Russland: unbequeme NGOs sind keine „ausländischen Agenten“!

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Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen sind in Russland umfassender Repression ausgesetzt, mehr noch seit das Gesetz zu „ausländischen Agent*innen“ in NGOs am 04. Juni verschärft wurde - es trifft die Aktivist*innen jetzt mit voller Härte. Wo internationale Kontakte gepflegt werden, wird Spionage unterstellt. Beispielsweise der Umweltgruppe Ecodefence, die gemeinsam mit Antiatomaktivist*innen aus Gronau und dem Münsterland die Uranhexafluoridtransporte von der Urananreicherungsanlage in Gronau in die russischen Freiland- Atomlager aufgedeckt und damit erfolgreich gestoppt hat.

 

Oder die Humanistische Jugend-Bewegung in Murmansk (GDM), die zwei Mandate im zivilgesellschaftlichen Kontrollkomitee von Murmansk hat. In dieser Funktion streitet sie für bessere Haftbedingungen, ist von Amts wegen befugt, Gefangene ohne Ankündigung zu besuchen und Mängel der Haft zu beanstanden. Dieses Recht haben z.B. bei uns nur Abgeordnete. Die GDM ist nicht mal besonders radikal, soll aber offensichtlich mundtot gemacht werden. Die Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende sind konkret von hohen Geldstrafen bzw. Haft bedroht.

 

Am 16.6.14 war der erste Verhandlungstag im Verfahren gegen die GDM. Der Prozess wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf den 08. Juli 14 vertagt, weil das regionale Justizministerium in Murmansk die Auffassung nicht teilt, dass die NGO als ausländische Agent*in einzustufen sei und Zweifel an der Beweisführung anmeldete - offenbar sitzen da im Ministerium etwas „fittere“ Leute, die nicht gleich spuren, wenn der Geheimdienst etwas anordnet, - denn auf Betreiben des FSB (ehemals KGB) hin wurde die Anklage erhoben und die Staatsanwaltschaft folgte den Geheimdiensten und klagte an.

 

Die Gruppen, die nach der Foreign Agent - Gesetzgebung angeklagt werden, sind damit quasi schon so gut wie erledigt, denn mehr als 90 % der Anklagen führen auch zu Verurteilungen im Sinne der Anklage. Sie sind dann genötigt sich aufzulösen, indem sie arbeitsunfähig gemacht werden. So bekommen diese Gruppen beispielsweise keinen Mietvertrag (auch für Veranstaltungen) und kein Bankkonto mehr, wenn sie den Stempel „ausländische Agent*in“ haben.

 

Die Logik geht so: jede politische Organisation, die Geld aus dem Ausland bekommt, muss sich selbst und von sich aus als ausländischer Agent (=Spion) anmelden. Die russische Sprachregelung bedient dabei die Vokabeln aus dem kalten Krieg und „Normalbürger“ gehen auf Distanz. Fand diese Selbstanzeige nicht statt und wird in der Gerichtsverhandlung aber geurteilt, dass es sich um eine Organisation mit ausländischen Agent*innen handelt, kostet das ein Bußgeld von 10.000,- € oder vier Jahre Knast.

 

Insbesondere die „einfachen“ Menschenrechtsorganisationen (die z.B. den Ablauf der letzten Wahlen kritisiert haben) oder erfolgreiche Umweltorganisationen sind Zielscheibe dieses neuen Gesetzes. Aktivist*innen die unbequem werden, sollen von der politischen Bildfläche verschwinden. Es geht immer um Machterhalt, hier vor allem von Kirche und Oligarchen.

 

Setzen wir dem unsere Solidarität entgegen!

 

Die Umweltorganisation „Ecodefence“ ist auch angeklagt, bislang gibt es noch keinen Gerichtstermin. Es wird spekuliert, dass die größere Öffentlichkeit dafür sogt, dass nicht so leichtfertig abgeurteilt wird. Also denn: internationale Solidarität wirkt!

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Danke für die Infos über die Repression gegen beide Gruppen. Beiträge der Roten Hilfe sind aber normalerweise ausführlicher und präziser. Die Darstellung der NGO-Gesetzgebung ist lückenhaft und arg skandalisierend. Man muss sich nicht als "Spion" registrieren und als Agent nur ab einer gewissen Größe und Umfang an Zahlungen durch institutionelle Geldgeber aus dem Ausland. Man hat dann vielleicht größere Probleme, Räumlichkeiten zu mieten, aber nicht auf gesetzlicher Grundlage. Trotzdem Scheiße, ganz klar, aber gerade von der Roten Hilfe hätte ich mir Infos gewünscht, die über die massenmediale Polemik hinausgehen.

 

Noch Vorschläge, wie man konkret mit den genannten Organisationen solidarisch sein kann?

Mehr Informationen sind immer sinnvoll, wobei der Umfang eines lesbaren Artikels begrenzt ist. Es gibt inzwischen aber beispielsweise ein Blog der Soli-Kampagne gegen die Verfolgung von NGOs als "Foreign Agents" in Russland, wo Hintergrundinformationen und insbesondere auch Referenzen zu den Angaben zu finden sind: http://russlandantirep.blogsport.de

Die Aussage Organisationen müssten sich erst ab einer gewissen Größe und bestimmtem Zahlungsumfang registrieren scheint aber nicht der Realität zu entsprechen. Prinzipiell ist jede registrierte NGO betroffen, die irgendeine Unterstützung aus dem Ausland erhält (das muss nicht nur Geld sein) und deren Aktivitäten als "politisch" betrachtet werden. Das "Foreign Agent"-Gesetz hält sich mit klaren Aussagen dazu, was "politisch" und "Unterstützung" ist, zurück, was schon im Gesetzgebungsverfahren kritisiert wurde.

Die Analogie "Spion"="Agent" macht in diesem Kontext Sinn, da der russische Begriff "Ausländischer Agent" auf Kalter Krieg-Diskurse zu ausländischer Spionage Bezug nimmt, und in der allgemeinen Wahrnehmung dieser "Ausländische Agent" als Spion wahrgenommen wird.

Öffentliche Soli-Erklärung, Verbreitung der Infos, Spenden für die juristische Auseinandersetzung können hilfreich sein. Sicherlich auch Protest vor Botschaften/Konsulaten.

Nun, auf der RH-Homepage finde ich nach kurzer Suche dieses Statement nicht. Entweder bin ich zu blöd, oder es stammt nicht von der RH. Ich unterstelle mal, dass die RH ihre Homepage auch entsprechend pflegt.

Heute wurde der Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung im "Foreign Agent"-Verfahren gegen die Humanistische Jugendbewegung (GDM) mitgeteilt. Sie wird am 10. September 2014 am Amtsgericht in Murmansk stattfinden. Bis dahin soll ein neues "psychologisch-linguistisches Gutachten" von Texten aus der von GDM herausgegebenen "Jugend für Menschenrechte Zeitung" erstellt und ins Verfahren eingeführt werden. Das erste, vom "Zentrum gegen Extremismus" beauftragte Gutachten der Anklage war so offensichtlich tendenziös gewesen, dass Richterin Zemtsova eine Verurteilung damit wohl nicht begründen will und es selbst als zweifelhaft bezeichnete. Dass weder die ablehnende Stellungnahme des für das "Foreign Agent"-Register zuständigen Justizministeriums, noch das von der Verteidigung beauftragte wissenschaftliche Gegengutachten von ihr als Grundlage für einen Freispruch genutzt wurden, deutet ein weiteres Verfolgungsinteresse zumindest an.

Heute wurde der Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung im "Foreign Agent"-Verfahren gegen die Humanistische Jugendbewegung (GDM) mitgeteilt. Sie wird am 10. September 2014 am Amtsgericht in Murmansk stattfinden. Bis dahin soll ein neues "psychologisch-linguistisches Gutachten" von Texten aus der von GDM herausgegebenen "Jugend für Menschenrechte Zeitung" erstellt und ins Verfahren eingeführt werden. Das erste, vom "Zentrum gegen Extremismus" beauftragte Gutachten der Anklage war so offensichtlich tendenziös gewesen, dass Richterin Zemtsova eine Verurteilung damit wohl nicht begründen will und es selbst als zweifelhaft bezeichnete. Dass weder die ablehnende Stellungnahme des für das "Foreign Agent"-Register zuständigen Justizministeriums, noch das von der Verteidigung beauftragte wissenschaftliche Gegengutachten von ihr als Grundlage für einen Freispruch genutzt wurden, deutet ein weiteres Verfolgungsinteresse zumindest an.

Die Pausierung des Gerichtsprozesses wurde jetzt bis 25. September verlängert, weil das neue vom Gericht beauftragte psychologisch-linguistische Sprachgutachten nicht in der angesetzten Zeit fertiggestellt werden konnte.