Plant Spanien auch das Verbot von baskischen Gewerkschaften?

Razzia im Rahmen der neuen Verhaftungswelle.jpg

Nun wird offensichtlich auch die baskische Gewerkschaft LAB auf die Verbotsliste des umstrittenen spanischen Sonderrichters Baltasar Garzón gesetzt wurde. Unter den Verhafteten vom Mittwoch befindet sich neben dem Ex-Batasuna Sprecher auch der Ex-Generalsekretär der Gewerkschaft Rafa Díez Usabiaga. Garzón treibt für die jeweiligen Regierungen die Repression gegen unliebsame Parteien, Organisationen und Kommunikationsmedien voran, die er auch illegal verbietet, was in jedem demokratischen Staat zu seiner sofortigen Suspendierung führen müsste. Er deckt zudem die Folter im eigenen Land, während er sich international zum Rächer der Menschenrechte aufspielt. Diese angeblichen "Terrororganisationen" sind, so merkwürdig das klingt, im französischen Teil des Baskenlands alle legal tätig, auch wenn sie von Spanien auf die EU-Liste terroristischen Organisationen gesetzt wurden.

Erneut hat das Sondergericht, der Nationale Gerichtshof in Madrid, zum Schlag gegen die baskische Linke ausgeholt. Der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón ließ nun auch den Ex-Generalsekretär der linksnationalistischen Gewerkschaft LAB verhaften. Es ist eine der wenigen Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung, die noch nicht verboten wurde. Neben Rafa Díez Usabiaga wurde in der LAB-Zentrale in Donostia-San Sebastian auch der ehemalige Sprecher der Partei Batasuna (Einheit) verhaftet, die 2003 in Spanien verboten.


Insgesamt wurden in der Nacht auf Mittwoch im gesamten Baskenland zehn Menschen verhaftet. Sie stehen unter Kontaktsperre und in den 5 bis 13 Tagen, so der UNO-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, findet nicht selten Folter statt, weshalb die UNO seit Jahren deren Abschaffung fordert. Die Anschuldigung lautet unkonkret, die Verhafteten hätten eine neue Parteiführung aufgebaut und das war der Vorwurf, unter dem Garzón vor fast genau zwei Jahren zwei Dutzend Führungsmitglieder von Batasuna verhaften ließ, die weiter in Untersuchungshaft sitzen. Damit drehte man in Madrid nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen der spanischen Regierung mit der Untergrundorganisation ETA an der Repressionsschraube. Die, die den Friedensprozess auf den Weg brachten, wurden plötzlich angeschuldigt, sogar ETA-Mitglieder zu sein.

 

So war es kein Zufall, dass vor wenigen Tagen erneut Anklagen gegen Otegi und andere wegen "Verherrlichung des Terrorismus" erhoben wurden, weil sie einst den Friedensvorschlag öffentlich im Radsportstadion von Donostia vorgetragen haben, auf den die Regierung mit Verhandlungen eingegangen ist. Es ist schon reichlich merkwürdig, dass, nachdem der Versuch der Rechtsradikalen das zu erreichen scheiterte, nun die "sozialistische" Regierung über das Ministerium für Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen selbst auf die Anklagebank setzen will. Zu groß sind offensichtlich dort die Wünsche, Otegi, der nach Verbüßung einer Haftstrafe vor 18 Monaten aus dem Knast kam, wieder hinter Gitter zu stecken. Schon kurz nach Beginn des Friedensprozesses war er eingelocht worden, womit dieser torpediert werden sollte. Wie absurd die neuen Verhaftungen sind, kann auch im Fall von Rufi Etxebarria gesehen werden, der ebenfalls als Verhandler tätig war. Der war erst kürzlich aus der U-Haft entlassen worden, weil man es in der Höchstzeit nicht geschafft hat, die angebliche Unterstützung der ETA oder die Mitgliedschaft zu beweisen und ihm den Prozess zu machen. Doch das hinderte Garzón natürlich nicht daran, ihn erneut unter der gleichen absurden Anschuldigung verhaften zu lassen.


Nun wird den Verhafteten vorgeworfen, einen Prozess "Bateragune" auf den Weg gebracht zu haben, was auf Baskisch "Vereinigungspunkt" heißt. Es war kein Geheimnis, dass die linke Unabhängigkeitsbewegung neue Vorschläge für die friedliche Beilegung des Konflikts machen würde. Erst vor fünf Tagen hatte Rafa Díez für diesen Herbst angekündigt: "Wir müssen die Variablen der politischen Konfrontation ändern, die Blockade überwinden und die politischen Instrumente bieten, um ein demokratisches Szenario zu schaffen, das reale politische und soziale Veränderungen erlaubt". Dessen Nachfolgerin an der Gewerkschaftsspitze, Ainhoa Etxaide, erklärte zu den Verhaftungen: Madrid wisse, dass "die Unabhängigkeitsbewegung bereit zu neuen Schritten und neuen politischen Angeboten ist" und antworte darauf erneut mit Repression. Doch Etxaide kündigte an, dass auch die Repression die baskische Linke nicht davon abhalten wird, den Weg für einen neuen Rahmen "ohne Beschränkungen, Einmischungen und Gewalt" zu öffnen,  den das Baskenland brauche. "Die linke Unabhängigkeitsbewegung hat Kapazitäten und wird trotz der Angriffe des Staates neue politische Angebote machen". Sie forderte die Bevölkerung auf, sich heute vor den Gewerkschaftszentralen zu versammeln.


Eine der Variablen, um die aktuelle Situation zu verändern, ist das Verhältnis zur Gewalt der ETA. Die wird von vielen im Baskenland als Hindernis dafür gesehen, damit sich die Kräfte vereinen können, die für ein souveränes und vereintes Baskenland eintreten. So war zu erwarten, dass sich auch Batasuna-Führer von ihr distanzieren, um das Projekt eines "Pols für die Souveränität" voranbringen zu können


Doch offenbar darf das nicht umgesetzt werden, was stets von Batasuna gefordert wurde und schon präventiv juristisch bemäntelt von Staatsseite eingegriffen. Denn die Partei wurde ja nur verboten, wofür extra ein neues Parteiengesetz geschaffen wurde, weil sie die Anschläge der ETA nicht verurteilte. Zwar wird gerne behauptet, sie gehöre zur ETA, doch das konnte nie bewiesen werden. Sonst hätte man auch das neue Gesetz nicht gebraucht.

 

So erklärte Joseba Egibar, Führer der großen Baskisch-Nationalisten Partei (PNV): "Wenn bekannt ist, dass diese Leute auf einen politischen Weg setzen, dann ist augenfällig, dass sie nicht in der ETA beitreten wollen, um den bewaffneten Kampf aufzunehmen, sondern genau das Gegenteil". Wer so vorgehe, wolle die ETA nicht zum Verschwinden bringen, kritisierte er. Erstaunlich ist, dass der spanischen Innenminister Rubalcaba erklärte, hinter dem Prozess "Bateragune" stehe die ETA. Erstaunlich ist damit auch, dass es doch sein Ministerium war, das bis zum Sonntag noch erklärte, dass die ETA angeblich Otegi entmachtet habe, wie man es stets an die Parteipresse durchreichte.

 

Wie das nun zusammenpasst? Es gibt eine Erklärung. Sicher gibt es in der ETA einigen Widerstand dagegen, dass sich die linke Unabhängigkeitsbewegung öffentlich von der Gewalt der ETA distanziert. Dafür muss man kein Wahrsager sein und dann wird aus den Worten von Rubalcaba klar, dass es um was ganz anderes geht. Denn wie die gut 800 politischen Gefangenen nimmt man nun offensichtlich die gesamte linksnationalistische Bewegung in Geiselhaft. Über die Verbote kann man es auch hinfingern, dass der spanische Nationalismus, obwohl er weit von Mehrheiten entfernt ist, im Baskenland regieren kann. Dass die "Sozialisten" (PSOE) dabei eine Koalition mit den Postfaschisten der Volkspartei (PP) eingegangen sind, die sich nie vom Putsch und vom Bürgerkrieg distanziert haben, macht klar, wo die PSOE steht. Rubalcaba sagte klar und deutlich: "Solange es Gewalt gibt, wird kein Radikaler in diesem Land Politik machen". Das bedeutet, eine völlig neue Auslegung des Parteiengesetzes, dass ja nur die Ablehnung der Gewalt fordert und das auch so schon von den Menschenrechtlern der UNO für seine Schwammigkeit angegriffen wird.

 

Schwammige" Formulierungen "können so interpretiert werden, dass sie auch auf jede politische Partei zutreffen, die mit friedlichen Mitteln ähnliche politische Ziele verfolgt, wie terroristische Gruppen“, kritisiert ein UNO-Bericht. Der Sonderberichterstatter für Menschenrechte Marti Scheinin ist erstaunt, welche Vielfalt an Bestimmungen“ des Parteigesetzes Verbote ermöglichten. Er forderte, die "vagen Formulierungen des Gesetzes an die internationalen Kriterien in Bezug auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit anzupassen". Auch, die Strafrechtsbestimmungen zu "Terrorismus seien zum Teil vage". Es käme zu einer "Ausweitung des Terrorismuskonzepts auf Handlungen", die nicht in Verbindung zu schweren Gewaltakten stünden (PDF). Eine Zusammenfassung auf Deutsch hier.

 

Nun gut, man darf es wohl als politische Apartheid bezeichnen, dass sich eine bestimmte politische Richtung, die ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland fordert, sich im spanischen Staat nicht mehr äußern darf. In dieser Logik liegt, dass man nun auch LAB verbieten will, alle Listen und Parteien verbietet, die ähnliche Forderungen aufstellen, den Angehörigen der politischen Gefangenen inzwischen verbietet, die Bilder ihrer Kinder und Geschwister zu zeigen, dass man es mit einem Verbot versuchte, danach mit Wahlbetrug, dass eine Liste im Europaparlament für eine friedliche Konfliktlösung im Baskenland eintritt.

 

Interessant ist auch noch, als Treppenwitz der Geschichte, dass es ausgerechnet Garzón war, der sich im Auftrag eines als verurteilten Verantwortlichen der Todesschwadrone (GAL) Rafael Vera 1990 bei einem Anwalt der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung meldete, damit dieser der ETA vermittele, dass die damalige sozialistische Regierung erneut mit ihr verhandeln wolle. Um einen Kontakt herzustellen, wurde der Gewerkschaftschef Rafa Díez eingesetzt und schon vor Jahren versuchte der Richter dann, nachdem er seinen Posten als Abgeordneter der Sozialisten im Parlament geräumt hatte, Rafa Díez wegen Unterstützung von ETA anzuklagen, als er noch Gewerkschaftschef war.



(c) Ralf Streck, den 15.10.2009