[Pl/WAW] Marsch der Unabhängigkeit - Nationalist_innen greifen das Squat Przychodnia an

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Ein Marsch zehntausender Patriot_innen und (Ultra-)Nationalist_innen feiert wieder die Polnische Unabhängigkeit von 1918 in Warschau. Ein massenhaft besuchter "Marsch der Unabhängigkeit" setzt sich in Bewegung und läuft die Straße Marszalkowska hinunter, mitten im Zentrum der Hauptstadt Polens. Es sind wieder einige Rechtsradikale unter dem Zug der Patriot_innen und anderen Fahnenschwenkenden. Es sind rechte Parolen zu hören, wie auch auf einigen riesigen Transparenten und Spruchbändern zu lesen, z.B. "Bóg, honor i ojczyzna" (Gott, Ehre und Vaterland).

 

Es wird sehr viel Pyrotechnik abgebrannt, einige haben sich vermummt (unter anderm mit Mützen von Legia Warszawa - der Warschauer Fußballclub).

 

Im Laufe der Demonstration wird von einigen hundert Nationalist_innen das nahegelegene Squat Przychodnia in der Straße Skorubki angegriffen. Laut den Nachrichtensprecher_innen drängen sie sich durch eine Blockade von Ordner_innen und stehen direkt vor dem besetzten Haus. Mindestens eine Person wird zusammen geschlagen. Sie hätte Fotos von den Angreifenden machen wollen. Außerdem werden Absperrungen vor dem Squats herausgerissen und versucht das Gebäude zu beschädigen. Die Angreifenden werfen mit Bengalos und Steinen auf das Squat. Ein paar Aktivist_innen der Przychodnia befänden sich auf dem Dach des Gebäudes um sich und das Squad unter anderem mit Flaschen vor dem nationalistischen Mob zu verteidigen. Die Autos auf dem Gelände des Hausprojektes werden ebenfalls angegriffen, davon geht eins in Flammen auf. Einige Scheiben des Gebäudes werden eingeschlagen.

Dem Bericht der Syrena (ein linkes Hausprojekt auf dem selben Gelände) zufolge seien die Nationalist_innen unter anderem mit Macheten bewaffnet und zum Morden bereit. Die Polizei sei für ca. 30 Minuten abgezogen und hätte den Angreifenden so genügend Zeit gegeben auf das Gelände zu gelangen und Leute zu verletzen.

 

Immer wieder wird in den Nachrichten erwähnt, die Veranstalter_innen betonen den vermeintlichen friedlichen Charakter der Feierlichkeiten und hätten versichert, dass es ohne Polizeipräsenz keine Ausschreitungen, wie z.B. letztes Jahr, geben würde. In Anbetracht der Bilder, die zu sehen sind, ein bloßes Lippenbekenntnis. Im Anschluss an den Angriff auf das linke Hausprojekt drängen Polizist_innen die Angreifenden zurück von der Straße Skorubki zur Demonstration. Die Polizei wird mit Böllern und Bengalos angegriffen. Ein Krankenwagen ist vorgefahren, die Nachrichtensprecher_innen sprechen darüber, dass es nicht ausgeschlossen werden kann, dass mindestens eine Person (Reporter_in) ernsthaft verletzt wurde. Sie sei reanimiert worden.

 

Zu einem weiteren Angriff kommt es später. Das Regenbogen-Denkmal auf dem Platz Zbawiciela wird abgebrannt, offenslichtlich, weil ein Regenbogen das Symbol der LGBT-Szene darstellt und das nicht den Idealen der Nationalist_innen und der konservativen, polnischen Gemeinschaft entspricht. Die Menge steht dabei außen herum und bejubelt das Brennen des Denkmals. Die Feuerwehr, die versucht den Regenbogen zu löschen, wird behindert und mit Feuerwerkskörpern beworfen. Als der Regenbogen, der etwa zur Hälfte abgebrannt ist, von der anderen Seite ebenfalls entzündet wird, zieht sie sich zurück.

 

Eine Person in den Nachrichten spricht selbst davon, dass die Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit eine gute Anschlussmöglichkeit für rechtsextreme Positionen und Gruppierungen bieten. Diese Gruppierungen hätten das Problem schließlich erkannt, warum es Polen so schlecht gehe: Einwander_innen, "die Anderen" und eben auch Linke seien Schuld. Die meisten Sprecher_innen betonen jedoch, dass die Angriffe lediglich Randerscheinungen seien, sich gewaltbereite Fußballfans unter die Feiernden (o-Ton: hauptsächlich Familien mit Kindern) mischten und dem Ansehen der Demonstration und Polens schadeten. Sie trennen einen guten Patriotismus, die bloße Liebe zu Polen, von einem schlechten Patriotismus, dem Nationalismus und den emotional aufgeladenem Stolz auf Polen und die Unabhängigkeit von fremder Herrschaft, wobei auch die sowjetische Herrschaft gemeint ist.

 

Der riesen Demonstrationszug zigtausend Patriot_innen und (Ultra-)Nationalist_innen erzeugt eine bedrohliche Situation in der Hauptstadt Polens. Überall sind nationalistische Parolen und Explosionen von Böllern zu hören. Ein Fahnenmeer weiß-roter Fahnen und riesiger Spruchbänder mit nationalistischen Parolen geben ein Bild ab, dass absolut nicht in das vorgegaukelte Konzept der "friedlichen Feierlichkeiten" der Unabhängigkeit Polens passt. Die Ausschreitungen gewaltbereiter Nationalist_innen sind jedoch lediglich die Spitze des Eisbergs einer polnischen Gesellschaft, die immer weiter nach Rechts rückt. Statt zu erkennen, dass das patriotische Massenevent der Nährboden für fremdenfeindliche Aktivitäten bietet, wird die Schuld auf Fußballfans und "andere Extremist_innen" abgegeben die verhindern würden, dass Pol_innen "gemeinsam ein schönen Nationionalfeiertag erleben".

 

Der Unabhängigkeitsmarsch wurde mittlerweile von der Polizei aufgelöst, wobei es ihr sichtlich schwer ist die Masse zum Weggehen zu bewegen. Die offizielle Auflösung interessiert keinen Menschen und die Menge bewegt sich unbehelligt bis zum Endpunkt der Veranstaltung. Die Polizei verfolgt insgesamt wieder eine recht defensive Taktik. Laut dem Polizeisprecher lautet der Befehl den Nachhauseweg friedlicher Teilnehmer_innen der Demonstration zu sichern und die Verantwortlichen der Ausschreitungen zu ermitteln. Immer wieder soll es jedoch zu neuen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Nationalist_innen kommen, die mit Feuerwerk und Steinen auf die Kräfte, wie auch in Richtung von Medienvertreter_innen, werfen. Außerdem werden unliebsame Objekte, wie z.B. die Russische Botschaft angegriffen. Dort belagern ebenfalls einige hundert Nationalist_innen das Gebäude, rufen russlandfeindliche Parolen und verbrennen die Wärterhäuschen. Insgesamt wären im Laufe aller Ausschreitungen 30 Rechte verhaftet.

 

Eine interviewte Person, offensichtlich ein Nationalist, beschwert sich über den angeblich willkürlichen Einsatz der Polizei, die den Marsch ohne Grund blockieren würden. Es sei zuvor alles friedlich gelaufen. Das Aufhalten des Zuges sei nicht der Wille "des Volkes" sondern der Wille "von jüdischen, ****, Politikern". Die Medien seien dabei ein instrumentalisiertes Sprachrohr und würden lügen. Typische rechtsradikale Parolen. Vielleicht stellt diese nicht die Meinung aller Beteiligten dar, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, was für Symbole und Positionen bei den Unabhängigkeitsfeierlichkeiten toleriert werden.

 

Die Unabhängigkeitsfeierlichkeiten - Pogromstimmung in Warschau.

 

Quelle ist der Livestream von TVP Info auf: http://tvpstream.tvp.pl/

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Für alle Facebook-User:

Dieser Fotograd ist vor Ort und hat ein Video von dem Angriff gemacht.

facebook.com/ThomasRassloff

Hier gibt es ebenfalls Bilder des Angriffs.

facebook.com/PM.Cheung.Photography

Video vom gegenüberliegenden Balkon: https://www.youtube.com/watch?v=yR__nYG6wBU

 

Video von der Straße: https://www.youtube.com/watch?v=iavEUH_cfsE

 

Die orangenen Westen Kennzeichnen die Ordner...

Hallo!

 

Gegendemo ist am 15.11.2013 vor der Universität Warschaus, anbei die Facebook page  (ist zwar auf polnisch, aber auf Anfrage kann man sich den Text übersetzen lassen)

 

https://www.facebook.com/events/211461789033167/?previousaction=join&source=1

 

 

unter dem Motto "Uns alle werdet ihr nicht verbrennen können"

das motto der demo lautet korrekt übersetzt: "Die Freiheit verbrennt ihr nicht! Genug Terror des Unabhängigkeitsmarsches - für freie und sichere Straßen."

if anyone plans to come, please remember that there is random control happening at the border cause of COP-19