Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz – mit diesen großartigen Worten beschrieben Ende des vorigen Jahrhunderts einige oppositionelle Musiker die örtliche Situation, und heute lässt sich mit Bestimmtheit sagen dass jeder Schritt flussaufwärts die Wahrheit dieser Feststellung unterstreicht. Obszön ist nicht dass in den Hafenstädten so professionell geredet wird, sondern dass im Landesinneren geurteilt wird als hätten die Richter ihre Berufung verfehlt. Neuestes Schulbeispiel derartiger Dienstleistungsjustiz ist das Münchner Flughafen-Urteil. In der Kantine des Ministerium wird bereits darüber gesprochen dass bei der Verkündung das Kruzifix von der Wand gefallen sei, woraufhin eine Gerichtsdienerin entlassen wurde welche gesagt haben soll das wäre davon gekommen dass der Gekreuzigte vor lauter Turbinenkrach die Worte „Im Namen des Volkes“ nicht mehr verstehen konnte. Das letzte ist nur ein Gerücht – doch der Fluglärm leider nicht.
Sollte das Urteil das bayerischen Gerichts wie von diesem verkündet in die Tat umgesetzt werden, dann werden dadurch im Vollzugszeitraum viele Menschen vor der Zeit sterben. Die präzisen Zahlen müssten wissenschaftlich ermittelt werden, doch die Hochrechnungszuverlässigkeit ist vergleichbar mit Kraftwerken oder Tagebauen. Eine Stichprobe der medizinischen Auswirkungen reicht aus um auf Grundlage der Gesamtbetroffenenzahl zweifelsfreier als für irgendeine andere Symptomatik berechnen zu können wie viele Tote infolge des Vorgangs zu verzeichnen sein werden.
Diese Angaben sind freilich unspezifisch, so wie die halbe Million Menschen welche weltweit aufgrund von Fukushima vorzeitig sterben (konservative Schätzung auf Grundlage der Caldicott-Studie). Dies im Einzelfall zu belegen ist ebenso schwierig wie nachzuweisen dass ein bestimmtes Unwetter die Auswirkung einer industriegesellschaftlich verursachten Klimastörung ist. Doch wären die Berechnungsgrundlagen für die Häufigkeit von Klimastörungen ebenso zuverlässig wie für die Todesfälle, dann bräuchte über Klimaziele nicht mehr verhandelt werden und der nächste „Klimagipfel“ könnte sich geschlossen krankschreiben lassen.
Das Münchner Flughafen-Urteil ist somit ein zigtausendfaches Todesurteil, nur Namen sind noch nicht eingetragen. Vollstreckt wird das Blutvergießen auf unsichtbare Weise – Zivilisationskrankheiten kommen früher und öfter oder auch heftiger, das Leiden ist aus der Öffentlichkeit verdrängt, der Begriff „Startbahn“ erscheint nur in den seltensten Fällen auf Sterbedokumenten – die Hinterbliebenen sind quasi in der umgekehrten Lage wie die der Gestapo-Deportationen – sie haben den Leichnam, aber kein Namensdokument das die Schuldigen bezeichnet.
Die bayerische Gerichtsbarkeit hat also ein Blanko-Urteil hinterlassen, und das fliegende Standgericht grüßt bereits mit der Lenkflosse wenn es dem Justizpalast seine Wirbelschleppe überwirft. Ab und an sollen politische Diskussionen stattfinden in denen es unangebracht ist den Hitler-Faschismus als Vergleichsmaßstab einzuführen. Doch nicht so am „Flughafen des Goldfasans“ - so der Spottbegriff für die Luftschutzbunker-Propagandisten die kurz vor dem Ende den unausweichlichen Zerfall der Nazi-Hierarchie aufzuhalten versuchten, und von denen in Form der Person Franz-Josef Strauß einer zum Namensgeber des Münchner Flughafens wurde.
Dabei ist das Justizversagen an der Oberfläche dem unmittelbaren Schein nach keine bayerische Extrawurst – dasselbe hat bereits in Hessen stattgefunden und in Berlin. Das wurde zuletzt ersichtlich als die Leipziger Richter von ihren wirtschaftlichen Zuhältern gedrängt wurden endlich zuungunsten der Nachtruhe zu urteilen. Das partielle Nachtflugverbot in Frankfurt machte es seinerzeit erforderlich den Ministerpräsidenten zu entlassen wie einen Lehrling der auf den Auftrag hin die Werkstatt zu fegen nur den Kehricht aus dem Mittelgang an die Seiten schob – denn ein Großteil der gestrichenen Flüge fand sich daraufhin in den Nachtrandstunden angehäuft wieder.
Schließlich ist das Nachtflugverbot in Frankfurt überhaupt nur der Tatsache zu verdanken dass nach dem Bau der Frankfurter Startbahn seitens der Protestbewegung die Notbremse gezogen wurde. Hätten damals nicht beherzte Startbahn-Gegner eine Waffe umgedreht die noch in einer Entfernung tödlich ist wo es keinerlei Treffsicherheit mehr gibt, und der Öffentlichkeit eine angemessene Unterrichtsstunde zur Wirkung des Geräts erteilt, könnte rund um Frankfurt womöglich noch heute kein Mensch partiell durchschlafen.
Doch mit ihrer direkten Aktion setzten die Demonstranten ein Zeichen hinter das spätere Generationen auch in der größten Entmutigung nicht mehr zurück konnten oder wollten: Auch wenn es möglich ist einer demokratischen Justiz eine Chance zu geben sich zu bewähren – und sei es auch nur um nachher darauf pochen zu können dass diese verspielt wurde – ihr in politischen Entscheidungen das letzte Wort zu lassen ist keine emanzipatorische Aktionsform.
Die Tötung der beiden Büttel, die seinerzeit selbst viele Flughafen-Gegner erschreckte, nachdem daraufhin der angestaute Wahnsinn der Demokratie-Diktatur über sie hereinbrach, hat im Endeffekt dazu geführt dass das Leipziger Gericht sich an das Gesetz zur Nachtruhe halten musste. Damals gab es ja noch die innerdeutsche Grenze an der zumindest in der Theorie auch scharf geschossen wurde – allerdings ohne die heimtückische Streumunition welche die „Bonner Republik“ gegen Demonstranten aushändigte. Und als das Nachtflugverbot kam, war es der Beweis dass selbst die korruptesten Richter der „Resolution der Kommunarden“ nicht widerstehen konnten.
Der Verfasser plädiert dafür aus dem unsichtbaren Anhang des Münchner Todesurteils die Namen der Flughafenanwohner zu streichen, mit deren Leben(squalität) die Flughafenerweiterung sich bezahlt sehen will, auf den Bau der Startbahn ehrenhalber zu verzichten, und stattdessen die Namen der Agenten des unweit von München ansässigen „Bundesnachrichtendienst“ einzufügen. Denn die BND-Behörde ist für die Lebensinteressen der Menschen in Stadt und Land eine wenigstens ebenso üble Belastung wie die CIA-Behörde am Rande der hessischen Landeshauptstadt für die Menschen in der Umgebung des Frankfurter Flughafens und darüber hinaus.
Eigentlich hätten beide Spitzelbehörden bereits vor Jahren erstürmt werden müssen als sie damit begannen Personen wegen ihrer Überzeugungen oder zum Teil auch nur wegen ihres Namens in Geheimgefängnisse zu verschleppen. Es mag zwar sein, dass ein Todesurteil gegen einige Tausend Spitzel bzw. Agenten so unnötig erscheint wie die toten Soldaten der völkerrechtswidrigen Angriffskriege, doch das rührt nur aus einer unvollständigen Wahrnehmung. Einigen wenigen dokumentierten Toten stehen unverhältnismäßig viele undokumentierte gegenüber, eine einzige Reaktorkatastrophe genügt um sämtlichen Militaristenkitsch der letzten Generation in den Schatten zu stellen.
Es wäre hier auch daran zu erinnern dass das höchste Gericht des Landes (in den Augen des Verfassers ohnehin nur eine Handvoll blutiger Heuchler) bislang versagt hat der Öffentlichkeit die Identitäten der BND-Agenten zu präsentieren welche sich während der Invasion im Irak aufhielten, das Berliner Kabinett in den Libyen-Krieg nötigten, oder nach der Finanzinvasion Griechenlands den Mord an Pavlos Fyssas organisierten. Wenn es der Öffentlichkeitscharakter des Tötens ist welcher der Justiz Skrupel bereitet, nicht dieses an sich, dann ist eine Geheimbehörde das ideale Übungsziel, denn diese ist geradezu ein Lehrstück für die Erfahrung dass es erst dieser Öffentlichkeitscharakter ist der der Sache einen dauerhaften Sinn verleiht.
Würde den Geheimbehörden im Geheimen eins ausgewischt, bliebe immer noch ein bisschen Dreck in irgendeiner Ecke wo gerade nicht hin geleuchtet wird und daraus entstünde der Bespitzelungsterror von neuem. Das ist nicht zuletzt eine der Ursachen ihrer derzeitigen Situation. Sie jedoch öffentlich abzuwickeln löst drei Probleme auf einen Schlag: Zum einen wird so eine besonders problematische Behörde transparent gemacht, zum anderen der gewaltsame Tod vom falschen an den richtigen Platz zurückgebracht, und zum dritten wird damit die Voraussetzung geschaffen sich der Fremdbesetzung in Wiesbaden zu entledigen. Denn das hiesige Spitzelunwesen ist ein Ableger der Fremdbesetzung und ohne diese nicht lebensfähig, auch nicht an anderen Standorten, wie der jährliche Patientenbesuch im „Bayerischen Hof“ belegt.
Daher ist das Todes-Urteil von München immerhin in einem Punkt richtig: Es urteilt nicht nach einem Sankt-Florians-Prinzip. Zumindest nicht soweit dies das bayerische Selbstverständnis betrifft. Es wäre einfach gewesen die Entscheidung dem föderalen System zuzuschieben und sich dann darauf zu beziehen. So haben die Münchner Richter es stattdessen einer höheren Stelle überlassen ihren Spruch zu vervollständigen, und sich damit den Umweg über die Institutionen der „Berliner Republik“ erspart. Was nicht heißt dass das genannte Prinzip nicht auf den einen oder anderen Richter persönlich zutrifft der mit dem Geld das er dafür einsteckt dafür zu sorgen versucht dass ihm der Flugbetrieb nicht persönlich das Dach abdecken kann. Doch das sind Einzelheiten die geklärt werden können wenn die Sache vollstreckt und damit auch die heimliche Nachfrage für die ganz offenbar unsinnige Flughafenerweiterung entfallen ist.
Trifft die bayerischen Richter persönlich dieselbe Schuld wie die BND-Agenten die sie zum Tode verurteilt haben? Das ist eine Frage des Gesellschaftsbilds. Ein historischer Antifaschist der Weimar-Ära merkte einmal treffend an, jeder zukünftige Richter solle sich vor seinem ersten Urteil eine Woche inkognito ins Gefängnis sperren lassen, allein der Sachkenntnis halber. Der Verfasser der Gegenwart legt Wert darauf dem hinzuzufügen dass Juristen hier über kein polytechnisches Grundwissen verfügen.
Eine im Sinne freier Selbstbestimmung ihrer zukünftigen Entwicklungsrichtung offene Gesellschaft ist in dieser Hinsicht nicht wie ein Flugzeug sondern wie eine S-Bahn: Fallen die Systeme aus dann werden automatisch alle Ausgänge freigegeben. Dieser hohe Sicherheitsstandard ist bereits in der pneumatischen Konstruktion veranlagt. Der einzelne Jurist mag jahrelang unter dem Nothahn gesessen ohne je dessen Funktion begriffen zu haben, und könnte sich darauf berufen bis soeben von einem kindischen Gesellschaftsbild befangen gewesen zu sein. Doch der bayerischen Justiz als Ganzes kann keine solche Milde gewährt werden: Ihr im Fall Strauß Unbefangenheit zu attestieren wäre ebenso abwegig wie dem bigotten Titularbaron Gartenzwerg anderer Leute Kunstschätze anzuvertrauen.
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Siehe auch:
- Das große Debakel der sozialkonservativen Kollision (15.12.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/101518
- Die Kanzleramtsaffäre und die Deutschen (7.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/102951
- Menschliche Schutzschilde für den Restadel? (14.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/103417
- Vorfahrt durch Lügen – das blaue Wunder der gelben Bengel (23.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/104348
- Der Troll der aus dem Schiffsbau kam (25.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/104443
- Euthanasie und Export – sozialkonservative Aufbruchssimulation in Berlin (31.1.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/105009
- Ich vermeide Steuern und das ist definitiv besser so. (7.2.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/105565
- Sind "Die Grünen" utopiefähige Wegbegleiter der Umweltschutzbewegung? (12.2.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/106007
- Grausamkeit und Sexualität als Symptom(e) der kapitalistischen Krise (21.2.) - https://linksunten.indymedia.org/de/node/106701
gelaber
bürgerliches geschwätz ("…die Richter hätten ihre Berufung verfehlt") in möchtegern-klugscheißer-Sprache formuliert - wer braucht sowas?? was Sicht sowas auf so einer Plattform??
Bescheuert ?
Das ist wirklich mit Abstand das bekloppteste das ich diese Woche gelesen habe und den Postilion und die Bild hab ich schon durch!
Bei solchen Textstellen weiß ich wirklich nicht ob das noch Satire oder schon Wahnsinn ist.