Wie aktuell ist die Querfront? Anbei zwei einschlägige Zitate:
»Die Haltung der BRD, der EU und der USA jetzt den Willen von 95,5 Prozent der Russen und Ukrainer auf der Krim mit Sanktionen bestrafen zu wollen gefährdet den Weltfrieden. Sie hetzen die Ukrainer gegen die Russen auf und lassen sie am Ende doch im Stich. Den Willen des Volkes treten diese selbsternannten Demokraten mit den Füßen und glauben sich einfach darüber hinwegsetzen zu können. Aber die Staaten des sogenannten Westens haben traditionell schon immer ein recht zweifelhaftes Verhältnis zu Volksabstimmungen.«
»Demokratie ist für Washington oder die armselgen zwei-Cent-Marionetten, die für Washington in Deutschland, im Vereinigten Königrech und in Frankreich regieren, nicht akzeptabel, wenn die Demokratie nicht Washingtons Agenda der Herrschaft über die gesamte Welt dient. Der Sprecher des Neonazi-Weißen Hauses log nach Strich und Faden, als er behauptete, dass das Referendum, das von internationalen Beobachtern für völlig frei befunden worden war, „unter Drohungen von Gewalt und Einschüchterungen“ abgehalten wurde.«
Das eine Zitat stammt von einem NPD-Spitzenkandidat,1 das andere einer »Linkenzeitung« entnommen.2
Ergeben die beiden folgenden Zitaten nicht etwa einen harmonischen Zusammenklang?
»Die Ukraine hat historisch, ethnisch und konfessionell keine festen Grenzen; sie ist ein erst 1919 entstandenes und später mehrfach vergrößertes künstliches Gebilde.«
»Die Etablierung des Ukrainischen, das nichts anderes als Russisch mit ein paar abgeleiteten Vokalen ist und als Bauernsprache keine Worte für die Tiere hat, die nicht auf Feld und Flur leben, die Einführung dieses Dialekts als Nationalsprache [usw.] «
Das eine Zitat stammt aus einem Artikel, der anscheinend so wichtig zu sein schien, dass er bei zwei linken Zeitschriften abgedruckt werden musste,3 das andere ist dem Buch von zwei rassistischen Esoterikern entnommen.4
So eine Zusammenstellung von Zitaten aus dem rinks-lechtem Spektrum kann man beinahe endlos weiterführen. In der Tat lassen die ganzen Ausschnitte aus der Zuerst! und der Jungen Welt sich gegenseitig austauchen, ohne dass die geneigte Leserschaft eine Umstellung merken würde. Der Worlaut des Gratulationstelegramms von Assad an Putin anlässlich der Krim-Annexion unterscheidet sich wohl nur durch die persönliche Adressierung von mehreren »antiimperialistischen« Flugblättern.5 Um das Vorgehen von Russland zu preisen, benutzen die westeuropäischen Stalinisten dieselben Lobausdrücke wie ihre rechtsextreme Kollegen. Die Anerkennung von imperialistischen Ansprüchen Russlands, Antiliberalismus, Antiamerikanismus und schlecht verdeckter Antisemitismus gehören hier zum gemeinsamen Repertoire. Es geht so weit, dass man ohne Vorsagen nicht mehr erraten würde, aus welchem Flügel des Spektrums der eine oder der andere Text stammen würde (z.B. »Zionisten offenbar treibende Kräfte beim Versuch von Regime Change in der Ukraine«).
Dazu gibt es einen bekannten Einwand: Es seien doch alles marginale Gruppen, die auf keinen Fall mit der gesamten »deutschen Linken« gleichzusetzen sind. Selbstverständlich wäre hier eine pauschale kollektive Beschuldigung fehl am Platz (die ohnehin eine zutiefst rechte Angelegenheit ist). Doch es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie aktuell das Problem der Querfront geworden ist und wie sehr die gesamte westeuropäische Linke dadurch bedroht ist.
Dass die Ersetzbarkeit von obigen Zitaten kaum zufällig ist, zeigt das einstimmige Verhalten von rechtsextremen und linken Parteien im Europa-Parlaiment zu den Ukraine-Angelegenheiten sehr deutlich.6 Die Querfront prägte die Zusammensetzung von »Montagdemos«7 genauso wie die Teilnehmerliste von Wahlbeobachtern beim »Referendum« auf der Krim.8 Kaum hat Alexander Sachartschenko über die »armseligen Vertreter des jüdischen Volkes« gelästert,9 machen die beiden linken Abgeordneten, Wolfgang Gehrke und Andrej Hunko, ein hübsches Foto mit ihm.10 Alles laute Zufälle...
Zu der westlichen Querfront gibt es viel mehr zu sagen. Dass sie ernst zu nehmen ist, zeigt der Umstand, dass ihre Vertreter bereits zu morden bereit sind. Es sind die spanischen »Antifaschisten« selbst, die wohl am treffendsten ihr Aufenthalt in der Ukraine zusammenfassen: »Wir kämpften zusammen, Kommunisten ebenso wie Nazis, für die Befreiung von Russland«.11
In Russland hat sich eine besondere Art der Querfront herausgebildet, in der Sowjetpatriotismus und russischer Imperialismus auf eine wundersame Weise zusammenschmelzen. Wenn Freiwillige aus einer russischen Stadt in die Ukraine feierlich abgeschickt werden, sieht man die Ikone vom Zar Nikolaus II gleich neben der UdSSR Fahne. Die Sowjetsymbolik scheint die heutigen Träger von zaristischen Georgenkreuzen kaum zu stören.12 Eines der »schönsten« Exemplare dieser Verschmelzung lieferte neulich Banda Bassotti auf ihrer Facebook-Seite: Derselbe Ärmelstreifen eines »antifaschistischen Kämpfers« im Donbasss vereinigt die Flagge der Sowjetunion mit der russischen imperialen Fahne (mittels »Georgenstreifen« selbstverständlich).13
Wer denken würde, dass eine Ikone von Stalin nur ein Fake sein könnte, sollte mal nach der Wortverbindung »икона Сталина« googeln und einen Online Übersetzer betätigen. Wer glauben würde, dass dieselbe nie bei einer linken Demo in Deutschland getragen werden kann, ist ein beneidenswerter Optimist. Die Fahne von »Neurussland« jedenfalls sowie die mit dem Doppeladler und der imperialen Krone drauf tauchten bereits ungestört bei einer Demo, die man beim besten Willen nicht als eine »linke« Demo bezeichnen kann.14
2http://www.linkezeitung.de/index.php/ausland/europa/237-95-7-der-bewohner-der-krim-zeigen-dem-tyrannen-im-weissen-haus-den-stinkefinger
3http://das-blaettchen.de/2014/05/heilige-ukrainer-und-zwingli-28931.html, http://www.linksnet.de/de/artikel/31183
4Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers (PDF online), S. 80.
7Occupy Frieden: Eine Befragung von Teilnehmer/innen der „Montagsmahnwachen für den Frieden“ (PDF online), S. 19
11http://elpais.com/elpais/2015/02/27/inenglish/1425051026_915897.html. Es ist nun wirklich spannend zu erfahren, wieviel Solidaritätsgelder für »Antifaschisten« diesmal zusammengetrieben wird...
12Das dritte Foto von oben: http://expert.ru/russian_reporter/2014/39/nachalnik-donbassa/
eine wichtige Querfront vergessen
Ach Kyrylo, du bist immer so selektiv: warum berichtest du nie über die Querfront der Maidan AnhängerInnen und der bewaffneten Rechten in der West Ukraine?
Übersehen? Wohl kaum.
Ihr seid leider nicht mehr zu bemitleidende DeppInnen, die zwischen NATO/EU Interessen einerseits und russischen Sicherheitsansprüchen andererseits zerquetscht werden. Hätten Kiewer AnarchistInnen das mal klar gesagt anstatt die Nazis dort schönzureden, wäre euch eine breite Unterstützung sicher gewesen.
Aber die Böll- und Adenauerstiftung wußten neben anderen vermutlich ganz gut, wo in Kiew die Angst lebt - weit, weit im Osten. Da habt ihr glatt gedacht, die Asov-Nazis wären das kleinere Übel. Dumm gelaufen - aber desertieren könnt ihr hoffentlich noch immer alle. Das wäre der einzig richtige Schritt gegen diesen sinnlosen Krieg. Und dabei ist euch die Unterstützung vieler Linker sicher.
nicht aua
Der Einwurf ist berechtigt
aua
Ich bin jedes mal erschrocken, was sich hier für frustrierte Choleriker in den Kommentarspalten auslassen. Dass der Artikel einseitig ist, macht ihn inhaltlich nicht weniger richtig, und die Kritik am Nichtvorhandensein wirklich linker Politik im UA-Konflikt ist ganz sicher gerechtfertigt. Sucht ihr hier Anlässe, die Parole "ukrainscher Faschist/Nationalist" um euch zu werfen? Macht ihr Strichlisten, wie oft ihr eine sinnvolle Diskussion verhindert habt? Ist das gar Sinn und Aufgabe der ganzen Querfront-"Initiative"?
Verrückt, verrückt verrückt
Ja, in Zusammenhang mit der Ukraine-Sache werden wirklich alle verrückt.
Inzwischen hat auch Timothy Snyder seinen letzten Rest Verstand verloren. Unter Applaus der Heinrich Boell-Stiftung führte er aus, dass nicht etwa die antisowietischen Nationalisten in Estland, Lettland, Litauen, Ukraine, Kroatien usw. die Kollaborateure der Deutschen beim Holocaust waren, sondern die Soviets. Vielleicht sollten litauische SS-Veteranen zukunftig anlässlich des Jahrestagen der Befreiung von Auschwitz eingeladen werden statt russischer Präsidenten? In jedem Fall aber wohl ukrainische Präsidenten mit Bandera-Button.
Ab Minute 21....
https://www.youtube.com/watch?v=KfZvAjg62FI&list=PLQoUnPhwq7cylmmLmJPe4t...
Wenn die NPD so was verzapfen würde, und nicht die Böll-Stiftung, würden die Grünen dagegen demonstrieren. Hoffen wir doch zumindest. Um aber auf den Beitrag zurückzukommen. ALLE machen Querfront. Warum auch nicht, wenn selbst eine Böll-Stiftung den Holocaust für eine beliebig instrumentalisierbare ja was... Fußnote der Geschichte hält.
Das, was die radikalen Linken in Europa düster analysierten
ist genau so eintreten - schlimmste IWF Scheisse, Nato Dreck mit Waffenlieferungen, als ob es kein Morgen geben würde, das deutsche europäische Imperium im Ausdehnungswahn gepaart einer wirklich fetten atomaren Kriegsgefahr -
Jetzt fängt nämlich der Spass nämlich erst richtig an, und das nur, weil ihr nicht in der Lage wart, den nationalen Wahnsinn zu unterbinden oder wenigstens in Frage zu stellen. Ne, ihr seid fleissig mitgehüpft wie ein paar Bescheuerte!
Ick kann dir wat sagen: Jetzt holen wir erst recht wieder sämtliche Rote Fahnen mit Hammer und Sichel raus, jetzt erst recht, um diesen billigen Propagandadreck in seine eigenen Widersprüche zu tauchen und dort zu ersticken.
https://www.youtube.com/watch?v=vdZ4R2mAX4U
Die Querfront sitzt im Kreml
Wohl Diskussion
Wenn Du nicht diskutieren willst, dann liess welt.de. Oder jungewelt.de. Wenn Du diskutieren willst, bist du hier richtig. Wenn du wissen willst, was Querfront ist, lass Dich in einem ukrainischen Gewerkschaftshaus von UDAR und Pravy Sektor gemeinsam verbrennen.