in erster Linie der Existenz der PYD und YPG als politisch-militärischer Kraft zu verdanken.

 

Aus unserer Sicht verdient aber noch ein weiterer Aspekt besondere Beachtung - die Rolle kommunistischer Kräfte:

Von Anfang an waren Kommunistinnen und Kommunisten in Rojava präsent und haben sich an der Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse beteiligt. Sie sind aktiv in den örtlichen Räten, betreiben Schulungen und Gesundheitszentren und beteiligen sich auch militärisch in den Reihen der YPG und YPJ.

 

Erstmals seit Jahrzehnten existieren damit wieder kämpfende kommunistische Einheiten in einer Region, die auch von Europa aus in wenigen Flugstunden zu erreichen ist. Die Bedeutung die dieser Kampf eben auch für Revolutionäre aus Europa hat, zeigt sich nicht zuletzt in der Gründung des „International Freedom Battailon“ im Juni 2015. Diese Einheit, die auf eine Initiative mehrerer türkischer kommunistischer Parteien zurückgeht, vereint KommunistInnen und AnarchistInnen, aus der Türkei, dem nahen und mittleren Osten, sowie aus mehreren europäischen Ländern. Unabhängig von der Größe und militärischen Schlagkraft dieser und anderer revolutionärer Einheiten, markieren sie einen Punkt an dem die revolutionäre Linke die Talsohle der Krise, in die sie spätestens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion geriet, überwunden haben könnte. Zwar wird das internationale Bataillon und die Entwicklung in Rojava, nicht alleine zu einem neuen Aufschwung revolutionärer Kräfte führen, dass sie aber ein Teil davon sein werden, kann durchaus angenommen werden.

Zumindest sind diese Einheiten auch ein Ort des Zusammenkommens Militanter aus unterschiedlichen Organisationen und mit unterschiedlicher revolutionärer Tradition. Der Zersplitterung der kommunistischen und revolutionären Bewegung kann hier also (im Kleinen) praktisch begegnet werden.

 

Wie eingangs erwähnt, ist die Richtung die die Entwicklung in Rojava letztendlich nehmen wird noch nicht entschieden. Alleine die äußeren Feinde sind beängstigend stark: Nicht nur der IS und seine Unterstützer aus der Türkei, Saudi-Arabien, Katar usw. zählen dazu, auch vermeintliche bzw. zeitweilige Verbündete wie die USA und das mafiös-korrupte System in den kurdischen Gebieten im Nordirak, versuchen ihren Einfluss auf Rojava auszudehnen und bekämpfen die Selbstverwaltung, die ökonomische Unabhängigkeit und die Errungenschaften im Kampf gegen das Patriarchat.

Aber auch im Inneren stellen sich vielfältige Schwierigkeiten und Widersprüche: So ist Rojava weitgehend vom Import industrieller Produkte abhängig, die Landwirtschaft ist kaum auf die Selbstversorgung ausgerichtet und die Kapazitäten dies zu ändern fehlen meist. Auch ist das Rätesystem noch lange nicht überall ausreichend gefestigt und in der Lage alle Probleme der Verwaltung zu bewältigen. Ein weiterer Widerspruch offenbart sich zwischen dem Anspruch des demokratischen Konföderalismus keinen neuen Staat zu bilden und der quasi-staatlichen Realität. Und am Ende ist auch noch nicht entschieden welche Folgen der momentane Versuch, den Interessen verschiedener Klassen mittels der demokratischen Selbstverwaltung gerecht zu werden, haben wird.

 

Dennoch, „der Kommunismus ist [..] nicht Zustand, ein Ideal nach der sich die Wirklichkeit zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“ (Marx/Engels). Die Momente dieser „wirklichen Bewegung“ zu erkennen, sie zu analysieren, zu unterstützen und aus ihnen zu lernen, ist die Aufgabe jeder revolutionären Linken. Dazu wollen wir mit dieser Broschüre beitragen.

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung 2-4

Interview mit einem Genossen des „Internationalen Freiheits-Bataillon“ 5-17

#SupportRojava - eine Mitmach-Kampagne! 18

 

Kräfte und Interessen in Syrien & Kurdistan

 

Daesh/ISIS/IS 5-7

Deutschland und seine Verbündeten 9-11

Türkei 12

Russland 13

USA 14

Saudi-Arabien & Katar 15

KDP/ Barzani/ Südkurdistan 16-17

 

 

Broschüre als PDF (siehe Anhang)

Perspektive Kommunismus

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sogenannten „Islamischen Staat“ (IS)

 

Es IST ein islamischer Staat. Der Name passt wie die Faust aufs Auge.

 

free your mind. fuck religion.

(A)

die Idee dabei, den IS nur noch "sogenannter IS" oder auch "Daesh" zu nennen, ist ja diesen Leuten die Anerkennung durch Nutzung ihrer selbstgewählten Bezeichnung zu verweigern. Die freuen sich nämlich den Arsch ab, wenn ihr Name in aller Munde ist.

 

Jetzt ist dein Einwand natürlich auch sehr interessant, nur was ist dir Lieber?

 

Möchtest du - durch Nutzung des Labels "islamischer Staat" - alle Anderen Staaten als Staaten diskreditieren und so deine herrschaftskritische Position ausdrücken   oder:

 

Möchtest du diesen Terroristen ihre ersehnte Anerkennung durch den kommunikativen Akt verweigern?

 

Was wiegt mehr?

ich möchte das religion als das angesehen wird was es ist: ein herrschaftsinstrument.

 

ist mit doch egal ob der IS sich freut wenn alle ihn IS nennen. das ändert rein gar nichts. wollen wir den IS besiegen oder wollen wir dass der IS sich ärgert weil wir ihn nicht so nennen wie er es will?