Während den Jahren 2005 – 2007 war in Polen eine grosse Regierungskoalition an der Macht, welche sich aus drei verschiedene Parteien aus dem rechten Lager zusammensetzte: die nationalkonservative „Recht und Gerechtigkeit“ (Prawo i Sprawiedliwość; kurz PiS) vom ehemaligen Justizminister Lech Kaczynski, die katholisch-konservative „Selbstverteidigung der Republik Polen“ (Samoobrona) und die ultrakatholische und klerikale „Liga polnischer Familien“ (Liga Polskich Rodzin, LPR).
Es war die zweite Phase (nach 1989-1997) eines
aufkommenden Rechtsruckes in der polnischen Politik. Nach 2007 lösten
dann bürgerlich-liberale Politiker die unheilige Allianz der rechten
Parteien im polnischen Sejm wieder ab. Trotz dieser Entwicklung im
offiziellen Politzirkus nimmt das Problem des Nationalismus in der
polnischen Gesellschaft seit 2011 wieder signifikant zu. Heute muss man
leider wieder von einem Wiederaufleben des polnischen Nationalismus und
dem Erstarken einer neofaschistischen Geisteshaltung sprechen.
Im ersten Teil dieser Analyse werden die Hauptakteure der
extremistischen rechten Politszene in Polen benannt. Des Weiteren wird
das ideologische Fundament des polnischen Nationalismus und
Neofaschismus etwas konkreter unter die Lupe genommen und auf das in
Polen immer beliebter werdende internationale Netzwerk der autonomen
Nationalisten eingegangen. Am Ende des Textes wird noch ein kurzer
Überblick über die antifaschistische Szene in Polen geschaffen.
Ideologisches Fundament des polnischen Nationalismus und Neofaschismus
Neofaschistische Gruppierungen beziehen einen grossen Teil ihrer Gesinnung aus dem Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts stammenden Nationalen Radikalismus (NR). Gruppen, die sich auf die Ideologie des NR stützen, benützen sehr gerne das Symbol des Schwertes in einer Hand. Elemente der historischen Ideologie des „Narodowy Radykalizm“ (NR) sind: a) Anerkennung von Gott als höchster Macht und das Wohl der Nation als wertvollstes Gut. b) Katholischer Fundamentalismus. c) Die Ablehnung von liberalen, demokratischen und kapitalistischen Werten. d) Die Ablehnung von Kommunismus. e) Antisemitismus. Zu den neuen Schlüsselelementen des nationalen Populismus gehören unter anderem: Antikommunismus, Homophobie, Anti-LGBT Kampagnen, Anti-Zigeuner Kampagnen, Unterstützung des vor allem in den USA sehr populären Pro-Life Movement (Lebensrechtsbewegung), Ablehnung der polnischen Mitgliedschaft in EU und NATO.
Rechte Parteien und Organisationen in Polen
Wenn man sich heute die extreme rechte politische Szene in Polen genauer ansieht, stechen einem vier politische Gruppierungen ins Auge, welchen wir hier ein besonderes Augenmerk verleihen wollen.
Da wäre zuerst einmal die Allpolnische Jugend (Młodzież Wszechpolska,
MW), eine militante Jugendorganisation, welche 1989 gegründet wurde und
vornehmlich aus polnischen Jungnationalisten besteht. Die Organisation
bezieht sich auf die vor dem zweiten Weltkrieg aktive „Allpolnische
Jugend“ (Związek Młodzieży Polskiej) – einer der grössten akademischen
Studentenbunde in den 1920er Jahren. Die Mitglieder dieser Vereinigung
riefen zum wirtschaftlichen Boykott von jüdischen Unternehmen auf und
versuchten mehr oder weniger erfolgreich den Zugang zur höheren Bildung
für die jüdische Gesellschaft zu verhindern. Sie organisierten
Bürgerwehren um jüdische Bürger von der Strasse zu vertreiben und
attackierten deren Geschäfte und Verkaufsstände.
Die neue Organisation von 2005 hat rund 3.000 offizielle Mitglieder und
gilt als Jugendorganisation der LPR (Liga Polnischer Familien). Viele
Aktivisten wechseln nach einer gewissen Zeit in die Mutterpartei um
parlamentarische Arbeiten zu verrichten oder sie betreiben
Öffentlichkeitsarbeit in den konservativen Medienkanälen.
Das Nationalradikale Lager (Obóz Narodowo-Radykalny, ONR) ist eine
nationalistische Organisation, welche 1993 gegründet wurde und an die
Tradition der gleichnamigen Partei aus der Zwischenkriegszeit anknüpft.
Die ONR war in den 30er Jahren zumeist militant und klandestin aktiv;
nach dem erfolgreichen Attentat auf den polnischen Politiker und
Offizier Bronisław Pierack, dessen Aufgabe es war, eine Organisation von
ukrainischen Nationalisten zu bekämpfen, wurde die ONR-Führung jedoch
verhaftet und im Juli 1934 gegen die Organisation ein Parteiverbot
verhängt. Die Forderungen der zumeist jugendlichen Radikalen gingen von
der Überführung jüdischen Eigentums in die Hände polnischer
Grosskapitalisten bis zu der Einführung antisemitischer Gesetze. Sie
organisierten gewalttätige Ausschreitungen gegen demonstrierende
Arbeiter und attackierten Juden und Kommunisten auf offener Strasse.
Heute beruft sich die neue ONR auf die Werte der Vorgängerpartei und
feiert beispielsweise jedes Jahr mit einem „Marsch für Myślenice“ den
Jahrestag (23. Juni 1936) einer der grössten antijüdischen
Ausschreitungen des letzten Jahrhunderts.
Die Organisation „Nationale Wiedergeburt Polens“ (Narodowe Odrodzenie Polski, NOP) ist eine klerikal-faschistische Partei, welche konservativ-christliche und antisemitische Positionen vertritt. Sie wurde 1981 gegründet und strebt eine „nationale Revolution“ an. Sie lehnt die Europäische Union strikte ab und tritt für einen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus ein. Die regionalen Verbände der Partei geben die Zeitschrift „Szczerbiec“ heraus (Auflage bis zu 8000 Exemplare), in welcher immer wieder der Holocaust geleugnet wird. Die NOP war auch eine der Mitbegründer der Neonazi-Netzwerk-Partei „International Third Position“ und engagiert sich ebenfalls stark in der Bekämpfung der Homosexuellen-Bewegung in Polen.
Nationale Bewegung (Ruch Narodowy, RN)
Der Erfolg der nationalen Bewegung (Ruch
Narodowy, RN) beruht auf dem unermüdlichen Bestreben nach einem
grundlegenden Imagewandel der radikalen Rechten. Sie ist ein
Sammelbecken aus verschiedenen Gruppierungen des extremen rechten Lagers
und veränderte das moderne Erscheinungsbild des radikalen Nationalismus
durch die Nutzung von sozialen Medien und das Einbringen neuer Elemente
und Symbole entscheidend mit. In dem Bündnis finden sich dutzende
Organisationen mit nationalem Hintergrund wie die „Allpolnische Jugend“
unter der Führung von Tomasz Pałasz, der Soldatenverband oder der Block
der „Nationalistischen Radikalen“ unter Führung von Aleksander
Krejckant. Die Bewegung fusst auf dem 2010 organisierten „Marsch der
Unabhängigkeit“ am 11. November, dem polnischen Unabhängigkeitstag, in
Warschau zurück. An diesem von der RN ins Leben gerufene und jährlich
stattfindenden Protestmarsch nehmen jedes Jahr viele Neo-Nazis und
Hooligans aus der Szene teil.
Ein wichtiges Element der RN-Ideologie ist auch hier das Anlehnen an die
ultranationalistischen Bewegungen aus den 20er Jahren des letzten
Jahrhunderts. Die Organisation wird nicht müde zu betonen, wie wichtig
der militante Antikommunismus und Militarismus ihrer Vorfahren in der
polnischen Geschichte doch sei.
Im Jahr 2014 verkündete die Nationale Bewegung, dass sie an den Wahlen
für das Europäische Parlament teilnehmen werden. Bei diesen Wahlen
erhielt die Ruch Narodowy 98.626 Stimmen. Das entspricht einem
Wahlergebnis von 1,40%. Somit erstaunt es nicht, dass die ungarische
Jobbik der wichtigste europäische Partner für das Wahlbündnis ist.
Momentan ist die Ruch Narodowy mit Blick auf kommende regionale Wahlen
bestrebt, ihr loses Bündnis als offizielle polnische Partei neu zu
strukturieren.
Marsch der Unabhängigkeit
Ein entscheidender Weckruf für die polnischen
Nationalisten war das Jahr 2006, in welchem eine Statue von Roman
Dmowski (polnischer Nationalideologe aus den 20er) in einem Viertel von
Warschau errichtet wurde. Ein Jahr später nutzten die rechten
Gesinnungsgenossen diesen patriotischen Aufwind und riefen zum ersten
Mal im neuen Jahrtausend zu einem faschistischen Marsch in Warschau auf,
welcher von dem Nationalradikalen Lager (ONR) organisiert wurde. Einige
hundert Skinheads und Neofaschisten aus der Hooligan und Combat 18
Szene folgten diesem Aufruf. Als Reaktion auf diesen Naziaufmarsch
organisierten polnische Antifa-Gruppen in den folgenden Jahren
Sitzblockaden und Gegendemonstrationen.
Die extreme Rechte vollzog im Jahr 2010 einen taktischen Wandel und
suchte vermehrt die Zusammenarbeit rechter konservativer Medien wie zum
Beispiel mit der zweitgrössten überregionalen Tageszeitung
„Rzeczpospolita“, welche seit 2005 von dem nationalkatholischen
Chefredakteur Paweł Lisicki geleitet wird. So veränderte sich auch das
Erscheinungsbild des „Unabhängigkeitsmarsches“ am 11. November in
Warschau. Um politische Schwergewichte und illustre Prominenz für diesen
Anlass zu gewinnen, wurden radikale Parolen, Nazi-Symbole und
militärische Tarnanzüge verboten.
Für diesen Marsch gründete die antifaschistische
Bewegung im Jahr 2010 ein Bündnis aus liberalen und linken Kräften, um
besser organisiert gegen den Zug der extremen Rechten vorgehen zu
können. Die wüsten und teilweise brutalen Ausschreitungen die darauf
folgten, erlaubte es den Medien jedoch, ein martialisches Bild der
Gegenbewegung zu konstruieren. Die rechte Bruderschaft ging gestärkt aus
den Zusammenstössen hervor, da sie einmal mehr als Opfer von
ungerechtfertigten Aggressionen dargestellt wurde. Den nationalen
Protagonisten wurde somit vor allem in den moderaten rechten
Medienorganen eine grosse Präsenz zuteil, die es ihnen erlaubte, ihre
Positionen und Ideologien lang und breit in der Öffentlichkeit
darzustellen.
Im Jahr 2011 nahmen an dem Unabhängigkeitsmarsch bereits zehntausende
Menschen teil, um für die patriotische Sache Polens einzustehen. Im Jahr
darauf distanzierten sich etliche konservative Parteien von RN und dem
Marsch am 11. November, was wiederum eine Radikalisierung der nationalen
Bewegung zur Folge hatte. In den letzten Jahren wurde der Marsch immer
gewalttätiger und es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen
Gegendemonstranten, Faschisten und Bereitschaftspolizei.
Militarismus
Das ideologische Fundament der extremen Rechten
in Polen basiert zu einem grossen Teil auch auf dem Gedenken und der
Verehrung an die antikommunistisch und konservativ ausgerichtete
Untergrundorganisation „Nationale Streitkräfte“ (Narodowe Siły Zbrojne,
NSZ), welche im zweiten Weltkrieg aktiv war. Die NSZ kämpfte sowohl
gegen die sowjetischen Aggressoren und die deutschen Besatzer als auch
gegen die polnischen Kommunisten. Es gibt etliche Gedächtnisfeiern, bei
denen die Erinnerung an die Widerstandsgruppe wach gehalten wird. Die
NSZ ist in Polen sehr populär und es werden unzählige Sonderhefte und
Fernsehdokumentation über diese Militärorganisation publiziert.
Die „Wächter der Unabhängigkeit“ (Straż Marszu Niepodległosci, SMN) ist
eine paramilitärische Organisation, welche im Jahr 2012 aus dem
RN-Netzwerk hervorging. Die SMN versteht sich als private
Sicherheitseinheit und bietet ihre Dienste den Organisatoren des
Unabhängigkeitsmarsches an um den patriotischen Zug zu schützen. Sie
sind das ganze Jahr aktiv und ihre Organisationsstruktur ist nach dem
Vorbild der griechischen „Morgenröte“ und der ungarischen „Magyar Garda“
aufgebaut. Nach offiziellen Quellen zählt die Vereinigung 600-800
Mitglieder, welche teilweiswe durch ehemalige Mitglieder der polnischen
Armee und Ex-Mitgliedern von der Spezialeinheit (GROM) militärisch
geschult werden.
Internationale Kontakte der polnischen Nationalisten
Die Organisation „Nationale Wiedergeburt Polens“
(„Narodowe Odrodzenie Polski“, NOP) ist Mitglied in dem vom
italienischen Neofaschisten Roberto Fiore propagierten internationalen
Netzwerk „Third Position“ oder „Terza Posizione“ und engagiert sich
stark für die Idee einer Europäischen Nationalen Front. Zu den
Feierlichkeiten anlässlich des 30. Geburtstages von NOP im Jahr 2011
erschienen die verschiedensten faschistischen Gruppierungen und deren
Führer aus der ganzen Welt. So wurden an der Party Stefan Jacobsson,
José Luis Vázquez, Roberto Fiore, Kris Roman und Robert Lane gesichtet
und solidarische Grüsse wurden empfangen von den prominenten
faschistischen Aktivisten David Duke und Yahia Gouasmi.
Bereits 2010 hatte die Ruch Narodowy ihre internationalen Kontakte mit
einem Besuch beim Neonazitreffen am Magyar Sziget Festival in Budapest
intensiviert. Das Festival wurde von dutzenden polnischen Nationalisten
aus allen grossen Städten Polens besucht. Sie festigten dabei unter
anderem ihre Beziehungen zu Mitgliedern der ungarischen Jobbik und
erörterten neue Strategieansätze für die Etablierung der RN in Polen
nach ungarischem FIDESZ-Vorbild. Die RN arbeitet offiziell mit der
„Europäischen Allianz der nationalen Bewegungen“ (Alliance of European
National Movements, AENM) zusammen, welche am 24. Oktober 2009 in
Budapest gegründet wurde. Ausserdem versucht die RN die Zusammenarbeit
mit der „Europäischen Nationalen Front“, welcher auch die deutsche NPD
angehört, zu vertiefen.
Die nationalen Gruppierungen in der polnischen Gesellschaft
Die Ruch Narodowy hat diverse Schritte
unternommen um in Polen die verschiedenen Gruppierungen und
Vereinigungen von Neofaschisten und Nationalisten zu konsolidieren. Es
ist immer wieder zu beobachten, wie die Nationalisten versuchen, mit
einflussreichen Personen aus dem militärischen Bereich Allianzen zu
bilden. Ein gutes Beispiel für diese Zusammenarbeit ist die
Unterstützung, die die RN von der Pro-Militia Association und dem
Infoportal Nowy Ekran erhalten hat. Diese Organisationen wurden beide
von ehemaligen kommunistischen Armeeoffizieren und ex-Militärs des
polnischen Geheimdienstes (Wojskowe Służby Informacyjne, WSI) gegründet.
In den vergangenen Jahren wurde die Ruch Narodowy nur sehr moderat von
den grossen Medienhäusern unterstützt. Heute sieht es da schon anders
aus: Diverse konservative Zeitungen und Zeitschriften des rechten
Flügels befürworten offen den nationalen Kurs der RN. Seit in Polen der
Begriff „Nationalismus“ zum salonfähigen Gesprächsgegenstand avanciert
ist und der Marsch am 11. November in Warschau zum polnischen
Unabhängigkeitstag zehntausende von Menschen anzieht werden die
Politiker von der RN immer öfters zu kontroversen TV-Debatten eingeladen
und erhalten so eine weitere Gelegenheit, ihre nationale Ideologie zu
verbreiten. Nicht verwunderlich also, dass die RN mittlerweile ihre
eigene Zeitung herausgibt und in den sozialen Medien erfolgreich präsent
ist.
Mit der Kampagne „Swój do swego po swoje“ versucht die RN ihre
Beziehungen zum wirtschaftliche Sektor des Landes auszubauen. Sie
richtet sich an die kleinen und mittleren polnischen Unternehmen und
ruft zur nationalen Solidarität im geschäftlichen Bereich auf. Das Motto
der Kampagne wurde einem Slogan entnommen, der vor dem zweiten
Weltkrieg die polnischen Bürger dazu aufgerufen hat, jüdische Geschäfte
zu boykottieren. Momentan unterstützt die RN diverse Geschäftsleute; ein
Beispiel für eine enge Verbandelung mit der RN ist der homophobe,
national-gesinnte Brauereibesitzer Marek Jakubiak.
Die Beziehung der Ruch Narodowy zur katholischen Kirche
Auch eminent wichtig für die Nationalisten ist
ihre freundschaftliche Beziehung mit der katholischen Kirche. Artikel,
die von NOP-Mitgliedern verfasst wurden, werden in der wöchentlich
erscheinenden katholischen Zeitung „Niedziela“ (wird jeden Sonntag in
den Kirchen zum Verkauf aufgelegt) veröffentlicht. Es werden auch
gemeinsame Pilgerfahrten mit polnischen Fussballfans nach Jasna Gora
organisiert, auf denen dann Redner vom Nationalradikalen Lager oder der
„Allpolnischen Jugend“ auftreten.
Mit Tadeusz Rydzyk, einem katholischen Priester und Gründer des in Polen
ungemein populären Rundfunksenders “Radio Maryja“ hat die RN einen
idealen Partner für ihre patriotische Propaganda gefunden. So haben sie
auch Zugang zum katholischen Fernsehprogramm von TV Trwam gefunden,
welches ebenfalls von Rydzyk im Juni 2003 ins Leben gerufen wurde.
Dieses Medienkonglomerat hat einen nicht zu unterschätzenden, wenn nicht
sogar enormen Einfluss auf die polnische Gesellschaft. So wurden die
Ausstrahlungen ihrer Sendungen mit ultra-katholischen und
erzkonservativen Botschaften von Anfang an von grossen, kontroversen
Debatten begleitet.
Seit die rechte Bewegung
in Polen wiedererstarkt ist, versucht die RN immer wieder, sich der
traditionsreichen „Solidarność“ anzunähern. Diese Anstrengungen haben
bis jetzt aber nicht viel gefruchtet, da die Gewerkschaft eher dezentral
organisiert und in unzählige Sektionen aufgegliedert ist. Dazu kommt,
dass sich viele Mitglieder der Solidarność eher zu den moderaten
konservativen Parteien hingezogen fühlen. Diese rechten Tendenzen
innerhalb der Gewerkschaft gründen einerseits auf der immensen
kirchlichen Unterstützung, die die Union in ihrem Kampf gegen das
kommunistische Regime in den 70er und 80er Jahren erfahren hat,
andererseits auf der Tatsache, dass die US-Regierung unter Ronald Reagen
Millionen von Dollar in den Gewerkschaftskampf der Solidarność pumpte.
Trotzdem gab es bis jetzt nur einige wenige Demonstrationen von
polnischen Ultranationalisten, welche auch von regionalen
Solidarność-Sektionen unterstützt wurden.
Ein anderer interessanter Aspekt ist die Beziehung der RN zu den
„Polonia“-Gruppen. „Polonia“ ist ein umgangssprachlicher Begriff für
Polen, die seit Jahrzenten im Ausland leben. Einige dieser Gruppen haben
stark antisemitisch, rassistisch und nationalistische Tendenzen. So hat
die Ruch Narodowy in der relativ grossen polnischen Community in
England einige Unterstützergruppen wie z. B. die „Patriae Fidelis“,
welche von Emigranten gegründet wurde. In den USA, Kanada und Südamerika
sind die eher etwas älteren Auswanderer zum Teil unter der
Schirmherrschaft des in Uruguay lebenden Millionärs Jan Kobylański
organisiert.
Autonome Nationalisten
Da die Gruppe der autonomen Nationalisten
naturgemäss eine sehr moderne und radikale Ideologie vertritt, fühlen
sich folglich viele extreme Rechte unter der nationalen Bewegung von
dieser Gruppierung angezogen. Die Bewegung der meist schwarz gekleideten
Nationalisten existiert in Polen seit 2010. Taktischen Support erhielt
die AN-Szene in ihren Anfängen von Aktivisten der NOP. Vor allem in
radikal-nationalen Hooligan-Kreisen und einigen subkulturellen Szenen
geniessen die autonomen Nationalisten ein sehr hohes Ansehen. Einige
grössere Gruppierungen sind: Autonome Nationalisten von Warschau,
Nationale Front in Tschenstochau (Częstochowa), Initiative 14 von Toruń,
National Radom und Autonome Nationalisten Wielkopolska von Posen
(Poznań).
Die AN führte eine neue Qualität der visuellen Identifikation in die
polnische Szene ein – dies erreichten sie mit attraktivem Grafik-Design
auf Stickers und Poster und professionell geschnitten Videodokus von
Demonstrationen. Darüber hinaus organisieren sie Demonstrationen; wie z.
B: am 1. Mai, welches die grösste Unabhängigkeitsdemo des Landes ist.
Das Motto von diesem Jahr: „Arbeit in Polen für die Polen“. Eine andere
interessante Strategie um die Öffentlichkeit zu erreichen ist die
Zusammenarbeit mit Jugendinitiativen in Form von Unterstützung bei
CD-Veröffentlichungen oder bei der Produktion von Hip-Hop Video-Clips.
Die autonomen Nationalisten hatten niemals nur eine ideologische Linie.
Sie vereinigt vor allem der Hass auf den Kapitalismus und die Ablehnung
der linken Bewegung. In letzter Zeit tauchen in der Szene immer mehr
Symbole der deutschen Strasser Brüder auf – ein Schwert und ein Hammer.
Die AN hat eine starke Affinität zu Symbolen, was ihnen augenscheinlich
deutlich näher liegt als staatskluge Programme. Ihr politisches Idol ist
Marian Reutt, ein von dem italienischen Faschismus inspirierter
Publizist der vor dem zweiten Weltkrieg für die nationale Bewegung aktiv
war und stark antikommunistisch und antikapitalisctisch eingestellt
war.
Aus ersichtlichen Gründen ist die deutsch-nationale Bewegung nicht
vereinbar mit dem polnischen Nationalismus und es verwundert daher kaum,
dass die extreme Rechte in Polen auf der Suche nach Vorbildern bei der
deutschen Neonaziszene nicht fündig wird. Konsequenterweise wurden daher
die tschechischen autonomen Nationalisten als offizielle Quelle der
Inspiration auserkoren. Nun wiederum sind die Tschechen von der
polnischen Szene begeistert und reisen alljährlich zu dem Marsch der
Unabhängigkeit nach Warschau. Die AN pflegt auch gute Kontakte zu
serbischen Nationalisten, wo man sich gerne über das Kosovo-Thema
unterhält. Die gute Zusammenarbeit im Fussballfan-Bereich legte den
Grundstein für die Gründung der „Slawischen Allianz“, deren Hauptziel
die Verteidigung Europas vor dem Islam ist. Daher sieht man auch des
Öfteren in polnischen Fussballstadien im Fansektor autonome
Nationalisten welche Serbien oder „Kosovo Je Srpsko“ - Fahnen schwenken.
Die AN-Szene orientiert sich in letzter Zeit auch immer wieder gerne gen
Osten. So besuchte die Toruń Initiative 14 die Majdan-Proteste in Kiev.
Die autonomen Nationalisten und die NOP waren jedoch die einzigen
polnischen Nationalisten die die Ukraine im Konflikt mit Russland
unterstützt haben. Die Unterstützung beschränkt sich jedoch auf verbale
Statements. Die AN sammelt keine Gelder oder Medizin für die Ukraine,
auch nehmen sie nicht an den bewaffneten Konflikten teil.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass immer noch ein eklatanter
Gegensatz zwischen den radikalen Parolen der AN und der Abwesenheit von
Aktionen gegen den von ihnen verhassten autoritären Feind besteht. Die
Szene beschränkt sich auf die oben beschriebenen Aktivitäten und das
Organisieren von Konzerten und Festivals. Es besteht also die
Möglichkeit, dass die autonomen Nationalisten ihren Aktionsradius wieder
vermehrt im subkulturellen Bereich suchen.
Antifaschistische Gruppierungen in Polen
Wenn wir hier über die aktuelle antifaschistische
Bewegung in Polen sprechen wollen, sollten wir uns zuerst ein Bild über
die Entstehung der Antifa in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts
machen. Soziale Polarisierung, politische Transformation und die
ökonomische Krise schufen in den Zeiten des demokratischen Wandel
günstige Bedingungen für innerpolitische Konflikte. Die damals in Polen
äusserst populären Skinhead- und Punk-Subkulturen entwickelten sich
rasant weiter und schufen so den Nährboden für einen eskalierenden
politischen Konflikt. Faschisten attackierten anarchistische
Demonstrationen, es gab Strassenkämpfe, Gewaltakte. Beides, die Zeiten
und der polnische Faschismus, haben sich verändert. Das letzte Urgestein
dieses old-school Nationalismus war die „Liga der polnischen Familien“
(Liga Polskich Rodzin, LPR).
Seit 2010 und dem ersten „Marsch der Unabhängigkeit“ ist die polnische
Antifa-Bewegung zahlenmässig deutlich schwächer einzustufen als der
rechte Flügel. Der ganze Hype um den „Marsch der Unabhängigkeit“ hat die
Konfrontation der beiden Lager auf ein öffentlich-mediales Level
erhoben. Viele bekannte Journalisten und Historiker bekundeten
öffentlich ihre Sympathie mit der nationalistischen Bewegung. Nun hat
das Massenphänomen „Nationalismus“ und die eher missbilligende Haltung
der polnischen Gesellschaft der Antifa gegenüber die Bewegung dazu
veranlasst, einige Änderungen vorzunehmen. So wurde beispielsweise das
öffentliche Erscheinungsbild der Antifa professionalisiert. Heute gibt
es ein paar grössere Gruppierungen in Polen, welche fähig sind, einige
tausend Leute für wichtige Demonstrationen zu mobilisieren.
Da wäre zuerst einmal „Plan W“ aus Wrocław. Sie sind in einem der
Bollwerke des extremen rechten Flügels aktiv. Die Nationalisten rühmen
sich dort mit ihrer starken Präsenz in den Fussballstadien und
organisieren in regelmässigen Abständen Demonstrationen. Ausserdem gibt
es immer wieder Übergriffe auf besetzte Häuser, Immigranten und Punk
Konzerte. In Anbetracht der physischen Überlegenheit der Neofaschisten
kann sich Plan W nicht auf blosse radikale Rhetorik verlassen um
Aufsehen zu erregen. So organisierten sie unter dem Motto „Wrocław für
alle“ mit einer Teilnehmerzahl von 2.000 - 3.000 Menschen eine der
grössten antifaschistischen Demonstrationen in Polen. Die Organisation
versucht ihre Idee vor allem bei den Künstlern, Immigranten und
LGBTQ-Gruppen unterzubringen.
„Staffel 161“ ist eine Gruppe von polnischen Emmigranten, welche in
Grossbritannien leben. Der Name der Gruppe bezieht sich auf die
Flugstaffel 303, eine polnische Piloteneinheit im Dienste der Royal Air
Force, welche an der Luftschlacht um England aktiv teilgenommen hatte.
Momentan ist die Staffel 161 eine der stärksten antifaschistischen
Gruppierungen in London. Sie nehmen an Blockaden teil um Aufmärsche des
extremen rechten Flügels zu verhindern, unterstützen Komitees bei
Demoorganisationen, führen Gedenkanlässe für Aktivisten der Bewegung
durch und organisieren Konzerte. Ausserdem waren sie die erste polnische
Gruppierung die offen für einen patriotischen Antifaschismus eintrat.
Sie berufen sich dabei auf die Geschichte der polnischen Sozialisten in
Bezug auf die Widerstandsbewegung im zweiten Weltkrieg.
Das „Rozbrat-Squat-Kollektiv“, welches sich für die Rechte der Arbeiter,
das Recht auf Wohnraum und für mehr kulturelle Vielfalt engagiert, ist
nur eine von vielen aktiven Gruppen aus der „bunten Stadt“ Poznań. Die
lokalen Aktivisten haben es bewusst verhindert, in die Falle der leeren
Antifa-Phrasendrescherei zu tappen, sie widmen sich lieber tieferen
Analysen. Demzufolge beschränkt sich politische Aktivität für die Gruppe
nicht allein auf die Konfrontation mit der rechten Szene. Gegen den
Faschismus aktiv zu werden beinhaltet für sie auch der engagierte Kampf
gegen den Kapitalismus und dessen Autoritäten. Die Szene in Poznań war
die erste, die mit Nachdruck auf die Möglichkeiten von sportlichen
Meetings in den sozialen Bewegungen hinwies. So organisierten sie im
Jahr 2013 das erste antifaschistische Martial Art Turnier – Freedom
Fighters – welches in diesem Jahr wieder durchgeführt wird.
Eine weitere Antifa-Gruppe in Polen ist die „Crew 161“. Sie betreiben
ein Webportal und unterhalten eine Facebook-Seite. Die Organisation ist
netzwerkmässig ziemlich aktiv und gilt daher als Hauptquelle was
Informationsmaterial und Artikel über die polnische Antifa-Szene angeht.
Sie war eine der ersten antifaschistischen Gruppe die erkannt hatte,
wie wichtig das Aufbauen eines durchgestylten öffentlichen Auftrittes
ist. Neben dem Bereitstellen von Graffiti- oder Propaganda-Fotos
designen sie vor allem auch Stickers, und das in beachtlicher Qualität.
Dank dieser betriebsamen Internetpräsenz stossen sie mit ihrer Arbeit
auf eine relativ grosse Resonanz.
Die „Antifa Warschau“ hat gemeinsam mit kleineren Gruppen seit kurzem
die Organisation der Gegendemonstration am 11. November in Warschau
übernommen. Ansonsten veranstalten sie Konzerte und übersprayen
Nazi-Symbole in der Stadt. Sie arbeiten auch mit der zweitgrössten
Gewerkschaft des Landes zusammen, dem „Gesamtpolnischen
Gewerkschaftsverband“ (Ogólnopolskie Porozumienie Związków Zawodowych,
OPZZ). Die Gewerkschaft unterstützt die Demonstration zwar nicht direkt,
bieten dem Organisationskomitee jedoch die Möglichkeit, in ihren
Räumlichkeiten Pressekonferenzen abzuhalten. Auch wurde der erste
Kongress in Polen über „Nationalismus“ in der Zentrale des
Gesamtpolnischen Gewerkschaftsverbandes durchgeführt.
Text: Lower Class Magazine
Deutsche Übersetzung: UB
Artikel auf UB online ansehen: http://www.untergrund-blättle.ch/politik/nationalismus_in_polen.html
corrections
Dywizjon 161 is not a patriotic anti-fascist groups. Original text in English had been corrected already, pleade do the same in German translation.