Der kurdische Prozess – Einige (wenige) Anmerkungen für eine kritische Solidarität

Vielen mag es angesichts der Lage der in Kobane Eingeschlossenen unpassend erscheinen, die Entwicklung in Nordsyrien und der Türkei kritisch zu hinterfragen. Auch werden mit Sicherheit Stimmen laut werden, die eine solche Kritik bestenfalls als spalterisch, wenn nicht sogar als Geheimdienst gesteuert oder sonstwie konterrevolutionär brandmarken. Andere werden auf die bewährte Einordnung in antideutsch/antiimperialistisch zurückgreifen, um eine solche Kritik niederzubügeln.

 

Nichtsdestotrotz ist eine differenzierte Auseinandersetzung auch trotz des brutalen Terrors des ISIL unvermeidlich. Die Auseinandersetzungen in den antikolonialen Kriegen waren nicht weniger blutig, der Terror gegen die Guerilla und die Zivilbevölkerung in Mittelamerika in den 80igern kannte auch kein Maß. Die Irrwege einer “bedingslosen Solidarität” dürften allen bekannt sein, die nur ansatzweise ihre eigene linke Geschichte der letzten Jahrzehnten reflektiert haben. Diese Zeilen können und wollen nicht umfassend eine Analyse über die Entwicklung in der Region leisten, sie sollen nur ein paar Dinge erinnern und hoffentlich die eine oder andere Diskussion anregen.

 

Wenn wir über die aktuelle Situation reden, kann dies nicht geschehen, ohne sich mit dem Aufstand in Syrien (1) , der in einem Bürgerkrieg mündete, auseinanderzusetzen. Das syrische Regime hat ein Massaker nach dem anderen verübt, dabei tausende Kinder getötet und auch erwiesenermaßen Chemiewaffen eingestzt. Dies hat grosse Teile der deutschen Linken nicht davon abgehalten, sehr kritische (zum Teil auch berechtige) Fragen an den syrischen Aufstand zu stellen. (Von Jenen, die eh alles als eine einzige imperialistische Verschwörung sehen und von einer Widerstandsachse von Damaskus über Teheran bis Moskau träumen, wollen wir an dieser Stelle schweigen). Die Politik der Führung in Damaskus hat auch nicht die Führung der PKK/PYD daran gehindert, mit diesem Regime zu kooperieren.

 

Die heute von der PYD kontrollierten Gebiete in Nordsyrien sind der Organisation grösstenteils kampflos zugefallen, weil sich die syrischen  Regierungstruppen zurückgezogen haben, um gegen die verschiedenen Gruppierungen der syrischen Opposition vorzugehen. Bis heute gibt es immer noch Enklaven von Regierungsstützpunkten in den Gebieten der PYD. Im Zuge der Entwicklung des Bürgerkrieges in Syrien, des Erstarkens der verschiedenen islamistischen Gruppierungen (hier wäre eigentlich auch eine Differenzierung und Analyse nötig, aber das wäre ein eigener Artikel), der ganzen Grausamkeit und Ausweglosigkeit dieses Krieges gibt es nun Stimmen aus der deutschen Linken, die diese Politik der PYD aufgrund genau dieser Umstände als im Nachhinein richtig bezeichnen. Hier wäre allerdings die Frage, ob der Aufstand gegen das syrische Regime nicht vielleicht auch erfolgreich  gewesen wäre, wenn die PYD ihre Truppen gegen das Regime in Damaskus gerichtet häte, statt mit ihm immer wieder zu kooperieren. So hätte u.U. die heutige Situation, in der die islamistischen Gruppen in der Opposition den Ton angeben, verhindert werden können. (Lokal gab es eh immer wieder temporär auch Bündnisse von PYD mit Einheiten der FSA, z.B. in Aleppo, wo gemeinsam gegen die syrische Regierungsarmee und islamistische Gruppen gekämpft wurde.)

 

Der ISIL, die heute Kobane bedroht und eigentlich aus dem Irak stammt, konnte in Syrien nur gross werden, weil sie sich erstens vordergründig auf die Etablierung eines von ihre kontrollierten Gebietes beschränkte, zweitens lange Zeit meistens gegen andere Gruppen und nicht gegen das Regime kämpfte und  drittens genau deshalb lange vom Regime “verschont” wurde (so berichteten syrische Aktivisten schon lange davon, das Stellungen der ISIL von den Attacken der syrischen Luftwaffe ausgenommen wurden). Erst als sich ISIL mächtig genug fühlte, ging er zum zentralen Angiff auf die syrische Armee über und eroberte u.a. wichtige Militäreinrichtungen, wobei ihm eine grosse Anzahl an Waffen und Munition in die Arme fiel. Die PYD ist auch nicht zimperlich dabei vorgegangen, ihren Alleinvertretungsanspruch in Nordsyrien durchzusetzen (2). Kritiker wurden inhaftiert und misshandelt , bei Protesten dagegen wurde in unbewaffnete Demonstrationen geschossen, dabei gab es dutzende Tote.

 

Womit wir beim Wesen der PYD/PKK wären. Ohne Zweifel ist die PKK/PYD nicht mehr die streng leninistische Gruppierung der 80iger. Ihr aber zu unterstellen, sie häte sich gar einer anarchistischen Katharsis (3) unterzogen, schiesst aber weit über das Ziel hinaus. In den von ihr kontrollierten Gebieten herrschen alle kapitalistischen Zwänge, Besitzverhältnisse und Gesetzmäßigkeiten, Eingriffe gibt es eigentlich nur in Form einer kontrollierten “Kriegswirtschaft”. Sie arbeitet mit den örtlichen Clanführern und (kurdischen) Grossgrundbesitzern zusammen.

 

So wie sie ohne Zeifel in den von ihr kontrollierten Gebieten eine fortschrittlichere Perspektive darstellt, als sie in meisten anderen Landstrichen möglich sind, über die nach dem Aufbruch des “arabischen Frühlings” ein kalter reaktionärer Winter gekommen ist, so muss auch ihre emanzipatorische Begrenzung nicht verschwiegen werden. Als das vielleicht grösste Hinderniss für einen fortschreitenden emazipatorischen Prozess dürften sich dabei die (Macht) Strukturen der PKK/PYD erweisen.

 

Bei allem Gemurre hinter vorgehaltener Hand an der Führung durch den inhaftierten Abdullah Öcalan ist sein Position immer noch unangreifbar. Was Apo sagt, wird gemacht. Der Führerkult ist ungebrochen, wer auf der bundesweiten in Düsseldorf am Wochenende war, durfte ein 20 mal 20 Meter grosses Portrait von ihm bewundern. Er darf sich auch weiterhin auf die Loyalität der Führungsriege der  Partei – Guerillagruppierungen verlassen. Als sich die Situation um Kobane zuspitzte und es überall in Nordkurdistan sowie in den türkischen Grossstädten krachte, dutzende ihr Leben verloren und das Lower Class Magazine (4) von einer “kurdischen Intifada” träumte, beeilten sich führende Repräsentanten der HDP Öl aufs Wasser zu giessen und siehe an, die Revolte brach in kürzester Zeit in sich zusammen. Bewaffnete Angriffe gegen Bullen wurden von der HDP öffentlich als Werke von Provokateuren, die untersucht werden müssten, gebrandmarkt.  

 

Nachdem heute die türkische Luftwaffe Angriffe gegen die PKK in Nordkurdistan geflogen hatte, wurde folgende Mitteilung von Apo verbreitet (5) : “Um Vorfällen auf den Straßen vorzubeugen, wie sie aktuell aufgrund der IS-Umzingelung Kobanês zu beobachten sind, ist unbedingt mit der Regierung Kontakt aufzunehmen. Anderenfalls würde Provokationen, womöglich Massakern, der Weg geebnet. Die [beiden] Seiten müssen sich von ihrer starren Sichtweise lösen, auf kurzfristige Vorteile zu spekulieren. Den Lösungsprozess in dieser Phase zu forcieren, ist mit Eurem Erfolg verbunden. Umgehende Schritte von der Regierung zu erwarten, ist richtig und unser Recht. Es ist wichtig, auf zivilgesellschaftliche Organisationen als Vermittler in Gefechtsphasen zurückzugreifen, um sich mit ihnen der Methode des Dialogs zu bedienen.”

 

(An dieser Stelle: No Comment)

 

Jene, die nicht blind geworden sind von all dem Starren auf den schrecklichen Terror des ISIL, mögen die Winkelzüge einer Parteispitze und das “historische strategische Geschick eines begnadeten Parteiführers” unseltsam vertraut vorkommen. Sie mögen die Stimme  ihres Herzens, das mit den Menschen in Kobane schlägt, weiterhin deutlich hören. Sie mögen auf all die Demos gehen, aber dabei trotzdem nicht aufhören, ihre kritischen Fragen zu stellen und endlich aus der Geschichte lernen.

 

Wer aber die einfachen Wahrheiten sucht, muss weiterhin den Marktschreiern hinterher rennen. Die haben ihm aber angesichts der aktuellen Entwiclung heute nichts Handfestes anzubieten.Nicht umsont herrrscht heute auf den ticker und facebook accounts der diversen deutschen Gruppen, die sich der bedingungslosen “Solidarität mit Rojava” verschrieben haben, ein betretenes Schweigen zu den Luftangriffen in der Türkei. Aber seid Euch sicher, sobald die Parteilinie geklärt und der Dialektik ein Loblied gesungen ist, werden die Gesänge wieder erklingen: “Die Partei, die Partei, die hat immer…”

 

Autonomer Maulwurf

 

(1) siehe dazu u.a. die Berichte und Übersetzungen der recherchegruppe aufstand auf linksunten 

(2) siehe dazu u.a. hier oder hier

(3) siehe dazu u.a. hier

(4) LCM auf linksunten

(5) siehe auf civaka azad

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.... entweder nehme ich mir oder jemand anderes nimmt sich eine halbe Stunde Zeit um den Artikel in der Luft zu zerreißen. Oder ich sag einfach: Der Autor hat keine Ahnung von den Sachen, über die er schreibt! Erbärmlich! Sogar in den Artikeln der Springer- und Bertelsmann-Presse ist über dieses Thema mehr Wahrheitsgehalt enthalten (und die wissen ja schon so gut wie nichts).

 

Nur um mal Stichworte/Hinweise zu nennen: Friedensprozess, PKK-Ultimatum bis 15. Oktober, Syrischer Bürgerkrieg, FSA, al Nusra, die wirkliche Rolle von Apo Öcalan und warum er Parteiführer ist (!), Verhältnis der PKK und PYD, Kritik und Diskussionen in der kurdischen Bewegung und was die PKK eigentlich ist. Auch von den gesellschaftlichen Strukturen in Rojava und der Rolle der PYD darin (darin!!!) hat der Autor keinen blassen Schimmer.

 

Die Politik der Führung in Damaskus hat auch nicht die Führung der PKK/PYD daran gehindert, mit diesem Regime zu kooperieren.

Ey, du hast keine Ahnung wovon du redest! Für so viel Übermut und Arroganz, dann auch noch einen Artikel zu verfassen, hast du eigentlich eine Backpfeiffe verdient für deinen verleumderischen Tritt ins Gesicht der fortschrittlichen Teilen der kurdischen Bewegung.

 

PS: Ich dachte Autonome sind schon lange Ausgestorben.... Du machst diesem Namen ja alle Ehre :)

Die Giftgasgeschichte ist tatsächlich nicht "erwiesen". Trotzdem machen es sich die antiimperialistischen Polemiker in diesem Fall etwas einfach und vergessen, dass die Antideutschen doch mittlerweile auch "bedingungslos solidarisch mit Rojava" sind oder zumindest, anhand diverser Kommentare hier, die PYD/PKK zur neuen "Antifa-Speerspitze" in der Region erkoren haben. Die Antiimperialisten betonen ja durchaus zu Recht, dass sie schon viel länger solidarisch mit der PKK sind. Doch obwohl die Schlussfolgerung des Texts etwas schwach und abrupt ist, betont der Autor richtigerweise, dass in Rojava nicht "die Revolution" im Gange, sondern die Autonomie letzendlich nicht mehr als "Kapitalismus mit menschlichem Antlitz" ist. Natürlich wünsche ich niemanden einen Einmarsch des IS in seine/ihre Stadt, doch man sollte nicht vergessen, dass eine kommunistische Revolution eben mehr heissen sollte als Arbeiterstaat und/oder Selbstverwaltung.

Ohne auf Auslegungsdetails des Artikels einzugehen, finde ich den Appell bei aller (berechtigten) Unterstützung und Solidarität für Rojava, kritisch zu hinterfragen und nicht zu erblinden ok. Wenn man sich die Mühe macht und mehrere Quellen und Nachrichtenkanäle verfolgt, fällt schon auf dass die PYD und die YPG/YPJ natürlich auch in ihrem Sinne Propaganda betreibt, sich mitunter mehr als fragwürdiger Methoden bedient um Machtansprüche durchzusetzen und sich nach außen gern sehr glänzend gibt (zumindest mein Misstrauen erwecken einige Statements...). Auch unter der PYD passieren Dinge, die einem emanzipatorischem Anspruch arg widersprechen. Kritisch zu bleiben und die Interessen, die ja alle Akteure verfolgen, im Auge zu behalten ist immer angebracht. Also ich habe mir die Mühe gemacht und auch kritische Quellen durchforstet (die vom Autor angegeben Website http://www.kurdwatch.org zum Beispiel). Zu beachten ist wohl immer wer was über wen veröffentlicht und mit welchem Zweck...

Hab aber vorher (auch nach einigen Infoveranstaltungen und den Eindrücken die die RednerInnen vermittelt haben) nicht geglaubt dass die PYD unbefleckt und heilig ist.

Trotzdem oder gerade deswegen finde ich die Kampagne(n) und Solidaritätsbekundungen absolut wichtig, notwendig und unterstützenswert und bin der Überzeugung, eine emanzipatorische linke Strömung sollte sich entschlossen (nicht blind!) hinter die Menschen die in Rojava Widerstand leisten, stellen. Diskussion und Auseinandersetzung - unbedingt! Aber bitte nicht bis zur absoluten Handlungsunfähigkeit.

 

Solidarität mit Rojava!

also ich würde ja behaupten, dass durchaus aus der geschichte gelernt wurde. auch bei infoveranstaltungen zum thema wird am anfang meist durchaus angemerkt das dieser ganze prozess den die türkische linke und die kurdische bewegung gerade macht nicht das gelbe vom ei ist. jedoch glaube ich das eben immer die begleitumstände zu sehen sind, die emanzipatorische projekte jeder art in unterschiedlich große schwierigkeiten bringen. wiegesagt, ich behaupte mal das es kaum jemanden geben würde der den gesammten ablauf zustimmt und sagt "so hat das auszusehen".

was zum schluss des textes führt, in dem du durchaus zustimmst solidaritätsaktionen weiterzuführen. das ist natürlich zu begrüßen, aber es wirft auch licht auf das kernproblem: die gründe der kritik auch zu belegen/beweisen. manch andere_r hatte schon die fehlenden quellen angemerkt. um einen kritisch solidarischen standpunkt einzunehmen, halte ich die belegbarkeit und auch kontextualisierung für sehr wichtig.

..Kritischen Kritikers wird hier schön Stimmung gegen die Syrischen Kurden gemacht.

Weil sie sich nicht ins gegenseitige Gemetzel gestürzt haben ?

Und jetzt sind sie auch noch schuld daran das Assad nicht gestürzt wurde ?

Die Menschen in Rojava haben eine Demokratische Alternative zu Assad aufgebaut

die weitaus gefährlicher für diesen ist als die ganze blutig schlachtende "Opposition".

Aus der - nach ihrem Sieg - nichts weiter herauskommen würde als eine erneute Diktatur

unter eben jemand anderem.

Aber die Aufgabe von kritischen Kritikern ist ja auch eine andere, als über die Wirklichkeit

nachzudenken.

... kaum kommt etwas Kritik auf wird hier angefangen zu keifen was das Zeug hält.

Bei dieser wird sich dann an unwichtigen Dingen aufgehängt: Hat Assad z. B. Chemiewaffen eingesetzt? ... dabei ist das hier unwichtig. Wichtig ist, dass Assad ein autokratisches Arschloch ist. Wichtig ist auch, dass die PYD teilweise mit seinem Regime kooperiert hat bzw. das es zumindest Absprachen gab. Ob das eine realpolitisch gute Entscheidung war weiß ich nicht. Kritisch betrachtet werden sollte es.

(http://jungle-world.com/artikel/2012/15/45237.html)... gab allerdings auch Artikel im Spiegel und so

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verehrung von Öcalan... dazu braucht es wohl keine Quelle ;-) ... aufgrund der tatsächlich Wandlung (Interviews googeln) und seiner Abkehr vom Leninismus ist dies allerdings auch ganz praktisch gewesen, hätte aber bei einer anderen Entwicklung auch voll in die Hose gehen können.

 

Auch wichtig ist die Anmerkung, dass da natürlich nicht der Kommunismus ausgebrochen ist. Dies haben die Menschen von dort allerdings auch nicht behauptet. Es ist wichtig dies zu reflektieren um bei aller Solidarität keine Überzogenen Vorstellungen zu haben und die teilweise großartigen tatsächlichen Entwicklungen neben den eigenen Fantasiegebäuden nicht klein wirken zu lassen.

Das hier die üblichen Stellungnahmen wie "antideutsch", etc. auftauchen würden, deren Funktion es ist, sich nicht inhaltlich auseinandersetzen zu müssen, war vorhersehbar und auch schon im Text selber angedeutet worden.

Das der Text keine grundlegende Analyse sein will, ergibt sich schon aus der Überschrift, der das Fragmentarische bezeichnet. Und der eben auf eine kritische Solidarität abzielt und nicht auf die Aufkündigung derselben.

 

Wer  an der Urheberschaft der syrischen Regierungstruppen für die Giftgaseinsätze zweifelt, dem ist eh nicht mehr zu helfen, weil hier der feste Glaube das Wissen ersetzt. Man braucht nicht den interessengesteuerten Auskünften der westlichen Geheimdienste zu den Ereignissen zu folgen. Die Entwicklung in Syrien seit dem Beginn des Aufstandes ist detailliert dokumentiert, die Lokalen Koordinierungskomitees (LCC) veröffentlichen täglich genaue Berichte über das Geschehen, wohl noch nie gab es einen Konflikt, der in all seiner Grausamkeit so öffentlich dokumentiert wurde. Und für diese Berichterstattung haben etliche Medien Aktivisten mit dem Leben bezahlt.

 

Die Giftgasangriffe sind durch aberhunderte gesammelte Zeugenaussagen bezeugt, ebenso ihre Urheberschaft.

Die einzige offen Frage ist, wie weit oben in der Befehlskette die Entscheidungen dafür getroffen wurden.

 

Zu den Machtkämpfen innerhalb der kurdischen Gebiete in Nordsyrien gibt es ebenfalls jede Menge Berichte, u.a auf deutsch in der jungle world (http://jungle-world.com/artikel/2013/09/47229.html), zu dem bewaffneten Vorgehen der PYD gegen Demos u.a. hier ein Artikel (http://ekurd.net/mismas/articles/misc2013/6/syriakurd804.htm). Wer jenseits der üblichen Verkürzungen Hintergrunde auf deutsch lesen will, sei die Sommerausgabe der Zenith empfohlen, die die Entwicklung in Kurdistan als Schwerpunkt Thema hat und dafür von türkischer Seite angegriffen wurde.

 

Auffällig auch, das auf die ausgebliebenen Reaktionen auf die türkischen Luftangriffe gegen PKK Stellungen nicht eingegangen wird. Apo will den "Friedenprozess" um (fast) jeden Preis retten, darauf deutete schon das von ihm vor 10 Tage ausgesprochene Zeitfenster bis zum 15 Okt für die türkische Regierung hin und das zu einem Zeitpunkt, als die Luftschläge der USA bei Kobane weit geringer ausfielen und die Stadt kurz vor dem Fall schien. Jetzt soll also unbedingt "Ruhe und Disziplin" auf den Strassen herrschen (s. das Zitat von Öcalan im Text) und die (oberen) Parteistrukturen folgen ihm, wie immer. Das Dilemma der Gruppen, die hier über die Entwicklung in Kurdistan/ Türkei berichten, ist, dass sie sich immer auf die Infos von Parteigängern verlassen und u.a. deshalb der Widerprüchlichkeit der Prozesse dort nicht gerecht werden. Ein Beispiel war der Artikel der Plan Kobane von LCM, der immer noch in den Kategorien von US Staatenkette denkt, statt die unterschiedlichen Interessen von Ankara und Washington herauszuarbeiten. Kobane wäre ohne die US Luftschläge, die mittlerweile mit der PYD koordiniert werden, wahrscheinlich schon gefallen. Das die USA nicht aus humanitären Gründen handeln, muss auf einem linken Portal nun eigentlich nicht wirklich mehr gesagt werden.

 

By the way. die Leute vor Ort wissen viel dringlicher, was jetzt notwendig ist. Mit Beginn der Offensive gegen Kobane haben FSA Einheiten Entlastungsangriffe gegen ISIL gefahren, mittlerweile gibt es auch eine gemeinsame Einheit Burkan El Firat .

Grundsätzlich sollte man PKK und PYD voneinander unterscheiden.

Außerdem wird die PKK meist als einheitlich betrachtet, das stimmt so nicht. Denn es gibt einen Hardliner und einen moderaten Flügel. Gerade der Hardliner-Flügel um Murat Karayilan missachtet regelmäßig Absprachen, ermordet Kritiker und Dissidenten.

Man braucht hier überhaupt nicht auf Vorwürfe a lá "Geheimdienstfake" oder "Antideutsch/Antiimp" zurückgreifen um mehrere Punkte in diesem Artikel zu widerlegen.

Es werden hier Behauptungen in den Raum gestellt, die teilweise einfach falsch sind, andererseits werden wichtige Hintergrundinformationen verschwiegen.

 

Die Urheberschaft der Giftgasangriffe ist eben NICHT geklärt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Giftgasangriffe_von_Ghuta

Alle Konfliktparteien beschuldigen sich gegenseitig. Unabhängige Untersuchungen konnten es nicht eindeutig zuordnen.

Das mag für die Beurteilung von Assad vielleicht tatsächlich nicht entscheidend sein, spricht aber Bände über die Art und Weise der "Argumentation" in diesem Artikel.

Man stellt einfach eine Behauptung als bewiesenen Fakt dar und verweist Widersprüche ins Reich von Spinnern und Verschwörungstheoretikern.

 

Das gleiche Muster findet dann auch bei der verkürzten und teilweise schlicht falschen Darstellung des Syrischen Bürgerkrieges Anwendung.

Die derzeitige Situation (vollständige Zerstörung Syriens, Oberhand islamistischer Gruppen) wird als Folge der Zurückhaltung der PYD beim Kampf gegen Assad beschrieben.

 

Zunächsteinmal ist es überhaupt nicht so (wie im Artikel behauptet), dass die Entwicklung in Syrien ohne äußere Einflüsse von Statten gegangen ist.

Seit Beginn der Proteste gegen Assad, haben diverse Groß- und Regionalmächte dort ihre Finger im Spiel gehabt, indem sie unterschiedliche Parteien mit Waffen versorgt, ausgebildet oder logistisch unterstützt haben.

Dazu gehören: Sämtliche Golfmächte (allen voran Saudi Arabien und Katar), USA, Türkei, Russland, Iran etc.pp.

Diese äußere Einmischung in die Geschehnisse in Syrien sind Fakt und keine Verschwörungstheorien.

Sie wird ja nichteinmal von den betroffenen Ländern geleugnet.

 

Absolut unbewiesen und nicht nachvollziehbar sind für mich die Behauptungen in den von der PYD und YPG kontrollierten Gebieten (Rojava) hätte sich am kapitalistischen Status Quo nichts geändert.

Es wird suggeriert die PYD betreibe die Politik der "Clanführer" und "Großgrundbesitzer".

Worin sind diese Vorwürfe begründet?

Hat der Autor etwa Einblick in die aktuelle Wirtschaftspolitik der Räte (insofern man in einer Kriegssituation überhaupt geplante Wirtschaftspolitik durchführen kann) ?

Weiß der Autor ob und wie die Räte in Rojava derzeit in Produktionsverhältnisse eingreifen oder Besitzverhältnisse umstrukturieren (was z.B. bei Nahrungsmitteln der Fall sein dürfte) ?

Wohl kaum.

 

Fern ab von diesen unbewiesenen bzw. schlicht falschen Behauptungen, finde ich aber die grenzenlose Anmaßung und Arroganz des "Kritikers" aus der ersten Welt bezeichnend, mit der die Situation vor Ort bewertet bzw. be- und verurteilt wird.

So wird sich beeilt zu vergewissern, dass die PKK ja nicht mehr leninistisch sei (und nur deshalb überhaupt Solidarität in Frage kommt).

Aber die hierarchische Organisation der kurdischen Parteien, geht dem gesättigten Wohlstandsmenschen dann eindeutig zu weit.

Hallo? Gehts noch?

 

Es gab mal den Begriff der Perspektive des revolutionären Subjekts.

Die Revolutionäre müssen selbst entscheiden, wie Sie sich in ihrer Situation am besten und angemessensten organisieren und kämpfen.

 

Wie kommt ein deutscher Linker dazu, Solidarität mit dem Befreiungskampfes eines ökonomisch und politisch unterdrückten (sowie teilweise von der physischen Vernichtung bedrohten) Volkes daran zu knüpfen, ob seine persönlichen (natürlich stets rein theoretischen) Vorlieben der Organisierung vor Ort umgesetzt werden?

" Wie kommt ein deutscher Linker dazu, Solidarität mit dem Befreiungskampfes eines ökonomisch und politisch unterdrückten (sowie teilweise von der physischen Vernichtung bedrohten) Volkes daran zu knüpfen, ob seine persönlichen (natürlich stets rein theoretischen) Vorlieben der Organisierung vor Ort umgesetzt werden?"

 

Genauso isses !