Aktionen gegen Schwarzfahr-Kriminalisierung - Teil 2: Von München nach Frankfurt mit unfreiwilligen Zwischenstopps

Umsonst fahren für alle

Am Montag und Dienstag (2./3. 3.) fand eine Reihe angekündigter sowie spontaner Aktionsschwarzfahrten statt. Anlass waren 3 Prozesse wegen Schwarzfahren mit Hinweisschild - einer in München (2.3.) und zwei in Gießen (3.3. und 5.3.). Dies ist der zweite Teil der Aktionsberichte über die Fahrten nach Frankfurt voller ungewollter Zwischenhalte und kurioser Begegnungen.

 

Als die Aktivistis, die schon am Vormittag fahrscheinfrei nach München gefahren sind und dort einen Prozess geführt/ besucht (und zur Einstellung gebracht) hatten, von diesem zurückkamen, mussten sie feststellen, dass gegen 17.45 Uhr absurderweise kein einziger Regionalzug mehr von München Richtung Frankfurt fuhr.

So war die Wahl schnell auf den ICE über Nürnberg und Würzburg gefallen. Also eingestiegen, Flyer verteilt, Debatten geführt - das ganze Programm.

Doch schon nach kurzer Zeit wurden die Aktivistis von aggressiven Schaffnern in den Zwischenbereich zweier Waggons buchsiert, teilweise mit ungeahnten körperlichen Übergriffen seitens der Bahnmitarbeitenden. "Spaßvögel" und "illustrer Zirkel" waren da die nettesten Titel, die man den Freifahrenden gab.

Einer der Schaffner holte einen Bullen hinzu, der sich zufällig im gleichen ICE auf dem Heimweg befand, weil er die Aktivistis wohl nicht alleine "bewachen" wollte.

Alle drei (Bulle, Schaffnix und Zugchef) waren sichtlich überfordert und wussten keinen Umgang mit den frechen Schwarzfahrenden, die sich nicht einschüchtern oder kleinreden ließen. Raus aus dem Zug ging es beim nächsten Halt in Nürnberg trotzdem.

Wie versprochen wartete die Bundespolizei schon.

Doch zur Überraschung der Aktivistis empfing sie die Bundespolizei mit Sätzen wie "Ach sie sind das, wir haben im Radio schon von ihnen gehört..." und stellten sogar die Frage, ob sie nicht Fotos von ihnen mit ihren Schildern machen dürften.

Erst im Nachhinein erfuhren die für Nulltarif streitenden, dass zu dem Zeitpunkt schon längst eine Pressemitteilung der Bundespolizei veröffentlicht wurde.

Die PM der Bundespolizei trägt die reißerische Überschrift

"Bundespolizei warnt! "Schwarzfahren mit Kennzeichnung" ist Straftat der Leistungserschleichung gem. 265a StGB"

Das ist nicht nur praktische Öffentlichkeitsarbeit für die Aktion (durch diese PM entstand das wohl schönste Bild der Aktion), sondern könnte auch aus rechtlicher Sicht noch spannend werden. Denn: Noch nie war die fahrscheinlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel SO eindeutig legal und rechtmäßig wie in diesem Fall!

Jede*r, der*die hier allen ernstes von einer Erschleichung spricht, macht sich größtmöglich zum Deppen, denn ALLE, die den Aktiven begegneten, wussten ganz genau, dass diese fahrscheinlos unterwegs waren (siehe auch der rechtliche Hintergrund).

Die Bundespolizei gibt damit also mindestens rechtlich undifferenzierte Auskünfte, einer der Aktivistis geht sogar noch weiter

 

"Hier wird ganz klar deutlich, dass sich auch die Bundespolizei munter am Hin- und Herbiegen des §265a beteiligt. Sie steht damit in einer Reihe mit Richter*innen und Staatsanwält*innen, die sich jede*r eine andere absurde  Begründung ausdenken, warum der Straftatbestand trotz vorhandener Kennzeichnung erfüllt sei. Es gibt zu dieser Frage einfach keine eindeutige Rechtsprechung. Umso abenteuerlicher, dass sich nun auch die Bundespolizei beteiligt und einfach mal kühn (und übrigens ohne Quelle) behauptet, Schwarzfahren mit Kennzeichnung sei selbstverständlich auch strafbar. Für uns ist klar, dass sie damit eine falsche Rechtsauskunft gibt.

Der Grund für dieses Manöver der Polizei ist allerdings auch nicht schwer zu erraten: Sie fürchten Nachahmer*innen!

Lasst uns also dafür sorgen, dass diese Angst berechtigt ist und noch weitere Aktionen folgen!"

 

 

In der Polizei-Pressemitteilung heißt es weiter

Bei rund zehn Personen, die mit Kennzeichnung aber ohne Fahrschein in Zügen der Deutschen Bahn AG bzw. der S-Bahn München GmbH zum Hauptbahnhof reisten, wurden die Personalien festgestellt. In einem Fall einer vierköpfigen Gruppe, die mit Transparenten und Flyern im RE 57507 aus Memmingen kurz nach 12 Uhr am Gleis 28 am Hauptbahnhof ankamen, hatten alle vier keinen Fahrschein. Die vier waren bereits in Kempten zugestiegen und hatten auf der Flucht vor dem Zugbegleitpersonal den Wagen bei einem Unterwegshalt kurzfristig gewechselt.

Dazu ein weiterer Aktivist:

"Typisch, dass die Bundespolizei denkt, wir wären 'Auf der Flucht vor dem Zugbegleitungspersonal' gewesen. Tatsächlich aber waren da zwei aneinander gekoppelte kurze Züge, deswegen war für uns klar: Wenn wir mit dem hinteren Zugteil fertig sind (mit Flyerverteilen & Co), gehen wir halt in den Vorderen. Dem Schaffnix hatten wir zu dem Zeitpunkt schon längst ebenfalls einen Flyer in die Hand gedrückt, denn:

Uns zu verstecken, war ja nie Teil unserer Aktion - ganz im Gegenteil!"

 

Sobald die Polizist*innen wieder fort waren, taten die in Nürnberg aus dem Zug geschmissenen, was sie den ganzen Tag über schon getan hatten: Sie stiegen in den nächsten Zug. Wieder ICE nach Würzburg. Das Kuriose daran: Durch einen Personalwechsel begegneten sie den selben Schaffnern von vorher noch einmal.

Diese bekamen dementsprechend Sprüche zu hören wie "Tja - hättet ihr uns eben nicht rausgeschmissen, wärt ihr uns jetzt los..."

Trotzdem bestand die Zugbegleitung darauf, am nächsten Bahnhof wieder die Bundespolizei zu verständigen und die Freifahrenden rauszuschmeißen.

Dennoch entstand die Fahrt über ein (mindestens im Vergleich zu vorher) sehr entspanntes und teilweise inhaltlich sehr konstruktives Gespräch mit dem Schaffner, der die Fahrt vorher noch am Rumpöbeln war, in das auch immer wieder vorbeigehende Fahrgäste einstiegen.

 

Also auch nächsten Bahnhof: Déjà-vus...

Wieder Rausschmiss, wieder ein Haufen Bundespolizist*innen und: Wieder die Frage, ob Fotos gemacht werden dürften mit anschließendem kollektiven 'Smartphone-Zücken' der Beamt*innen, die mittlerweile erst recht relaxed waren und auch nicht mehr taten, als die Personalien der Nulltarif-Aktivistis ein x. Mal aufzunehmen.

dazu ein Teilnehmender der Aktion:

"Hier hat sich (nicht zum ersten mal an diesem Tage) gezeigt, dass inhaltliche Debatten und die Vermittlung politischer Position gerade dann möglich war, wenn die uns gegenüberstehenden Personen (Bullen, Kontrollettis etc.) merkten, dass wir nicht klein beigaben, sondern dabei blieben, diese Aktion durchzuziehen. Ich finde dass wir es in den allermeisten Situationen sehr gut hingekriegt haben, uns dann doch auf Gespräche (u.a. über Nulltarif oder den Sinn und Unsinn von Strafen) einzulassen, ohne von unserer Aktion abzukommen. Durch das (argumentative) 'Gegenhalten' waren teilweise sogar mit Polizist*innen Debatten über Utopien und herrschaftsfrei Gesellschaften möglich..."

 

Erst auf einer der letzten darauf folgenden Regionalbahnfahrten nach Frankfurt, begegneten die Aktivistis einem einigermaßen wohlgesonnen Zugbegleiter, der sich die ganze Fahrt über mit ihnen über verschiedenste Themen unterhielt.

 

  • Hinweis: Die weiteren Berichtsteile (Überblick)
    • Teil 1: Fahrt nach München, Aktionen dort und der erste Prozess
    • Teil 2: Dieser Text hier.
    • Teil 3: Von Frankfurt nach Gießen und der Prozess in Gießen
    • Teil 4: Prozess am 5.3. in Gießen
  • Informationen, Gesetzestexte und -kommentare, Urteile und Studien zum Nulltarif unter www.schwarzstrafen.de.vu.
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