Wie Deutschlands Schlapphüte beim Kaffeeklatsch den „Linksextremismus“ aufblasen

Erstveröffentlicht: 
12.07.2015

Der Polizeiposten in Connewitz und eine Wischiwaschi-Antwort aus dem Bundesinnenministerium - Wie Deutschlands Schlapphüte beim Kaffeeklatsch den „Linksextremismus“ aufblasen

Nachdem der jüngste Verfassungsschutzbericht 16 Angriffe auf die Polizeidienststelle in Connewitz kurzerhand als „linksextrem“ eingestuft hatte. Man ist zwar gewohnt, dass staatliche Behörden und vor allem die deutschen Schlapphüte auf alles, was sie irgendwie links von sich verorten (und das ist eine Menge) einfach mal das Label „Linksextremismus“ kleben.

Nur macht das die diversen Verfassungsschutzberichte alles andere als belastbar. Mal ganz abgesehen von der Diskussion darüber, wie wenig die Extremismustheorien, die mit simplen Links-/Rechts-Schemata arbeiten, wissenschaftlich belastbar sind. Wenn dann solche Zuordnungen auftauchen, dann müsste doch irgendwer auch definiert haben, was in diesem Fall „links“ oder „linksextrem“ ist und warum und nach welchen Kriterien die Angriffe auf die Polizeidienststelle in Connewitz als „linksextrem“ eingeordnet wurden.

Also stellte Monika Lazar diese beiden Fragen an das Bundesinnenministerium:

„Welche Kriterien muss ein Vorfall aufweisen, damit er als ‚linksextremer Anschlag auf eine Polizeiliegenschaft‘ in die Statistik des Verfassungsschutzberichtes einfließt?

Wann und in welcher Art fanden die im aktuellen Verfassungsschutzbericht auf Seite 73 angeführten 16 Angriffe auf die Polizeidienststelle in Leipzig-Connewitz statt (bitte einzeln ausführen)?“

Eigentlich bekam sie von Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern (BMI), keine Antworten. Weder zu ihrer Frage, auf welcher Basis die Angriffe als  „linksextrem“ eingestuft wurden, noch auf die Frage, wann genau die Angriffe stattfanden. Denn es gibt ja auch eine detaillierte Auskunft von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Anfrage der linken Landtagsabgeordneten Juliane Nagel über sämtliche Vorfälle im Zusammenhang mit dem Polizeiposten Connewitz im Jahr 2014. Die Polizei hat genau sechs Vorfälle dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – links“ zugeordnet.

Mit welchen Zahlen operierte da also der Bundesverfassungsschutz? Das zumindest ließ Rogall-Grothe durchblicken. Und man darf durchaus das Gefühl haben, sich unverhofft auf einem Basar der Gerüchte und Halbwahrheiten wiederzufinden. Die Angriffe auf die Polizeidienststelle Leipzig-Connewitz seien dem (Bundes-)Verfassungsschutz „im Rahmen des allgemeinen Informationsaustausches im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums Links (GETZ-L) bekannt“ geworden. Das GETZ  wurde in seiner neuen Form 2012 vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gegründet, der dann ja bekanntlich im Zusammenhang mit der Edathy-Affäre zurückgetreten ist.

Die Linke bezweifelt, dass das GETZ überhaupt verfassungskonform ist, weil es – noch stärker als das oft in den Länden passiert – die Trennung zwischen Polizeiarbeit und Verfassungsschutz aufhebt. Eigentlich war die Gründung 2012 sogar eine Reaktion auf das Treiben der 2011 bekanntgewordenen rechtsextremen NSU. Aber so ticken konservative Politiker in Deutschland irgendwie: Man hat gleich noch die Linken mit ins Fadenkreuz genommen.

Dass das GETZ eigentlich kein wirklich selbsttätiges Arbeitszentrum ist, kommentierte die „taz“ mit den Worten: „Statt von einem ‚Zentrum‘ zu reden, hätte man also auch sagen können: Die Sicherheitsbehörden verabreden regelmäßige Arbeitsmeetings. Schlagzeilen hätte das aber kaum gegeben.“

Womit man dann bei der Auskunft von Cornelia Rogall-Grothe wäre: Irgendjemand bei den regelmäßigen Treffen von Arbeitsgruppen im GETZ hat also dem Bundesverfassungsschutz die Zahl von 16 Angriffen auf den Polizeiposten in Connewitz gesteckt, „linksextrem“ dazu gesagt, und das war’s. Möglicherweise war’s der sächsische Verfassungsschutzchef oder einer seiner Vertreter. Die Zahlen sind also nicht einmal über eine ordentliche Polizeiberichterstattung auf die Bundesebene gekommen. Seriös geht anders. Die Zahlen können nicht stimmen. Denn wenn der sächsische Verfassungsschutz Zahlen zu „linksextremen“ Vorfällen in seinem jährlichen Bericht veröffentlicht, stammen sie ausschließlich aus der Statistik der Polizei. Nur dass dann aus dem nüchternen Polizeibegriff „Politisch motivierte Kriminalität – links“ ein völlig unsinniges „Linksextrem“ wird.

Aus echter kraftmeierischer Kleinkriminalität wird so auf dem Wege des Arbeitsgruppengeplappers politischer Extremismus.

Zu den sechs Straftaten, die die Polizei in Connewitz einem linken Spektrum zuordnen konnte, gehörten zwei Beleidigungen, eine Bedrohung, eine gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und eine Sachbeschädigigung. Weitere Sachbeschädigungen konnten keinen konkreten Tätern oder einem Umfeld zugeordnet werden. Niemand weiß also, ob sie nach links gehören, nach rechts oder in die Kategorie „stinkbesoffen“.

Was die Leipziger Abgeordnete Monika Lazar aber besonders ärgert, ist die völlige Undurchschaubarkeit, wie nun der Verfassungsschutz dazu kommt, Taten als „linksextrem“ einzuordnen. Das möchte sie jetzt vom amtierenden Innenminister gern erfahren und hat eine Nachfrage gestellt:

„Welche Kriterien muss ein Vorfall aufweisen, damit er vom Bundesverfassungsschutz als ‚linksextremistisch motivierte Gewalttat‘ gegen Polizei und Sicherheitsbehörden gewertet wird und in die Statistik des Verfassungsschutzberichts einfließt, in der solche Straftaten 2014 mit 623 Fällen und 2013 mit 632 Fällen beziffert wurden?“

Das wäre dann mal was Neues, wenn der Bundesinnenminister klar definieren könnte, wann eine Straftat der Kategorie „Linksextremismus“ zugeordnet wird und mit welchen klaren Definitionen das von anderen Sachverhalten abgegrenzt wird.

 

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