Das folgende Interview führten wir mit AktivistInnen aus dem unabhängigen Nachbarschafts- und Arbeitslosenzentrum in Perama / Griechenland geführt. Mit der Gründung ihres Zentrums 2011 versuchen die Menschen in Perama ihre Bedürfnisse selber zu organisieren und setzen dabei in erster Linie auf ihre eigene Kraft. Mit ihrer Selbstorganisierung möchten sie einen weiteren Schritt in eine neue Gesellschaft, jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung, gehen. Mehr Informationen über die Arbeit des Zentrums und der Situation vor Ort findet ihr auf http://peramasoli.blogsport.eu
Könnt ihr kurz erklären wie es zur Entstehung eures Zentrums kam?
Die Offene Versammlung von Perama wurde direkt nach den Versammlungen am Syntagma Platz ins Leben gerufen. Wir befanden uns also am Platz unserer Stadt und beschlossen in Perama weiterzukämpfen. Unsere Ziele sind:
Umsturz der Politik der Memoranden
Aktivierung der Gesellschaft durch direktdemokratischen Prozesse
Selbstorganisierung
Solidarität
Welches sind eure Arbeits- oder Aktionsschwerpunkte?
Als Prioritäten unserer Bemühungen setzten wir den Kampf für den Umsturz der Regierungspolitik und die Aktivierung der Bevölkerung mittels kollektiver Aktionen so, dass sie all dies beansprucht, was ihr zusteht. Noch eine grundlegende politische Priorität ist der Kampf gegen Faschismus, der sich in Perama zu einer offenen, tiefer werdenden Wunde entwickelt hat.
Auf der kollektiven Ebene kämpfen wir für unsere Arbeitsrechte und beanspruchen zugleich die Güter die uns zustehen. Auf dieser Grundlage haben wir, als selbstorganisiertes Kollektiv, ein Solidaritätsnetzwerk aufgebaut, mit folgenden Tätigkeiten;
Solidarischer Nachhilfeunterricht für Schüler
Wiederanschluss ans Netz für Familien die die Strom- oder Wasserrechnungen nicht begleichen konnten
Verteidigung der Wohnungen gegen Zwangsversteigerungen und Beschlagnahmen
Interventionen in Krankenhäusern für die kostenlose Behandlung von Unvesicherten
Kampf für die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel von Erwerbslosen und Schülern
Alternative Kulturveranstaltungen mit Diskussionen, Filmen, Kinderaktivitäten
Einsammeln von Lebensmitteln im solidarischen und selbstorganisierten Rahmen (und nicht wie die Kirche oder die Nichtregierungsorganisationen)
Wie finanziert ihr eure Arbeit / eure Aktionen – wer unterstützt euer Zentrum?
Wir bemühen uns darum, unsere Aktionen selbst zu unterstützen, auch finanziell, aber mit großen Schwierigkeiten denn die meisten von uns sind erwerbslos. Unterstützung (mit Geld und Lebensmitteln) und Beistand leistet uns vor allem das Netzwerk „Solidarität für alle“ aber auch andere Kollektive aus Griechenland und Deutschland mit ähnlichen Tätigkeiten.
Wer macht bei euch mit? Wen unterstützt ihr?
Unsere MitstreiterInnen sind Menschen die zur Verzweiflung gebracht wurden und ihre Existenzbedürfnisse nicht mehr befriedigen können. Dazu kommen politisch aktive Menschen aus dem ganzen Spektrum von der Linke bis hin zur Autonomie. Unsere rote Linie ist der Faschismus jeder Art.
Wie ist die Situation in Perama mit den Neonazis, welchen Widerstand setzt ihr dagegen?
Die hohe Arbeitslosigkeitsquote und das strukturelle Problem von Armut und niedrigem Bildungsniveau in unserer Stadt war der Nährboden für die Faschisten von „Chryssi Avgi“ und ermöglicht die Festigung ihrer Politik und die regelmäßige Einsetzung ihrer Gewaltpraxis. Die politische Empörung gegen die bisher eingesetzte Politik der jeweiligen Regierungen und das Promoten durch manche Reeder, die langfristig auf ein Gegengewicht zu den linksorientierten Gewerkschaften abzielten, um die Schiffbauerzone von Perama auszubeuten, haben zur Verschärfung des Problems beigetragen. Unsererseits versuchen wir ihre Aktionen aufzuhalten, mittels eigenen Veranstaltungen gegen Faschismus (Diskussionen, Demonstrationen, Filme). Wir Verteilen Antifa-Material in den Schulen unserer Stadt. Wir informieren die Bevölkerung über die Ursprünge und Interessen des Faschismus und nehmen an Antifa-Aktionen jeder Art im ganzen Athen teil.
Infoveranstaltung am 3.5. in Berlin
“Selbstorganisierung in Perama/Griechenland”. Die Gemeinde Perama hat, mit ca 70 %, mit die höchste Arbeitslosenquote in Griechenland. Das unabhängige Nachbarschafts- und Arbeitslosenzentrum aus Perama wurde 2011 gegründet. 2 AktivistInnen aus dem Zentrum werden über ihre Aktivitäten und Selbstorganisierung berichten und laden ein, zu einer gemeinsamen Diskussion über Möglichkeiten, Schwierigkeiten und Notwendigkeiten von Selbstorganisierung von unten, gerade in Zeiten der Krise.
Berlin Samstag, 03.05. 17 Uhr
“Jockel”; Ratiborstr. 14c; Berlin Kreuzberg
„Soziale Selbsthilfe und politischer Widerstand im Stadtteil“