Zu der Demo gegen den Polizeikongress

Die Demonstration am 21. Februar gegen den Polizeikongress in Berlin kann nicht ohne Widerspruch so stehen bleiben, besonders auch was die Nachbereitungstexte betrifft. Zunächst mal ist es natürlich begrüssenswert, wenn – nach dem anscheinenden Rückzug der Vorbereitungskreise vergangener Jahre – inzwischen andere Menschen diese niederträchtige Veranstaltung der Sicherheitsindustrie nicht kritiklos über die Bühne gehen lassen.
So wie es grundsätzlich immer gut ist, wenn ein Nachwachsen von Widerstandsstrukturen in der Stadt feststellbar ist.

 

Zwei Texte, die den Verlauf der Demo am Adenauerplatz zum Thema haben sind uns aufgefallen. Schon der Titel des einen erinnert an übelstes Antifa-Funktionärs Sprech:
“Kraftvolle Demonstration gegen den Europäischen Polizeikongress”
Die Bezeichnung einer kleinen, kontrollierten und friedlichen Demo als “kraftvoll” ist die typische Formulierung der deutschen Antifa Linken, die sich jede legalistische Miniaktion als Erfolg verkaufen müssen; kraftvoll war an dieser Demo nämlich gar nichts. Es sollte davon Abstand genommen werden alles als Erfolg verbuchen zu müssen.
Nicht zustimmen können wir der Einschätzung, dass die Internet-Mobi befriedigend gewesen wäre. Termine im Stressi eintragen ist jetzt nicht so der Brüller, zu dem Aufruf auf linksunten später mehr.
Vollkommen absurd finden wir folgende Sätze:

 

“Flyer, Plakate oder Aufkleber haben sowieso keinen so großen Mobi-Faktor mehr, wie man es in letzter Zeit immer wieder beobachten konnte! So war z.B. ganz Kreuzberg, Neukölln und Wedding voll mit Material, welches für die PKK-Demo am Potsdamer Platz geworben hat. Gekommen sind dennoch nur knapp 300 Personen (davon ca. 100 aus dem linken Spektrum). Erreicht hat man also mit der Street-Werbung wenig, bis gar nichts!”

 

Damit werden die Erkenntnisse der letzten Jahre auf den Kopf gestellt, das nämlich ein Rückgang der Sichtbarkeit im Straßenbild und Alltag auch zu einem Rückgang der Mobilisierungsfähigkeit führt.

Dann werden noch Gruppen wie ARAB, nea, RLB, felS oder umsGanze aufgezählt, die sich nicht an der Mobi beteiligt hätten was die wenigen Teilnehmer erklären würde. Dem Vorbereitungskreis scheint entgangen zu sein, das sich diese Gruppen teils aus inhaltlichen Gründen noch nie an Protesten gegen den Polizeikongress beteiligt haben und teilweise Zerfallserscheinungen haben, bzw ganz andere Politik machen.

 

Über die Mobi kann sehr wohl gemeckert werden, sie war echt dürftig. Der Aufruf Gegen den Europäischen Bullenkongress! #2 war inhaltlich so allgemein wie nichtssagend. Wenn damit Massen bewegt werden könnten, wäre der Staat schon in Schutt und Asche gelegt worden. Leute sind dieser Demo ferngeblieben, weil sie den Eindruck hatten, dass sich die AufruferInnen nur sehr oberflächlich mit dem Thema und auch mit der Durchführung beschäftigt haben.
Desweiteren kann der Nachbereitungstext die Kritik am Startplatz nicht nachvollziehen und führt diese auf den Wohnort einiger Menschen in Xberg, Fhain oder Nk zurück.
Ein dummes Argument, fahren doch viele Menschen durch die halbe BRD um an Demos teilzunehmen. Fakt ist, das von der Vorbereitungsgruppe kein einziger Grund für den Adenauerplatz genannt wurde und deshalb Leute überlegt haben ob sie sich in dieser Gegend auf so ein Ding einlassen wollen.
Wie die Überschrift über dem Nachbereitungstext zur Beschreibung des Verlaufs passt, bleibt ein Geheimnis:

 

“Der kurze und halbherzige Startversuch ist eigentlich nichtmal eine Erwähnung wert. Jemand hat dann also die Demo angemeldet, damit man überhaubt noch auf die Straße kommt. Die Bullen hatten sowieso interesse daran, dass alles organisiert und kontrollierbar über die Bühne geht. Nach fast 2 Stunden ging es dann auch endlich los.”

 


Das Demos nicht immer in Kreuzberg stattfinden müssen ist doch klar aber war es wirklich ein Erfolg mit 100 Leuten durch diese Gegend zu laufen und was bringt es sich diesem Publikum zu diesem Thema gezeigt zu haben?

 

Wo und wie mit welchem Charakter Demos zu welchen Themen Sinn machen, wird ständig in demofreudigen Kreisen diskutiert, im Vorbereitungskreis dieser Sache aber anscheinend nicht, nicht ein Argument wird dafür genannt.

2013 war auch nicht schnell wieder alles vorbei sondern es war Trouble bis in die Morgenstunden und auch danach noch in diversen Medien und Foren.

 

“Hätte man diese 1000 Menschen zum Qdamm oder nach Mitte bestellt, hätte man mehr Möglichkeiten gehabt als in Kreuzberg, wo man nur wenig Ziele rund um den Kotti und Mariannenplatz findet.” – Ein dummes Zitat aus dem selben Text, Menschen werden nicht bestellt und das Ziel 2013 war nicht Zerstörung sondern selbstbestimmtes Handeln.

 

Der zweite Text, Bis zu 100 Aktivist_innen ziehen wütend durch die City-West , ist objektiver, macht aber eine komische Rechnung auf. Seit wann ist die Höhe der Mobikosten ein Faktor? Zumal es Wege gibt auch bessere Mobi ohne totale Selbstaufopferung zu machen. Den Stressi Text in 5 Sekunden abgeschickt – toll, ein grosses Plus.
Und was wütend durch die City-West gelaufen sein soll, war die Karrikatur von einem schwarzen Block.
Welche Freiräume wurden geschaffen? Ihr habt 2 Stunden auf die Erlaubnis eines beschissenen Einsatzleiters gewartet um dann ne genehmigte Route zu laufen.

 

Die in Indymedia Kommentaren geübte Kritik an dieser Demonstration war oft peinlich, angesprochen wurde das vermeintliche Alter der VeranstalterInnen oder ein Battle aufgemacht in welchen Städten mehr geht. Positiv ist jedoch, dass es Interesse an unkontrollierten Demos und an Aktionen gegen den Polizeikongress gibt. Aber wenn Experimente mehrfach scheitern, müssen sie dann wiederholt werden?
Ob der richtige Ort für einen Austausch darüber die AVV ist, kann bezweifelt werden, wird sie doch aus Sicherheitsgründen von Einigen gemieden. Solche Veranstaltungen können aber auch intern mobilisiert werden. Wer Andere zu einer Demonstration aufruft, muss die Entscheidung für dieses Mittel nachvollziehbar machen, sonst bleiben – zum Glück – die Leute zu Hause.

 

(gefunden auf http://urbanresistance.noblogs.org/ )

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"Es sollte davon Abstand genommen werden alles als Erfolg verbuchen zu müssen."

Ja. Genau so sollte aber auch davon Abstand genommen werden Kritik immer so rau und ernidriegend heraus zu quatschen.

dafür das manche texte als sachlich und andere als weniger sachlich bezeichnet werden, ist man selber recht unsachlich. in diesem sinne mag man doch kritik üben, oder es lassen, aber nicht so auftreten, wie als ob es etwas persönliches wäre. schade ist es zwar schon das die bullenkongressdemo inzwischen eingehegt wurde, aber deshalb gleich einen rundumschlag auszuführen ist wohl übertrieben. wenn man sich damit erstmal abgefunden hat, kann man sich neuen projekten widmen und nicht leute bashen, die sich im nachgang darüber gedanken machen möchten.

Die Demo zum Polizeikongress ist eine Zäsur, da sie die aktuelle Handlungsunfähigkeit und strukturellen Niedergang der Autonomen in Berlin dokumentiert. Vermutlich ist es grade die Vorstellung von "unkontrollierten Demos und Aktionen" die Teilen der autonomen Bewegung derzeit im Wege steht. Denn die Form wird hier zum Selbstzweck erklärt. Militanz für sich genommen ist jedoch kein Ausdruck der Tiefe des Bruchs mit den Verhältnissen. Von vielen scheint dies allerdings in einem avantgardistischen Sinn zum Königsweg und der strahlenden Kirsche auf der Sahnehaube erklärt zu werden. Durch diesen verengenden Fokus auf Aktionismus werden viele Genoss*innen vor allem erstmal abgehängt und ausgeschlossen. 


Nichts gegen ein konfrontatives Demokonzept. Es muss nicht immer eine Latschdemo sein. Aber wer keine Menschen mitnimmt die erstmal nicht soviel Freude am rein subkulturellen Rabbatz haben (vielleicht ja auch nur weil es nach dem 50. Mal nicht mehr so spannend ist und der tatsächliche revolutionäre Erfolg in solchen Dauerschleifen subjektiv eher als mäßig empfunden wird) und inhaltlich keine Anschlusspunkte für andere Millieus und gesellschaftliche Gruppen herstellt, braucht sich auch nicht wundern wenn "Spontis" über Facebook und Co zu einer Selbstauflösung autonomer Strukturen führen.

 

Der Weg aus dieser Krise autonomer Strukturen läuft auch nicht über irgendwelchen taktischen Unsinn, z.B. Diskussion um Auftaktplätze oder zutiefst patriarchale Phantasien wie Bullen am Besten verletzt werden können. Solche Positionen haben seit ein bis zwei Jahren vor allem im Internet über linksunten eine starke Verbreitung gefunden und führen insbesondere in Berlin in ein nicht mehr zu übersehendes zunehmendes politisches Vakuum bis zur Handlungsunfähigkeit. Solche Defizite müssen auch benannt werden.

 

Der Weg einer Reorganisation führt stattdessen über eine Auseinandersetzung um politische Inhalte (wie können wir gesellschaftliche Diskurse verschieben), der Formulierung und Vermittlung von Zielsetzungen (was wollen wir politisch mit einer Demo kurz und langfristig erreichen) und dem Aufbau von Strukturen (wie schaffen wir es langfristig und nachhaltig zu agieren, auf Dauer mehr statt weniger zu werden, radikale Politik und auch militante Praxis in der Breite weiterzuentwickeln).

was ist daran patriarchal über Verteidigungs- und Angriffsstrategien gegen die vom Staat bezahlten Prüglepolizisten zu diskutieren?

Du scheinst in alten Rollenbildern hängenzubleiben:)