Die Angst des Antifaschismus vor seiner eigenen Idee

Wenn man von Antifaschismus redet, könnten man meinen, dass alle dasselbe meinen. Dieser scheinbare Konsens zeigt sich am deutlichsten auf der Straße, wenn es darum geht, einen Neonazi-Aufmarsch zu verhindern oder einen Parteitag neonazistischer Organisationen (NPD, Republikaner) zu blockieren. Doch damit sind die Übereinkünfte bereits beschrieben und ziemlich ausgereizt.

 

Wirklich schwierig, also spannend wird es hingegen, wenn man sich fragt: Welche politischen Positionen, Organisationen und Parteien würden wir mit faschistischem Gedankengut und Theoremen in Verbindung bringen? Wie weit soll und darf ein Bündnis reichen, wenn es gegen Neonazismus und Faschismus geht? Welche Faschismustheorie ist den verschiedenen politischen Ansätzen hinterlegt? Welche Bedeutung haben heute neonazistische Organisationen und Parteien für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung?

Wie wichtig es ist, diese Debatte zu führen, verdeutlicht kaum besser die überwiegende Reaktion im antifaschistischen Spektrum, nachdem die Existenz eines neonazistischen Untergrundes (NSU-Netzwerk) nicht mehr zu verleugen war. Man hätte einen gewaltigen Aufschwung antifaschistischer Aktivitäten erwarten können, eine massive, offensive Einmischung in die Art medialer und politischer Aufklärung, die seitdem betrieben wird. Doch genau das, wovor viele antifaschistische Gruppierungen seit Jahren gewarnt haben, hat sie mehr erschreckt, als jene, die dies seit Jahrzehnten gedeckt haben – bis heute.

Im Folgenden geht es darum, in Zehnjahresschritten die verschiedenen Phasen des Antifaschismus zu charakterisieren, um die sehr unterschiedlichen politischen Positionen unter sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen herauszuarbeiten. Mit diesem groben Skizze möchte ich in zweiten Teil dieses Beitrages der Frage nachgehen: Warum ist der Antifaschismus so sprach- und hilflos, wenn es um die politische Einordnung des Nationalsozialistischen Untergrundes/NSU geht, wenn es um die Frage geht: Welche Rolle spielen staatliche Behörden beim Entstehen, beim Ausrüsten, beim Gewährenlassen des NSU? Warum überschreitet die Antifa in aller Regel nicht das Erklärungsarsenal bürgerlicher Medien? Warum sieht die Antifa in anderen Ansätzen nicht eine Chance (zur Diskussion, zur Auseinandersetzung), sondern vor allem Verschwörungstheorien?

Der Antifaschismus der 80er Jahre

Die meisten außerparlamentarischen, autonomen, militanten Gruppen, bis hin zum Kommunistischen Bund/KB, der damals stark in die Bewegungen hineinwirkte, verstanden Antifaschismus nicht als eigenes Aktionsfeld – mit der Notwendigkeit, sich in Antifa-Gruppen zu organisieren. Der Schwerpunkt fast aller Aktivitäten lag in der Auseinandersetzung mit kapitalistischen Entwicklungen (Häuserkampf, Anti-AKW-Kampf) und ihren imperialen Auswirkungen (Anti-Kriegs-Bewegung, Kampf gegen die Remilitarisierung, Internationalismus). Es ging darum, den

Es ging darum, den Ist-Zustand zu bekämpfen, mit Vorstellungen von einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft - Protest an der Startbahn West Es ging darum, den Ist-Zustand zu bekämpfen, mit Vorstellungen von einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft – Protest an der Startbahn West

Ist-Zustand zu bekämpfen, mit Vorstellungen von einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft (in Gestalt anarchistischen, autonomer, basisdemokratischen Utopien). Die Gefahr, im Kampf gegen neonazistische Aktivitäten den Ist-Zustand gegen eine mögliche Verschlimmerung zu verteidigen bestand kaum. Die Erfahrungen, die man mit diesem kapitalistischen Staat gemacht hat, die bürgerlichen Parteien, die sich in Gestalt von Opposition und Regierung bei der Optimierung abwechselten, standen im Zentrum des politischen Handeln und Denkens. All das führte zu einer großer Distanz zu einem Antifaschismus, der alle ›demokratischen Kräfte‹ im Kampf gegen den Neonazismus vereinen wollte. Das waren damals vor allem die DKP, die VVN und Gruppierungen, die ihnen nahe standen. Unentwegt und unbeirrt rief man dazu auf, mit allen demokratischen Parteien (von CDU bis SPD) zusammen dem Neofaschismus entgegenzutreten.

Diese breite Bündnispolitik verstanden sie als Lehre aus dem deutschen Faschismus. Nur wenn alle demokratischen Kräfte vereint dem neuen Faschismus die Stirn böten, seien die Lehren aus dem Scheitern des Antifaschismus der 30 Jahre, die Lehre aus der Zerstrittenheit zwischen der SPD und der KPD gezogen. Für uns war diese Analyse nicht nur falsch, sondern auch unerträglich: Warum sollten wir mit der CDU und SPD zusammen auf die Straße gehen, wo doch gerade diese Parteien beispielsweise die Startbahn 18 West genauso durchprügelten wie das Atomprogramm. Demokratische Parteien, die völlig geeint darin waren, Deutschland wieder zu einer militärischen Großmacht zu machen. Parteien, die vollends darin übereinstimmten, jede Alternative zum Kapitalismus mit allen Mitteln zu verfolgen, mit Verschärfungen des politischen Strafrechts, mit Berufsverboten, mit dem immer rasanteren Ausbau von Repressionsorganen – bis hin zur Legitimierung von gezielten Todesschüssen.

Zum anderen suggerierte eine solche Bündnispolitik eine Dramatik, in der der Faschismus kurz vor der Machtergreifung stände und ein Hintenanstellen politischer Differenzen nötig machen würde. Die ständige, unterschwellige Beschwörung eines neuen ›33‹ übertrieb nicht nur die Bedeutung neofaschistischer Parteien. Sie ignorierte genau so die Abwesenheit einer gesellschaftspolitischen Situation, die den Faschismus zur Lösung der herrschenden Krise nahelegte. Im Alltag Vieler war nicht die NPD, sondern die demokratischen Parteien von CDU bis SPD das Hauptproblem.

Antifaschismus der 90er Jahre

Der Höhepunkt sozialer Bewegungen war überschritten, die Massenmilitanz stieß an ihre Grenzen. Die Frage, wie man fließende Bewegungen und verbindliche Organisationsformen zusammenbringen kann, stand im Raum, als der große Himmel zusammenbrach, der sich darüber wölbte: Der sozialistische Ostblock implodiert, der kapitalistische Westen erklärte sich fortan für alternativlos.

Eine bis dahin nicht für möglich geglaubte Pogromwelle erfasste das wiedervereinigte Deutschland. Flüchtlingsheime wurde belagert, Wohnhäuser angezündet, Menschen, die nicht deutsch genug waren, wurden angegriffen, zusammengeschlagen und verbrannt. Dass es dieses stillgelegte Potenzial an rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Lebenshaltungen gab, konnte sich viele (in der Linken) irgendwie erklären. Was jedoch in dieser Art und Eindeutigkeit neu war, war die Haltung der Regierenden: Sie forderten geradezu dazu auf, das selbst induzierte Thema »Asylmissbrauch«, »Das Boot ist voll« selbst in die Hand zu nehmen. Nicht wenige, die in den 90er Jahren an Pogromen beteiligt waren, verstanden ihr Tun als einen Art Regierungsauftrag. Dazu gehörte auch die neonazistische Kameradschaft ›Thüringer Heimatschutz‹, aus der einige Mitglieder des NSU hervorgingen.

Dieses mörderische Zusammenspiel aus Oben und Unten, Regierenden und Regierten versuchten einige Analysen einzufangen: Zum einen wurde eine deutliche Verschiebung der Herrschaftsstabilatoren festgehalten: War die Zustimmung zur jeweiligen Regierungspolitik bislang sehr stark von einem ›passiven Konsens‹ getragen, so verschob sich dieses hin zu einem ›rassistischen Konsens‹, der sich aktiv konstituierte. Mit Rassismus stellte man sich nicht mehr außerhalb der (guten) Gesellschaft, man generierte eine neue Mitte. Diese neue Mitte wollte endlich wieder einen »gesunden« Nationalstolz (aus-)leben, einen Nationalismus rehabilitieren, der bis in die 80er Jahre als Hebebühne des deutschen Faschismus verstanden wurde.

Das Konstatieren eines ›rassistischen Konsens‹ hatte eine gute und eine gefährliche Seite. Wichtig und notwenig war dieser Begriff, um deutlich zu machen, dass man nicht alles nach oben abschieben kann, dass die da unten mehr als Verführte und Opfer falscher Parolen sind. Gefährlich wird dieser Begriff indes, wenn er nur jene vor Augen hat, die man sieht (auf der Straße, als Mob, als Neonazis) und nicht diejenigen, denen wir selten begegnen: in den Büros, in den Dienststellen, in den Abgeordnetenräumen. Bereits zu dieser Zeit war demzufolge umstritten, welche Bedeutung diejenigen haben, mit denen wir auf der Straße konfrontiert sind und jene, die wir nie zu Gesicht kommen. Mit der Entscheidung, den Aufruf zur Blockade des Bundestages 1993 mit der Parole: Die Brandstifter sitzen in Bonn zuzuspitzen, wollten wir eine Abwägung treffen, die nicht nur die unmittelbar Beteiligten abbildet, sondern eben auch das Machtgefälle und die Herrschaftsverhältnisse.

Andere Analysen sahen in dieser blutigen Entwicklung mehr als einen eliminatorischen Rassismus. Für sie schienen Konturen eines ›Vierten Reiches‹ auf, eine diktatorische Ordnung im Inneren und die Wiederbelebung eines ›Großdeutschlands‹, das auch mit Krieg, gegebenenfalls auch gegen die bisherigen Alliierten durchgesetzt werden soll.

Diese sehr epochalen globalen wie nationalen Umbrüche hatten weitreichende Auswirkungen: Der Himmel an Utopien brach zusammen, der innere Kompass, mehr zu wollen als den real existierenden Kapitalismus, verlor die Orientierung. Die Nadel schlug nervös in alle Richtungen aus. Auch wenn die Negativ-Utopie vom drohenden ›Vierten Reich‹ weder in der Analyse, noch in der Konsequenz (breit) diskutiert wurde, so spiegelte sich doch eine latente Stimmung wider: Jetzt geht es erst einmal nur darum, noch Schlimmeres zu verhindern, das zu verteidigen, was einem noch nicht genommen wurde. Diese äußerst defensive Haltung war auch ganz materiellen Veränderungen geschuldet: Gehörte ab Ende der 60er Jahre ›die Straße‹ einer systemkritischen Opposition, den Ungehorsamen, so verwandelte sich die Straße – mit Beginn der Pogrome – an vielen Orten der BRD in einen sicherer Ort derer, die sich nach Herrschaft und Unterwerfung sehnen.

Angesichts dieser Kräfteverhältnisse, angesichts des Verlustes der ›kulturellen Hegemonie‹ (im Sinne von: wer initiiert den Konflikt, wer hat Legitimität versus Recht, wer dominiert die Zuspitzung) verwundert der Ausgang dieses Rückzugsgefechts nicht sonderlich: Die Abschaffung des Asylrechts konnte 1993 fast widerstandslos durchgesetzt werden. Danach sollten ›Lichterketten‹ und das Lifting eines ›anständigen Deutschlands‹ die Brandspur des Rassismus ablöschen. Der Exzess der Straße wurde in ein geregeltes, institutionalisiertes (Asyl-) Verfahren überführt. Die sich darin engagierte Linke erschöpfte sich und neonazistische Gruppierungen und Kameradschaften schufen eine gut verankerte und bestens ausgestattete Infrastruktur, die auch ohne ›Masse‹ auskommt – bis hin zum Aufbau terroristischer Strukturen.

Antifaschismus im 21. Jahrhundert

Selten kann man so eindrucksvoll nachzeichnen, wie sich weltpolitische, imperiale Verschiebungen nach unten hin durchzeichnen – bis hin zu einem Antifaschismus, der das ganze erste Jahrzehnt im neuen Jahrhundert prägen sollte. Mit den mörderischen Anschlägen 2001, die heute nur noch piktografisch als 9/11 bezeichnet werden, machte die Herrschaft der Alternativlosigkeit Tabula rasa mit der alten Weltordnung aus den Zeiten zweier hegemonialer Blöcke (Kapitalismus – Sozialismus). Das Fell der Unterlegenen sollte neu verteilt werden.

Der Krieg gegen Afghanistan, gegen den Irak, war am aller wenigsten Kampf gegen Terror, gegen Diktaturen und Despotie. Es war der Auftakt, die imperialen Einflusszonen neu zu vermessen. Dazu gehörte auch, dem (vermeintlichen) Erzfeind des kapitalistischen Westens ein neues Gesicht zu verpassen: Der Islamismus. Ein Paradigmenwechsel. Was über 40 Jahre als Kampf gegen Kommunismus verkauft wurde, wird nun mit dem Kampfes gegen den Islamismus gelabelt.

Heute wissen wir, dass diese Kriege, die einen permanenten Kriegszustand (›Krieg gegen den Terror‹) etabliert haben, nicht nur in Afghanistan, im Irak, in Libyen oder Syrien toben. Auch die Gesellschaften der kriegswilligen Nationen wurden der Kriegslogik unterworfen. Allen voran die US-amerikanische und die britische Regierung haben ein globales Überwachungssystem aufgebaut, das nicht nur der Identifizierung von Kriegszielen dient, sondern auch der wechselseitigen Totalerfassung ihrer Bevölkerungen. Was in den 70er und 80er Jahren in einigen Regierungsstäben für wünschenswert erachtet wurde, aber an den technischen Möglichkeiten und am Widerstand der Bevölkerung scheiterte, ist heute Realität geworden: ein totalitäres System.

Parallel zu dieser stillen Implosion institutioneller Beschränkungen, wurden in fast allen westlichen Staaten ›Anti-Terror-Gesetze‹ verabschiedet, die konstitutionelle (Schutz-)Rechte gegenüber dem Staat einschränkte bzw. aufhoben.

Was hat das alles mit Antifaschismus zu tun?

Im Jahr 2000 erfand die rot-grüne Bundesregierung das »anständige Deutschland« und rief zu einem angeleiteten und staatlich geförderten ›Aufstand der Anständigen‹ auf. Nicht viel später sollte diese Regierungsoffensive den vieldeutigen Namen ›Staatsantifa‹ bekommen.

Heute weiß man, dass zahlreiche deutsche Behörden spätestens seit 1998 über den Aufbau terroristischer Strukturen im Umfeld neonazistischer Kameradschaften bestens informiert waren. Sie statteten sie aus, sie ließen sie laufen, sie verhinderten mögliche Festnahme. Wenn man davon ausgehen kann, dass diese Bereitschaft neonazistischer Gruppierungen zu terroristischen Aktionen bekannt war, dann bekommt der ausgerufene ›Aufstand der Anständigen‹ eine ganz andere Einfärbung. Im Wissen um diese bewaffneten neonazitischen Gruppierungen, hätte man diese selbst ›entwaffnen‹, ihren Aufbau im Keim ersticken können. Tatsächlich beschränkte man sich jedoch vor allem darauf, die Opfer besser zu versorgen, zu betreuen. Zahlreiche Programme wurden dazu aufgelegt, wie die Mobile Opferberatung oder anderen Anlaufstellen für ›ausländerfeindliche Übergriffen‹.

Diese millionenschwere Programme schufen neue Arbeitsplätze und brauchten – nach Möglichkeit – qualifiziertes Personal. Auf diese Weise konnten viele Antifas ihr politisches Engagement in ein einigermaßen sicheres Arbeitsverhältnis transferieren. Dass das verächtlich gemeinte Wort von der Staatsantifa nicht nur auf ihre rot-grünen Ziehväter gemünzt war, sondern auch auf Antifas, die Bewegungswissen nun in Staatswissen überführten, hat auch innerhalb antifaschistischen Zusammenhänge zu Kontroversen geführt. Ob die Schwäche der antifaschistischen Bewegung diese wichtige Auseinandersetzung begrub oder der Paradigmawechsel, der die Antifa sehr bald in zwei verfeindete Lager teilen sollte, ist sicherlich nicht so einfach zu beantworten.

Nicht nur das Anwerben von Antifas für staatsnahe Aufgaben rüttelte gewaltig an einem ungeschriebenen antifaschistischen Grundsatz: Antifaschismus ist nicht mit, sondern nur gegen diesen Staat durchsetzbar.

Tatsächlich schlugen auch die bereits angerissenen globale Umbrüche bis zur Antifa durch. Viele Antifa-Gruppen machten sich die Theoreme des ›Kriegs gegen den Terror‹ nach 2001 zu eigen und sahen im Islamismus die tödliche Gefahr, den gemeinsamen Weltfeind Nr.1. Was manche Kriegsherren (die sich tatsächlich auf dem Schlachtfeld aufhalten) nur sehr spärlich vermengten, machte ein Teil der Antifa um so ungenierter und öfters: sie setzte das, was sie für Islamismus hielt mit Faschismus gleich und generierte daraus einen religiösen Faschismus. Damit hatten imperialistische Staaten nicht nur eine kleine Menge deutscher AntifaschistInnen zum (gänzlich überflüssigen) Freund. Mit dem Kurzschließen von Islamismus und Faschismus war de facto ein neuer Bündnispartner gefunden: Die US-Alliierten, die Wiederkehr, die Wiedergänger einer Anti-Hitler-Koalition. Mehr noch: Mit dieser Gleichsetzung katapultierte man sich in eine Zeit zurück, die die Zeit vor ›33‹ noch einmal nachstellte: Der Faschismus bedroht die Welt. Jetzt müssen AntifaschistInnen und KommunistInnen zusammen mit den imperialen Mächten (USA, Frankreich und England) den Faschismus (noch einmal) besiegen.

Anders gesagt: Solange der Kapitalismus von etwas noch Grausameren bedroht ist, muss man an der Seite kapitalistischer Staaten den Rückfall ins Vormoderne verhindern, die Errungenschaften des Kapitalismus gegen seine barbarischen Feinde retten. Dieser Teil der Antifa bezeichnet sich entweder selbst als ›anti-deutsch‹ oder steht dem antideutschen Spektrum (um die Zeitschrift ›Bahamas‹, die Wochenzeitung ›Jungle World‹, herum) sehr nahe. Auch wenn diese Strömung innerhalb antifaschistischer Gruppen abnimmt, so sind viele ihrer Theoreme doch noch lebendig.

Auch wenn sich die Selbstbezeichnung von Deutschen als Antideutsche für Außenstehende mehr als verwunderlich oder auf gewissen Weise typisch deutsch anhört, so steckt hinter dieser Antipode des Deutschseins ein tiefer Kern. Nicht dieser Kern ist das Problem, sondern der reaktionäre Boden, in den er eingegraben wurde.

Zweifellos haben die Pogrome, an denen sich Tausende, Zehntausende in den 90er Jahre beteiligt haben, viele Linke schockiert und fassungslos gemacht. Manche sprachen damals wie heute vom rassistischen Mob der Straße. Plötzlich bekamen die Namenlosen, die Wähler, die man nie zu Gesicht bekommt, die unauffällig und zuhause bleiben, ein Gesicht. Dass die Abschaffung des Asylrechts 1993 eine Herzenssache der politischen Mitte war, wozu man eine 2/3 Mehrheit im Bundestag mobilisieren mußte und diese auch bekam, ließ verständlicherweise an vielem zweifeln – auch an ›der‹ Bevölkerung.

Dass große Teile der Bevölkerung die Politik der Herrschenden teilen, ist ein Fakt, der schwer genug auszuhalten ist. Doch der reaktionäre Umschlag erfolgt dann, wenn man daraus eine anthropologische, unveränderliche, herrschaftsfreie Größe macht. Dass es in zahlreichen anderen Fällen auch eine Allianz aus ›Mob und Elite‹ gibt (diese Metapher ist in antideutschen Zusammenhängen sehr beliebt) ist unbestreitbar. Was jedoch politisch reaktionär und fatal ist, wenn daraus eine Gleichsetzung gemacht wird. Und genau dies wurde gemacht – theoretisch und in der sich daran orientierenden Praxis. Man eliminierte Herrschafts- und Klassenverhältnisse, die eben nicht verschwunden sind – sondern nur in diesem nationalen Konstrukt – ganz gleich, ob man dieses positiv oder negativ aufläd. Ein solcher Kurzschluss aus Oben und Unten, Weisungsbefugten und Folgsamen zerstört nicht reaktionäre Ideologien, sondern geht ihnen auf den Leim.

Das deutsche (Täter-)Kollektiv ist aus Blick der Opfer eine verständliche Sichtweise. Das ändert nichts daran, dass jede/r Einzelne darin eben nicht gleich ist. Derjenige, der vor einem Flüchtlingsheim rassistische Parolen ruft, ist eben nicht gleichzusetzen mit jenen staatlichen Bediensteten, die Flüchtlingsheime in eine Hölle verwandeln. Derjenige, der in einer neonazistischen Kameradschaft Mitglied ist, ist eben nicht gleichzusetzen mit denen, die sie gewähren lassen.

Und diejenigen, die im nationalsozialistischen Untergrund/NSU aktiv waren (und sind), sind nicht mit denen gleichzusetzen, die ihn – in staatlicher Funktion – mit angelegt haben, die dafür sorgten, dass die Terror- und Mordserie nicht gestoppt wurde, dass sie bis heute nicht aufgeklärt wird.

Und damit wären wir – zugegebenermaßen in großen Sprüngen – im Hier und Jetzt angekommen.

- Von Wolf Wetzel

Zum weiterlesen vom Autor: Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf?

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Das Antideutsche auch eine Reaktion der zunehmenden Überschneidung von ehemals linken Positionen mit Positionen von neofaschistischen und autonomen Nationalisten sind, diese Erkenntnis fehlt in dem Text offenbar. So wird das AntiD-Bashing dann leider auch langweilig weil falsch. Wolf Wetzel war auch mal mehr auf der Höhe autonomer Diskussionsstände. Überhaupt fällt auf das der Autor seine "besten Jahre" hinter sich hat. Zu Antifaschismus im 21. Jahrhundert ließe sich jedenfalls mehr erzählen als nur Krieg gegen den Terror. Zum Beispiel sind Konflikte autonomer Antifa Gruppen mit IL-Gruppen (Ex-Avanti und co), deren Bündnispolitik ersucht die linke Spektren zugunsten breiter Bündnisse in Richtung Mitte zu disziplinieren, weitaus bedeutsamer für den Niedergang der antifaschistischen Bewegung als eigenständige politische Kraft, wie irgendwelche hängengebliebenen Antideutsche Hipster.

Die Antideutschen, die in ihrem Linkenbashing, Kultur-Rassismus und (US)-Nationalismus, den Antifaschismus als letztes Tool linker Mobilisierungsfähigkeit genutzt haben, um ihr pseudo-intellektuelles Gerede als emanzipatorische Politik zu verkaufen, hier zu bescheinigen, dass sie die Linke vor den Autonomen Nationalisten gerettet haben.

Welche Pillen nimmst Du denn? Welcher Studi-Sekte gehörst Du denn an?

 

Schon lustig, wenn hier ein Platzhirsch mit herbeiphantasierter Deutungshoheit einem anderen seine Definitionsmacht weg-dissen will. Patriachales Rumgemackere. Das aber auch so durchsichtig am Alter einer Person festzumachen. Hast Du in einer öffentlichen Diskusision mit Wolf den kürzeren gezogen? Hast Du kein Facebook zum liken, dissen und dergleichen? Musst Du dafür Linksunten nehmen?

 

Und auf Höhe welcher Diskussion bitte? Das was hier an IL und ähnlichen Gruppen erwähnt wird spielt in vielen Regionen keine Rolle. Die gibt es da gar nicht. Und wenn, wären sie auch nur ein Ausschnitt des Antifaschismus. Falls Du also deine gruppeninternen Streitigkeiten irgendwo öffentlich austragen willst, dann kündige sie doch so:

Wir 300 aus 15 Gruppen mögen die 400 aus den 17 anderen Gruppen nicht. Aber wir sind 700 Leute und repräsentieren den Antifaschismus in Deutschland. Wir und unsere Klein-Klein-Streitigkeiten sind also sooooo wichtig.

Das ist so ein bischen wie Wolf Wetzels Versuch die bundesdeutsche Antifa-Geschichte zu dominieren: langweilig und falsch.

deinE vorrednerIn hat wohl eher gemeint, dass antideutsche eine art ideoligische 'mischung' aus autonomen nationalisten und ehemals linken ideologien sind.

meine Fresse, du hast echt keine Ahnung.