Kostenlose Busse zur „Demo für alle“: Hinter dem Fundamentalismus steckt einiges Kapital

European Family Foundation

Am Sonntag, den 11. Oktober 2015, droht die bisher größte rechtspopulistische und christlich-fundamentalistische Demonstration in Stuttgart stattzufinden. Die Rede ist von der „Demo“ für alle, auf der sich Neonazis, Rechtsklerikale und säkulare Reaktionäre zu einer unappetitlichen Suppe mischen.

 

Interessierten aus Baden-Württemberg wurde eine kostenlose Anreise per Bus zur „Demonstration für alle“ offeriert. Dieses Angebot wurde in christlich-fundamentalistischen Netzwerken verbreitet, aber auch per Zeitungs-Inserat verkündet. Hinter der zu diesem Angebot gehörigen Homepage „www.demo-für-alle-anmeldung-zur-fahrt.de“ steckt der Verein „European Family Foundation e.V.“. Auf deren Homepage, „european-family-foundation.de“ ist kaum etwas über diese Organisation zu erfahren, außer das sie ein traditionelles Familienbild vertritt und sich gegen Schwangerschaftsabbrüche positioniert.

 

Beide Domains sind auf Albrecht Graf Von Brandenstein-Zeppelin aus Schloßstr. 11 in 88441 Mittelbiberach (Landkreis Biberach) gemeldet. Dieser ist der erste Vorsitzender der „European Family Foundation“. Der Adelige scheint also hinter den kostenlosen Busfahrt-Angeboten zu stecken. Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin aus Mittelbiberach ist bzw. war Rechtsanwalt und ehrenamtlicher Rektor der Gustav-Siewerth-Akademie in Weilheim-Bierbronnen. Die Siewerth-Akademie ist eine rechts-katholische Kaderschmiede, die unter dem rechtskonservativen CDU-Ministerpräsident Hans Filbinger staatlich anerkannt wurde. Brandenstein-Zeppelin ist gut im rechtskatholischen Milieu verankert. Er soll dem rechtsklerikalen Engelswerk nahe stehen, war Besitzer, Herausgeber und gleichzeitig Verleger der katholischen Zeitung „Kirche Heute“ sowie Inhaber eines christlichen Buchversandes. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender des „Medjugorje Deutschland e.V.“, Mitinitiator der Gründung der „Jugend 2000 e.V.“ und Mitglied in der Regionalgruppe Bodensee-Oberschwaben des „Bundes Katholischer Unternehmer“. Es scheint sich um einen begüterten Adeligen zu handeln, jedenfalls wohnt er in Mittelbiberach auf seinem Familiensitz.

 

Auf diesem fand auch schon eine reaktionäre Vortragsveranstaltung statt. So stellte am 8. Juni 2013 die katholische Antifeministin Gabriele Kuby im Schloss Mittelbiberach vor angeblich 200 BesucherInnen ihr Buch über „Die globale sexuelle Revolution“, ein verschwörungsideologisches Werk, in dem Kuby eine globale Gender-Weltverschwörung skizziert. Kuby referierte auf Einladung des Bezirksverbandes Südwürttemberg-Hohenzollern der „Christdemokraten für das Leben“ (CDL), eine Gruppe von AbtreibungsgegnerInnen innerhalb der Union. In der Diskussion verwies der Schlossherr Albrecht Brandenstein-Zeppelin „auf den Verein „European Familiy Foundation“, den er zusammen mit Hubert Liebherr gegründet habe, um Kubys Anliegen zu unterstützen.“


Der Adelige hat also offenbar Teile seines Privatvermögens in einen Verein investiert, mit der er eine reaktionäre Agenda verfolgt. Das jetzt mit diesem Verein auch Busse zur „Demo für alle“ bezahlt werden, verwundert kaum. Die Demonstration in Stuttgart richtet sich auch gegen Gender, bzw. was auch immer darunter verstanden wird, und Kuby ist als Rednerin angekündigt.

 

Im rechtsklerikalen und rechtskonservativen Milieu finden sich auffallend viele Adelige. So ist die Organisatorin der rechtspopulistischen Demonstrationen Hedwig von Beverfoerde (* 1963), eine geborene Freiin von Lüninck. Sie ist CDU-Mitglied, war 2010 Unterzeichnerin des Manifests „Linkstrend stoppen“ und Mitbegründerin des „Arbeitskreis engagierter Katholiken in der CDU/CSU“ (AEK). Gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch mobilisierte sie als Koordinatorin der Kampagne „One of us“ in Deutschland. Diese Position vertrat sie auch als Rednerin beim 9. Marsch für das Leben am 21. September 2013 in Berlin. Außerdem ist sie Sprecherin der „Initiative Familienschutz“ und der „Initiative Entscheidung fürs Leben“, beide Organisationen werden der „Zivilen Koalition“ zugeordnet. Diese wiederum ist die wichtigste Gruppe in einem Organisationsgeflecht, hinter dem das Ehepaar Beatrix und Sven von Storch steckt. Mit vollen Namen heißt Beatrix von Storch eigentlich Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch und ist eine geborene Herzogin von Oldenburg, Urenkelin des letzten regierenden Großherzogs von Oldenburg. Ihr Großvater mütterlicherseits, Johann Ludwig (Lutz) Graf Schwerin von Krosigk, war Reichsfinanzminister zwischen 1932 und 1945. Der kritische Autor Thomas Willms bemerkte: „Von Storch steht für einen quasi vormodernen Adelsdünkel, gepaart mit evangelikalem Furor.“ Die Protestantin Beatrix von Storch ist im Gegensatz zu Beverfoerde aber kein CDU-Mitglied, sondern sitzt für die AfD im Europa-Parlament. Ihre Aktivität bei der AfD begründete von Storch mit der besseren Möglichkeit ihre christlich-reaktionäre Agenda durchzusetzen. So sagte sie im Gespräch mit „Kinder in Gefahr“ am 11. September 2013: „Die AfD definiert die Familie ausdrücklich als „Keimzelle der Gesellschaft“, folglich als Vater, Mutter und Kind. Ich denke, dass wir dieses Familienbild wieder als Leitbild des staatlichen Handelns brauchen, als definiertes Optimum. Sich dafür mit Nachdruck einzusetzen, dass sehe ich auch bei den C-Parteien nicht mehr durchgängig. Wir werden das tun.“


Trotzdem ist ihre Mitarbeiterin und Vertraute von Beverfoerde offensichtlich weiterhin CDU-Mitglied. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Partei-Mitgliedschaften gegenüber der eigenen Agenda (gegen Bildungsplan, gegen Gender, gegen Schwangerschaftsabbruch) relativ sekundär sind. Parteien fungieren eher als Instrumente.

 

Interessant ist die Häufung von Adelstiteln in der klerikalen Rechten. Obwohl in der Republik eigentlich alle gleich sind, haben sich viele Adelige Vermögen und Einfluss erhalten. Die auf halben Weg stecken geliebene November-Revolution 1918 hat nicht alle Privilegien des vorangegangenen Feudalismus angetastet. So gibt es in bestimmten Regionen Westdeutschlands Adels-Familien mit sehr viel Privatbesitz, insbesondere Waldgebiete. Dieser Besitz, sichert weiterhin Macht und Einfluss. Manche von ihnen begeben sich auch in die Niederungen der Partei-Politik und werden, zumeist auf einem CDU-Ticket, Abgeordnete in ihrem Landkreis. Der Recherche-Journalist Günther Wallraff hat einmal ein paar adelige 'Herrschaftsgebiete' nach 1945 kritisch unter die Lupe genommen. Bei der Lektüre seiner Schilderungen entsteht teilweise der Eindruck der Feudalismus sei hier nie überwunden worden. Einer der Adeligen, die er dabei kritisch porträtierte war der Vater des ehemaligen Bundesministers Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Die Familie der von Guttenbergs soll dem rechtskatholischen Geheimbund „Opus Dei“ nahe stehen. Ihr bekanntestes Mitglied ist Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, der abtreten musste, nachdem bekannt war das er größere Teile seiner Doktorarbeit plagiiert hatte. Davor war er ab 2009 Bundesminister und von November 2008 bis Februar 2009 Generalsekretär der CSU. Er leistete seinen Grundwehrdienst standesgemäß in einem Gebirgsjägerbataillon ab. Seit Februar 2000 ist von Guttenberg mit Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen, Enkelin eines ehamaligen Regierungspräsidenten von Potsdam, verheiratet. Seine Gattin Stephanie zu Guttenberg ist Vorsitzende des Vereins „Innocence in Danger e.V.“ und prangert die Sexualisierung in der Gesellschaft, hauptsächlich in der Musikszene, an.

 

Es existiert offenbar eine Riege reaktionärer Adeliger in Deutschland. Diesem Netzwerk gehören nicht alle mit einem „von“ im Namen an, aber ein solches ist Zutrittsbedingung. Es handelt sich um ein reaktionäres Kleinst-Milieu, eine konservative Parallel-Kultur. Hier wird noch, teilweise streng nach Konfession getrennt, untereinander geheiratet. Da arrangierte Ehen nicht mehr so einfach durchzusetzen sind, wird versucht über gemeinsame Freizeit-Veranstaltungen Romanzen zu fördern, die zu Heirat führen. So bleibt das blaue Blut bewahrt. Eine besonders große Liebe zur Demokratie herrscht hier nicht gerade vor, eher ein Arrangement nach außen und eine Ablehnung nach innen. Einzelne Adelshäuser haben eigene Verfassungen, die den erstgeborenen Sohn bevorzugen und Sanktionen bei 'unstandesgemäßen' Ehen bis hin zum Ausschluss aus der Erbfolge vorsehen. Zumindest innerhalb der Familie bleibt der Feudalismus damit erhalten. Es gibt einen Patriarchen und wer dagegen aufbegehrt wird verstoßen. Hier wird ein über Jahrhunderte kultiviertes elitäres und antidemokratisches Selbstbewußtsein weiterhin bewahrt. Das führte in Vergangennheit auch zur Hinwendung zum Nationalsozialismus. Laut der FAZ vom 14. April 2008 gehörten im NS mehr als 1/3 aller Hochadeligen der NSDAP oder verwandten Organisationen an. Besonderer Schwerpunkt war offenbar die SS, da sich hier Überschneidungen im Elite-Selbstverständnis zu finden waren. Nicht selten gebunden ist dieses an christlich-fundamentalistische und nationalistische Überzeugungen. Bei von Beverfoerde, von Storch oder von Brandenstein-Zeppelin scheint die reaktionäre Gesinnung aus dem Elternhaus zu stammen. Sie sind aber bei weitem nicht die einzigen. Beispielsweise bei den selbsternannten „Lebensschützern“, AbtreibungsgegnerInnen, finden sich auffällig viele Adelige.

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