Sowohl auf EU- als auch nationalstaatlicher Ebene sind dieser Tage alarmierende Entscheidungen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik im Gange: Statt flüchtenden Menschen die sichere und legale Einreise nach Europa zu ermöglichen, reagiert die EU auf den Tod von tausenden Menschen im Mittelmeer mit Vorbereitung zu einem Kriegseinsatz an der Küste Nordafrikas und hat dazu ein Mandat des UN-Sicherheitsrates beantragt.
In Österreich ist am 21. Mai die Asylnovelle im Nationalrat abgesegnet worden, mittels derer vermehrte Schubhaft, beschleunigte Abschiebung, weitere Demontage der Inanspruchnahme des Grundrechts auf Asyl, sowie die Obdachlosigkeit von tausenden Geflüchteten drohen. In Warschau feierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex, von vielen als Verursacherin des Todes von tausenden Menschen im Meer und an den EU-Grenzen betrachtet, am 21.5. ihr 10-jähriges Bestehen als Erfolgsstory.
Die Initiative „Freedom not Frontex Vienna“ plante dagegen in den Tagen vom 19. bis 21.5. verschiedene Protestaktionen in Wien:
Am Dienstag, 19.5., gab es vor dem Eingang zur und direkt in der UNO-City (Vienna International Center, Sitz des UNHCR und anderer UN-Institutionen) Interventionen und eine laute Protestkundgebung gegen Frontex und das EU-Grenzregime. Am 21.05. ist die Nationalratsentscheidung zur Asylnovelle mit dezentralen Aktionen begleitet worden.
Zentrale aktuelle Forderungen:
- Stoppt den Krieg gegen Migrant*innen und Flüchtende
- Kein UN-Mandat für EU Militärintervention!
- Weg mit der Visumpflicht!
- Fähren statt Frontex!
- Nein zur Asylgesetznovelle!
* * * * Medienanfragen und Zusendung weiterer Fotos bitte an: nofrontexvie@riseup.net
Freedom Not Frontex: Vienna gibt es auch auf Facebook
kurzer Bericht über Warschau aus dem ND
Hier ein Pressebericht über die Tage in Warschau:
Ein Sarg für die Festung Europa: Bei den »Anti-Frontex-Tagen« demonstrierten Flüchtlinge und Unterstützer gegen die Grenzschutzagentur
Seit zehn Jahren sorgt die Grenzschutzagentur Frontex nach Meinung von Kritikern dafür, die EU vor Migranten abzuschotten. 200 Demonstranten machten ihr ein spezielles Geburtstagsgeschenk.

Es war ein für Warschau höchst ungewöhnlicher Demonstrationszug, der am frühen Donnerstagabend den Feierabendverkehr störte: Knapp 200 meist junge Leute, einige von ihnen vermummt, andere mit Regenbogenfahnen, trugen einen selbstgebauten Sarg und zahlreiche Transparente wie »Frontex Kills« (Frontex tötet) oder »Ferries not Frontex« (Fähren statt Frontex) zur Zentrale der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Anlass der Demonstration war der in der polnischen Hauptstadt abgehaltene Europäische Tag der Grenzschützer - am zehnten Geburtstag der Grenzschutzagentur.
»Fast niemand in Polen hat eine Ahnung, was Frontex ist«, sagt Andrzej*, einer der Organisatoren. Die Demonstration sollte darauf aufmerksam machen, dass es eine Behörde gibt, »deren einzige Aufgabe es ist, Migranten von den EU-Außengrenzen fernzuhalten« - mitten in Warschau. »Wenn wir sagen, Frontex ist unser Gegner, meinen wir nicht nur die Agentur: Wir meinen die ganze eurozentrische rassistische Struktur, die Leute in privilegierte und unprivilegierte Menschen unterteilt. Die EU wäscht ihre Hände in Unschuld und macht andere für die Toten im Mittelmeer verantwortlich, nicht die politischen und wirtschaftlichen Ursachen.«
Das kleine Organisationsteam, das sich schlicht Anti-Frontex-Gruppe nennt, hatte rund um die Demonstration internationale »Anti-Frontex-Tage« organisiert. Am Mittwoch tauschten sich dabei etwa 60 Teilnehmer im besetzten Kulturzentrum Syrena über ihre Erfahrungen in Solidaritätsgruppen aus - mit Eindrücken unter anderem aus Deutschland und den Niederlanden. Geplant war weiterhin der Besuch eines Abschiebegefängnisses und eine Gedenkveranstaltung für Maxwell Itoya, der vor fünf Jahren in Polen von der Polizei erschossen worden ist.
Auch die Demonstration am Donnerstag sollte an die Opfer von Frontex erinnern und transnationale Solidarität mit den Kämpfen der Geflüchteten zeigen. Einer der sehr wenigen Betroffenen, die an der Demo teilnahmen, war Trésor aus Kamerun. Er war mit seiner Gruppe »Voix des migrants« angereist. »Ich bin froh, dass ich nach fünf Jahren, die ich schon gegen Frontex kämpfe, nun endlich hier direkt gegen sie demonstrieren kann.«
Die Teilnehmer sehen Frontex als Flaggschiff der »Festung Europa« und halten die EU-Agentur für mitverantwortlich für die Toten im Mittelmeer, für Lager und Abschiebungen. Eine Sprecherin der Anti-Frontex-Gruppe erklärte, sie wolle nicht einfach zusehen, wie Menschen wegen der EU-Politik sterben. »Für sie sind es nur Zahlen, aber für mich ist jeder Einzelne ein Mensch, der das Recht hat, zu leben.«
Mit knapp 200 Menschen, von denen nur die Hälfte aus Polen kam, blieb die Zahl der Teilnehmer an der Demo hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück. »Wir waren sehr wenig Leute und haben es kaum geschafft, Migranten in Polen einzubeziehen«, so Andrzej selbstkritisch. Dafür hätten sich sich viele Passanten interessiert gezeigt.
Während zeitgleich polnische Nationalisten und Neonazis gegen die Pläne der EU-Kommission hetzten, 2000 Geflüchtete nach Polen zu »verteilen«, endete die linke Demonstration vor der Frontex-Zentrale am Europaplatz. Eine skurrile Szene: Vor dem von zahlreichen Polizisten abgeriegelten Gebäude schrie ein Kameruner seine Wut ins Mikrofon: »Frontex: Es ist vorbei. Das war dein letzter Geburtstag!« Davor lagen Menschen unter weißen Leinentüchern und symbolisierten so die Toten im Mittelmeer. Als »Geburtstagsgeschenk« wurde Frontex symbolisch ein Sarg überreicht. Entgegengenommen hat ihn allerdings niemand - die Grenzschützer feierten ihren Tag mit Reden, Essen und Kennenlernprogramm lieber woanders. Die Frontex-Zentrale war leer. Geschützt von Polizisten lag sie verlassen zwischen Baustellen. So symbolisierte das kalte Glasgebäude ziemlich gut die Festung Europa.
*Name geändert