Was war am 08.02.15 in Ludwigshafen eigentlich los? Nachbereitung von GET UP! über die Ereignisse an diesem Tag - Am 08.02.2015 hat in Ludwigshafen der erste, bundesweite Aufmarsch der HoGeSa- Nachfolgeorganisation „Gemeinsam Stark Deutschland“ [GSD] stattgefunden. Gleich vorneweg können wir sagen, dass uns trotz der massiven Repression gegenüber Antfaschist_innen, vieles am 08.02. in LU gefallen hat! An einigen Punkten sehen wir aber durchaus noch Potential für Verbesserungen und erhoffen uns, durch unsere Auswertung, einen Beitrag zu einer Diskussion darüber beizusteuern.
Mobilisierung
Die Mobilisierung nach Ludwigshafen lief nach unserer Einschätzung allenfalls durchwachsen. Obwohl der Termin bereits Anfang Januar bekannt wurde und im Vorfeld an diesem Tag mit bis zu 1000 Nazis, Hooligans und Rassisten gerechnet werden musste, waren die Reaktionen der radikalen Linken in der Rhein-Neckar-Region - und darüber hinaus - insgesamt eher verhalten. Erst Ende Januar nahm die Mobilisierung dann etwas Fahrt auf.
Auch auf die Gefahr hin, als altmodisch zu gelten, waren wir irritiert darüber, dass die klassische Straßenmobilisierung mit Plakaten und Flyern fast völlig fehlte. Wir sind aber der Meinung, dass diese auch im digitalen Zeitalter notwendig ist und Menschen über Facebook, Twitter und Co hinaus erreicht werden können und sollen.
Gefreut haben wir uns natürlich über die Zugtreffpunkte aus Teilen Baden-Württembergs und der Pfalz. Darüber hinaus ist es uns aber anscheinend kaum gelungen zu mobilisieren. Im Nachhinein ist schwer zu beantworten, ob dies an der unterschiedlichen Bewertung des GSD-Aufmarsches, dem Ruf Ludwigshafens als schwieriges Terrain für antifaschistische Aktivitäten oder den Unzulänglichkeiten bei der Mobilisierung der lokalen Strukturen lag.
Das Verbot des Aufmarsches führen wir aber in Teilen auf die antifaschistische Mobilisierung zurück. In der Vergangenheit hatte die Stadt Ludwigshafen noch jeden Naziaufmarsch ohne Einschränkungen durchgewunken und hatte dies auch für den 08.02. anfänglich angekündigt. Erst nachdem es öffentlichen Druck gab und auch bundesweite Medien über die geplante Nazidemo berichteten, entschied sich die Stadt den Nazis nur eine Kundgebung zu gewähren.
Antifaschistische Proteste
Der Tag begann für die meisten Antifaschist_innen mit der Auftaktkundgebung vom Bündnis „Mannheim gegen Rechts“ am Paradeplatz in Mannheim, um anschließend gemeinsam als Demonstration nach Ludwigshafen zu ziehen. Hier haben wir mit mehr Teilnehmer_innen gerade aus dem bürgerlichen Spektrum gerechnet, hatten doch erst wenige Wochen zuvor 12 000 Menschen auf der Demo „Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen“ ein Zeichen gegen die aktuellen rassistischen Mobilisierungen gesetzt.
Dennoch haben wir die Demo als guten Ansatz empfunden, möglichst vielen Menschen eine sichere Anreise nach Ludwigshafen zu ermöglichen und durch den Antifablock bereits bei der Ankunft in Ludwigshafen handlungsfähig zu sein.
Ebenso richtig fanden wir es, dass dieser Antifablock auf einen Zwischenstopp auf dem Bürgerfest am Theaterplatz verzichtet und stattdessen als Spontandemo den direkten Weg Richtung Nazikundgebung gewählt hat. Auch Absperrungen von den Bullen konnten die Leute nicht daran hindern, direkt zum Bahnhof zu gelangen. Erst in unmittelbarer Nähe des Auftaktkundgebungsortes der Nazis konnte die Polizei die Demo stoppen und einen Teil einkesseln. Damit war aber auch das polizeiliche Konzept der strikten räumlichen Trennung gescheitert und in der Folge konnten immer mehr Menschen den Bahnhof erreichen.
Mehrere hundert Menschen sorgten hier für wahrnehmbaren Protest und durch direkte antifaschistische Aktionen musste der ein oder andere Nazi ohne Kundgebungsbesuch die Heimreise antreten. So etwas hat es in Ludwigshafen auf jeden Fall schon länger nicht mehr gegeben.
Vor dem Hintergrund des angekündigten größten Polizeieinsatzes in der Geschichte von Rheinland-Pfalz und der Tatsache, dass Ludwigshafen (noch) eine Nazihochburg ist, werten wir die offensiv ausgerichteten antifaschistischen Aktivitäten als Erfolg.
Nazis, Hools und Rasist_innen
GSD ist es bei Weitem nicht gelungen, an die HoGeSa-Mobilisierungserfolge von Köln oder Hannover anzuknüpfen. Auch die als selbstgestecktes Ziel ausgegebenen 1000 Teilnehmer_innen wurden nicht erreicht. Es ist weder gelungen, in der Hooliganszene größere Resonanz zu erlangen, noch ins bürgerliche Spektrum hineinzuwirken. Die Zusammenkunft wirkte eher wie ein Schaulaufen der örtlichen Naziszene, gepaart mit einigen Möchtegernhools und frustrierten Ludwigshafener Rassist_innen.
Die Gründe für diesen Mobilisierungsflop dürften vielschichtig sein:
Zum einen scheint die Aufarbeitung der Ereignisse von Köln und Hannover auch in der rechten Hoolszene Wirkung entfaltet zu haben. Zahlreiche Akteure wurden durch antifaschistische Recherche und mediale Berichterstattung öffentlich gemacht, auch in den Vereinen und Fanszenen setzte eine breite Debatte über HoGeSa ein. Hinzu kamen die Querelen und letztlich die Selbstdemontage des internen Organisationskreises des Vorläufers HoGeSa. Die Selbstbezeichnung „Gemeinsam stark“ entbehrt auch deshalb nicht einer gewissen Ironie.
Zum Anderen dürfte das städtische Verbot des Aufmarsches und des Kategorie-C- Konzertes bei der Auftaktkundgebung weitere potentielle Teilnehmer_innen abgeschreckt haben.
Letztendlich fanden sich die Nazis abgeschottet am Ludwigshafener Bahnhof mit marginaler Außenwirkung wieder. Die teilweise skurril anmutenden Redebeiträge ließen auch einen Teil der Nazis lange vor offiziellem Kundgebungsende das Weite suchen.
Repression und Reaktionen
Die Repression durch die rheinland-pfälzische Polizei an diesem Tag war besonders heftig. Es ist für die radikale Linke in der Rhein-Neckar-Region unerlässlich, eine passende Antwort auf die Massenfestnahmen zu finden.
Auch für die bestehenden Bündnis-Strukturen wird dies zum Prüfstein. Wir finden die schriftliche Stellungnahme von „Mannheim gegen Rechts“ in Ordnung, weil hier Spaltungsversuchen in gute und böse Nazi-Gegner_innen eine Absage erteilt wurde. An dem Tag selbst hätten wir uns aber eine ähnlich klare Positionierung und Solidarisierung z.B. in Form von Durchsagen oder Redebeiträgen gewünscht.
Die Tatsache, dass bei der Spontandemo ein paar Scheiben von Streifenwagen zu Bruch gegangen sind und Bengalos gezündet wurden, dient nicht nur als Rechtfertigung für ca. 150 Festnahmen, sondern sorgte auch für einen medialen Shitstorm in nicht gekanntem Ausmaß.
So ließ es sich z.B. der „Mannheimer Morgen“ nicht nehmen, die Kommentare von offensichtlich rechtsradikalen Internet-Usern abzudrucken. Am Demotag selbst wurde über den Twitteraccount der Mannheimer CDU-Stadträtin Rebecca Schmidt-Illert die Lüge verbreitet, ein Polizeiauto wäre angezündet worden. Leider wurde dies nicht nur von diversen Möchtegernjournalisten_innen, Twitterusern_innen und sonstigen Wichtigtuern_innen ungeprüft weiter verbreitet, sondern geisterte auch als Gerücht auf den Gegenaktionen umher. Hier bitten wir alle sich zukünftig nicht an derartigen Mutmaßungen und Gerüchten zu beteiligen. So etwas hat bei politischen Aktionen einfach nichts zu suchen.
Fazit und Ausblick
Wir finden, bei allen negativen Aspekten, lief der Tag besser als erwartet. Derart motivierter, antifaschistischer Widerstand tut Ludwigshafen sehr gut. Natürlich sind die vielen Festnahmen schmerzhaft. Natürlich müssen wir dieser Repression gemeinsam entgegentreten. Wir möchten alle Betroffenen bitten, sich, falls noch nicht geschehen, an die Rote Hilfe zu wenden.
Auch in Zukunft wird es für alle Antifaschist_innen in der Region weiter viel zu tun geben. So mobilisieren aktuell Nazis in der Ludwigshafener Bayreuther Siedlung und in Limburgerhof (Rheinpfalz-Kreis) massiv gegen Flüchtlinge. Um darauf die passende Reaktion zu finden, ist es unabdingbar, sich nicht spalten zu lassen und verschiedene Aktionsformen gleichberechtigt zu behandeln oder im besten Fall miteinander zu kombinieren.
GET UP! - eine undogmatische linke Gruppe aus Mannheim.
links
besagte stellungnahme von manneheim gegen rechts:
http://web82.krusty.kundenserver42.de/2015/02/11/erfolgreiche-solidarita...
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