Faschisten erschiessen mehrere Aktivisten in Ägypten

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Der gestrige Protesttag sahen in ganz Ägypten mehrere Millionen Menschen auf den Strassen. Eine unüberschaubare Menschenmenge war sowohl direkt vor dem Präsidentenpalast als auch im gesamten Gebiet um die Residenz versammelt, nachdem 16 Demozüge zum Ittihadija-Palast im Staddtteil Heliopolis gezogen waren.


http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=YeVNJcYj_go
Auf dem Tahrirplatz und in den umliegenden Strassen waren so viele Menschen versammelt, dass ein Demozug, der über eine der Nilbrücken in Richtung Tahrir Platz gezogen war, diesen garnicht mehr erreichte. Immer wieder überfolgen Militärhubschrauber den Platz.

http://www.youtube.com/watch?v=ljJF_Yit5Jw


Die Islamisten blieben im wesentlichen mitsamt ihren Milizen bei der Kundgebung in Nasr City, sodass es zu keinen massenhaften Zusammenstössen in Kairo kam.

Am Sonntagabend griffen allerdings Aktivisten die Zentrale der Moslembrüder in Moqattam, einem Vorort von Kairo an. Sie warfen Steine und Molotovs auf das Gebäude, in dem sich Faschisten in den oberen Stockwerken mit Schusswaffen verschanzt hatten.
http://www.youtube.com/watch?v=xjhC7UJVyBw

 
Die wütende Menge liess sich allerdings nicht vertreiben, über Stunden wurde das Gebäude weiter attackiert.
 
Insgesamt wurden im Laufe der Nacht acht unserer Gefährten von den  Faschisten in Kairo erschossen. 
Am Montagmorgen wurde dann die Moslembrüder Zentrale in Moqattam (Kairo) gestürmt, nachdem sich die verschanzten Islamisten zurückgezogen hatten. Sie wurde verwüstet und teilweise in Brand gesetzt.
 
 
Einem der Faschisten gelang nicht die Flucht, er wurde von einer wütenden Menge verletzt, anschliessend zu einem Krankenwagen gebracht.
 
 
Die ägyptischen Medien sprechen von einem Angriff des black bloc in Moqattam, die meisten Oppositionsgruppen distanzierten sich heute öffentlich von dem Angriff auf das Büro der Moslembrüder.
 
Auch in Assiut wurden drei Aktivisten von den Faschisten umgebracht. Eine Demo mit mehreren tausend Menschen wurde vom Sozius eines Motorrades aus unter Feuer genomen, dabei starb ein Demonstrant.
Als die Demo daraufhin zum örtlichen Hauptquertier der Moslembrüder zog, wurde sie dort sofort von den anwesenden Mitgliedern der Moslembrüder - Jugend  beschossen, wobei zwei weitere Aktivisten getötet wurden.
Die daraufhin entbrannte Strassenschlacht wurde dann nach mehreren Stunden von den Riot Bullen beendet.
 
In Beni Suef wurde ebenso eine Demo von Bewaffneten angegriffen, als sich Teilnehmer in eine Moschee flüchteten, wurden sie weiter beschossen. Erst als Armeeeinheiten eintrafen, flüchteten die Angreifer. Bei den folgenden Auseinandersetzungen in Beni Suef soll Angaben der Islamisten ein Mitglied der Al-Gamaa Al-Islamiya’s getötet worden sein, die Umstände sind unklar.
 
Auch in Kafr El-Sheikh, Fayoum und Alexandria wurde gestern jeweils ein Mensch getötet, zu den Umständen können wir derzeit noch nichts sagen. Ein junger Mann starb der Nähe des Präsidentenpalastes in Kairo, er soll Atem-und- Herzprobleme bekommen haben.
 
Nachwievor gibt es Zelte und ein "sit in " am Präsidentenpalast, auf dem Tahrir Platz sind erneut einige tausend Menschen versammelt, Demozüge bewegen sich in Richtung des Platzes. Von der Bühne aus wird dazu aufgerufen, friedlich zu bleiben, es wird vor "troublemakern" gewarnt, die Riots anzetteln wollten.
 
Als das Ultimatum des Militärs an die politische Parteien, innerhalb von 48 Stunden zu einer Übereinkunft zu kommen, öffentlich gemacht wird, applaudieren viele, riefen "Das Volk und das Militär Hand in Hand".
Der Sprecher der "Bewegung Rebellion", die die 20 Mio Unterschriften gegen Mursi gesammelt hat, begrüsste unterdessen in einer ersten Stellungnahme die Option, dass das Militär die Macht übernehmen könnte.
"Die Anwort des Militärs auf die Forderungen des Volkes krönt unsere Bewegung".
 
Wohl als Bestätigung der Drohungen des Sicherheitsapparates in Richtung Moslembrüder wurden heute 15 bewaffnete Leibwächter der Grauen Eminenz der Moslembrüder, Khairat El-Shater, entwaffnet und festgesetzt.
Die Inititiative der Militärs dürfte wohl auch in Absprache mit der US Regierung gefallen sein, erstmalig wandten diese sich heute eindeutig gegen Muris und drohten öffentlich mit dem Einfrieren der umfangreichen Hilfsgelder.  
 
Die massenhafte Beteiligung an den gestrigen Protesten, von denen behauptet wird, sie sei in der Quantität noch über die Proteste gegen Mubarak hinausgewachsen, sowie die Ankündigung weiterer Massenproteste für morgen, die Aufrufe für einen "Generalstreik im öffentlichen Sektor", sowie eine "Kampagne des zivilen Widerstandes", die das öffentliche Leben lahmlegen könnte, dürften dafür gesorgt haben, dass nun die Reissleine gezogen wird.
Erstmalig hatten sich in den letzten Tagen zahlreiche Belegschaften geschlosen an den Protesten beteiligt, beispielhaft sei die Erklärung der Beschäftigten der Textilindustrie aus Mahalla erwähnt.
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"Einem der Faschisten gelang nicht die Flucht, er wurde von einer wütenden Menge verletzt, anschliessend zu einem Krankenwagen gebracht."

 

Wenn ich mir ansehe, wie er vom Mob zugerichtet wurde, dann frage ich mich ernsthaft, ob nicht auf beiden Seiten Faschisten vorhanden sind..

 

Und wer versucht ein Gebäude anzuzünden, in dem sich MENSCHEN aufhalten und draußen verbal die Ermordung aller Eingeschlossenen fordert, bei dem stellt sich mir obige Frage ebenfalls.

 

 

Anderes Thema: Es gab gestern (und schon zuvor) Dutzende sexuelle Angriffe auf Frauen auf dem Tahirplatz bis hin zu Massenvergewaltigungen. Einige Gruppen haben deswegen Notfalltelefonnummern und Eingeifgruppen gebildet.

Ich bin mir nicht sicher, ob für die Vorgänge in Ägypten der Begriff "Faschismus" überhaupt taugt bzw. auf irgendeine Partei dort paßt.

Das Wort Faschismus habe ich hier nur an Anlehnung an den Artikel benutzt. In Hinsicht auf jede Faschismus-Definition passt er inhaltlich nicht.

 

Ich würde auch die Muslimbrüder in Ägypten nicht als faschistisch bezeichnen. Noch nicht mal die, die ihr Hauptquartier bewaffnet verteidigen.

obwohl auf der solldemo für menschen auf dem taksim platz und den protestierenden in der tükei wurde dann ach laut gegen die faschisten gerufen war irritiert, kam aus türkischstämmigen gruppen. also für mein gefühl stimmte das auch nicht , aber es gibt viele überschneidungen zwischen menschen die fanatischen glauben und faschisten

Es mag einfach sein, dies aus der Distanz so zu sehen.

 

Aber die ägyptische Realität ist eine andere. Eine, wo zum Beispiel Menschen - auch "friedliche" - von Scharfschützen erschossen werden. Wo seit zweieinhalb Jahren Massaker von Polizei, Militär und Islamisten verübt werden. Gegengewalt direkt Faschismus zu nennen ist vielleicht ein wenig vorschnell oder?

 

Ich will  was du ansprichst nicht einfach abfeiern  - ich kenne die Realität dort nicht.

 

Was hingegen generell stimmt, ist, dass es in der Oposition durchaus faschistoide Tendenzen gibt, so zum Beispiel in Teilen der Ultra-Szene.

 

Gewalt gegen Frauen ist eine Seite der ägyptischen Revolution, der zu webig Beachtung geschenkt wird. Massenvergewaltigen sind keine Ausnahme, sondern passieren häufig. Im Januar gab es an einem einzigen Tag 19! Fälle...

Da keiner der traditionellen Einordnungen auf die verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen in Ägypten zu passen scheint, würde ich zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) / Group-Focused Enmity (GFE) tendieren.

 

Dieser sperrige Begriff wurde vom Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer geprägt und hat gegenüber anderen Zuschreibungen den Vorteil, ideologische, politische oder andere Selbstpositionierungen (Salafisten, Muslimbruderschaft; Kopten, etc.) außen vor zu lassen.

 

siehe "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" bei Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit

Schon bezeichnend, dass die Nachricht, das die Islamisten mehrere "Gefährten im Aufstand" abgeknallt haben, in erster Linie eine Diskussion darüber auslöst, ob man/frau/... die Mörder als Faschisten bezeichnen darf.

Zu "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" fällt mir einfach garnichts mehr ein, wessen Gedanken im Kontext der Auseinandersetzungen in Ägypten in solchen soziologischen Kategorien kreisen, dem/der/... ist wohl einfach nicht mehr zu helfen.

 

Und ja, die Bilder vom zurückgebliebenen Islamisten, der stark blutend durch die Strassen geschleift wird, sind nicht schön, allerdings ist es gerade das Besondere, dass er eben nicht gelyncht wird und das nach stundenlangen Kämpfen, bei denen er und seine Leute acht Menschen erschossen haben. Wenn man natürlich in diesem Land mittlerweile von wirklich harten Auseinandersetzungen meilenweit weg ist und sich nach ein paar Stunden im Bullenkessel oder auf dem "Blockade Kit" als Held fühlt, kann man garnicht mehr nachvollziehen, wie solche Kämpfe sich anfühlen.

 

Ein weiteres Video vom Mosireen Medienkollektiv aus Kairo (eng. Untertitel möglich)

 

http://www.youtube.com/watch?v=MD45LTalpdo&feature=youtu.be

Wenn ein Lynchmob vor meiner Tür steht, dann würde ich mich auch mit allen Mitteln verteidigen, inkl. Schusswaffen (sofern es in der Lage erfolgversprechend ist). Auf Twitter war in Echtzeit zu lesen wie zu dem Zeitpunkt auf der Straße diskutiert wurde wie ob und wie man die Muslimbrüder in dem Gebäude am besten töten kann.

 

Du solltest hier nicht die Rollen vertauschen. Der Mob hat das Gebäude und die darin befindlichen Personen angegriffen. Nicht umgekehrt.

 

"bei denen er und seine Leute acht Menschen erschossen haben."

Das ist eine perfide Verdrehung der Tatsachen. Die Leute wurden nicht alle an diesem Ort erschossen. Außerdem hätten die Toten ganz einfach verhindert werden können, wenn dieser Lynchmob das Gebäude nicht angegriffen hätte. Nicht die MB haben friedliche Demonstranten angegriffen, sondern umgekehrt. Das Recht sich zu verteidgen billige ich den Kurdischen Parteien in der Türkei zu wenn der MHP-Mob vor der Tür steht und so haben auch die MB dieses Recht.

 

Revolution heißt nicht, dass man alle Zentralen der MB abfackelt und deren Mitglieder und Unterstützer totschlägt. Es wurden in den letzten Tagen übrigens einige MB-Anhänger tatsächlich gelyncht. Vom Mob ermordet. NIcht nur in Kairo, sondern auch in anderen Städten.

 

 

Zur politischen Einschätzung der Angriffe auf Gebäude, Mitglieder und Anhänger der MB: Die MB wurde unter ungünstigen Bedingungen "demokratisch" gewählt. Seitdem glänzt sie durch reaktionären Islamismus und in vielen Bereichen durch Unfähigkeit z.B. bei der Verbesserung der Lebensbedingungen un der wirtschaftlichen Lage. Im Vergleich zu dem Vorgehen von Muburaks Polizei bei den ersten Protesten auf dem Tahir-Platz halten sich die Sicherheitskräfte nun meist sehr zurück. Kein Vergleich zum Vorgehen unter Mubarak.

 

Die MB ist weder faschistisch, noch greift sie die Proteste frontal an. Mit welcher Begründung werden also nun Zentralen der MB überhaupt gestürmt und deren Mitglieder gelyncht? Das gibt weder die MB noch deren Politik her. Und aus linker emanzipatorischer Sicht schon gar nicht. Die MB werden mit Massenprotesten, zivilem Ungehorsam, Streiks und letztlich Wahlen hinweggefegt. Nicht durch physische Vernichtung.