Linksextreme nehmen den Staat ins Visier

Erstveröffentlicht: 
05.06.2014

Verfassungsschutz will endlich den Linksextremismus systematisch erforschen

 

Bonn/Wildbad Kreuth – Erstmals will der Verfassungsschutz den Linksextremismus in Deutschland wissenschaftlich untersuchen. Unterdessen reden Forscher bei der Hanns-Seidel-Stiftung Klartext: Die Gefahr, die vom Linksextremismus ausgeht, wird massiv verharmlost – vor allem durch linke Politiker und Medien.

 

Der Verfassungsschutz will das linksextreme Milieu in Deutschland erstmals wissenschaftlich untersuchen lassen. Das bestätigte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, im NDR. Maaßen sprach von einem Wissensdefizit über Strukturen und Motive: „Es geht uns darum, dass wir prognosefähig sein können, dass wir Szenarien erkennen können. Und deshalb brauchen wir wissenschaftliche Unterstützung.“ Ziel sei es, Defizite an belastbaren Informationen aufzuarbeiten, so Maaßen. In etwa zwei Jahren soll die Untersuchung auf dem Tisch liegen.

Die Studie wurde bereits auf der Konferenz der Innenminister (IMK) Anfang Juni in Bonn beschlossen. Die IMK begründete: „Diese Studie soll auch genauere Erkenntnisse über das Umfeld des gewaltbereiten Linksextremismus und mögliche Radikalisierungsprozesse aufhellen.“ Der Hamburger Verfassungsschutzchef Manfred Murck verspricht sich von der Studie Vorteile, nicht nur für die Arbeit der Sicherheitsbehörden: „Der Staat sollte generell ein Interesse daran haben, zu verstehen, warum Leute gegen ihn protestieren.“

An diesem Verständnis mangelt es offenkundig. Während Milieustudien und Abhandlungen über rechtsextreme Motivlagen ganze Bibliotheken füllten, sei das linksextreme Lager wissenschaftlich nur wenig erschlossen, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Professor Hans-Gerd Jaschke. Viele seiner Berufskollegen hätten um dieses Thema jahrzehntelang einen weiten Bogen gemacht.

In Wildbad Kreuth analysierten auf einer sehr verdienstvollen Expertentagung der Hanns-Seidel-Stiftung spezialisierte Politologen, Polizisten und Verfassungsschützer die Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch den Linksextremismus. Der Hamburger Oberkommissar und promovierte Politologe Karsten Dustin Hoffmann bestätigte die Erkenntnis, dass der Linksex­tremismus in Deutschland derzeit noch kaum erforscht ist. Mit einer Statistik wies er nach, dass sich der Literaturbestand zum politischen Extremismus in deutschen Universitäts- und Staatsbibliotheken in einer grotesken Schieflage befindet: So sind zum Rechtsextremismus zehn bis 25 mal mehr Bücher vorhanden als zum Linksextremismus. Und das, obwohl die Zahl der Gewaltdelikte von Rechts- und Linksextremisten sich im Großen und Ganzen die Waage hält – bei gewissen jährlichen Schwankungen.

„Die militante Linke wird seit Jahren öffentlich ignoriert“, kritisierte Hoffmann. Auch manche Verfolgungsbehörden greifen bei Linksextremisten augenscheinlich nicht so konsequent durch wie bei Rechtsextremisten. So liefere die linke Internet-Plattform „Links-Unten“ offen Tipps zur Durchführung von Brandanschlägen, zu Farbanschlägen mit manipulierten Feuerlöschern sowie zum Umbau von Laser-Pointern zu gefährlichen Waffen. „Meine These lautet: Wenn die Betreiber von Links-Unten Rechtsextremisten wären, wären sie schon lange im Gefängnis“, so Hoffmann.

Zu seinem Forschungsgebiet Linksextremismus sei er durch seine zwölf Jahre währende Tätigkeit bei der Bereitschaftspolizei gekommen, sagte Hoffmann. Sehr häufig sei er dabei dem „Schwarzen Block“ gegenübergestanden, der aus diversen gewaltbereiten linksextremen Gruppen besteht. In Hamburg sei es häufig um das besetzte Haus „Rote Flora“ gegangen. Die Randale konzentriere sich meist aufs Schanzenviertel und St. Pauli. „Als ich mich dann mal erkundigen wollte, was da eigentlich abgeht in der Roten Flora, wer da wohnt, welche Gruppen den Widerstand organisieren, fand ich keinerlei Material. Daher habe ich dann eigene Erkundigungen eingezogen, und daraus ist meine Dissertation gewachsen“, so Hoffmann.

Unterschätzen dürfe man die Aggression der Linksextremisten nicht, so Hoffmann. Das über das Internet verbreitete Know-How – Brandsätze, technisch aufgemotzte Böller aus dem Ausland und Laser-Pointer – lasse den Schluss zu, „dass manche militante Linke sich an der Grenze zum Terrorismus bewegen“. Auch schwere Körperverletzungen etwa von Polizisten würden durchaus in Kauf genommen.

Hoffmann erklärte auch, aus welchen Gruppen ein typischer militanter linksextremer Demonstrationszug besteht und wie die Gruppen interagieren. „Nicht alle werfen Steine und Brandsätze, das ist nur eine Minderheit. Aber keiner der Teilnehmer stellt das in Frage, sondern alle leisten moralische Unterstützung, verstecken Täter, lenken die Polizei ab. Ohne die Mitläufer könnten die Steinewerfer gar nicht arbeiten.“ Die Gesamtzahl der für gewalttätige linksextreme Demonstrationen aktivierbaren Teilnehmer schätzt Hoffmann bundesweit auf 40000.

Einen interessanten Einblick in die Strukturen linksextremer Musik bot Ulrike Madest, Politologin aus Chemnitz. Stilistisch irgendwo zwischen Punk und Rap verortet, komme es vor allem auf die Texte an: „Das Linksextreme dabei sind die Texte“, so Madest. „Linksextreme Musik ist Hass-Musik.“

Doch auch hier biete sich dasselbe Bild der Unterschätzung, kritisiert Madest: Beleidigungen gegen Polizisten und Andersdenkende, sogar direkte Aufrufe zur Gewalt sowie die Verunglimpfung der Bundesrepublik als „Schweinesystem“ und „Schweinestaat“ würden von Gerichten häufig nicht geahndet. Hier werde die Kunstfreiheit äußerst weit ausgelegt.

Viele unpolitische Bands hätten keine Bedenken, zusammen mit linksextremen Bands aufzutreten. Lokalzeitungen und Lokalradios machten häufig Werbung für linksextreme Musikfestivals. Im rechtsextremistischen Bereich wäre das zu Recht undenkbar und würde parteiübergreifende Abscheu-Demonstrationen auslösen, so Ulrike Madest.

Der Dresdener Totalitaris­musforscher Uwe Backes analysierte die linksextremen Strukturen innerhalb der SED-Nachfolgerin Linkspartei. „Ein echter Demokrat würde es in der Linkspartei nicht lange aushalten“, sagte er. Zwar agiere die derzeitige Führung geschickter als etwa die ehemalige Vorsitzende Lötzsch. Der innerparteiliche Pluralismus aber schließe zahlreiche extremistische Arbeitskreise mit ein.

„Acht von 40 Bundesvorstandsmitgliedern haben eine eindeutig extremistische Vergangenheit“, so Backes. Die fusionierte WASG habe ihre eigenen Linksextremisten in die Partei gebracht. Kandidaten der DKP kandidierten etwa in Baden-Württemberg auf Linkpartei-Listen, der größte Arbeitskreis sei mit rund 1250 Mitgliedern die DKP-nahe Kom­­munistische Plattform (KPF). Parteiikone Gysi gehe gerichtlich gegen jeden vor, der seine Rolle in der DDR und seine Kontakte zur Stasi thematisieren wolle. „Die Linke ist kein verfassungsloyaler demokratischer Akteur“, so Backes.

Die Parteiführung könnte die acht extremistischen Vertreter auch gar nicht aus dem Vorstand hinauswerfen, etwa um ein Bündnis mit der SPD auf Bundessebene zu ermöglichen. „Diese Linksextremisten und Arbeitsgemeinschaften sind die Speerspitzen von starken linksextremen Basisbewegungen. Die reichen bis in die Vorstände hinein. Sie stellen einen beträchtlichen Teil der Partei dar, vor allem im Westen. Ein großer Teil der West-Linken würde schlicht wegbrechen“, erklärte Backes

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Es scheint, als ob die Kritiken und (Teil)Rückzüge aus dem Extremismus-alle-sind-gleich bei manchen hardlinern dazu geführt haben, nun eine weitere Runde des Hufeisenschwachsinns aufzuheizen. Dagegen gilt es sicherlich mit allen mitteln anzustinken, allein um in (hoffentlich) kommenden Bewegungstendenzen nicht schon an die Wand gestellt zu werden.

einen netten Text zum interviewten Typen: https://www.inventati.org/leipzig/?p=365

 

oder auf linksunten, the same: https://linksunten.indymedia.org/de/node/102820

Karsten Dustin Hoffmann ist Mitglied der "Alemannia Bremen".