[K] Esch wehrt sich gegen Rechtsextreme

Erstveröffentlicht: 
07.05.2013

Der Stadtteil Esch hat ein Problem mit Rechtsextremisten. Neonazistischen Propaganda-Schmierereien sind an der Tagesordnung, auch Angriffe gab es bereits. Nun formiert sich Widerstand in der Dorfgemeinschaft.

 

In der Nacht zum 1. Mai 2012 hört Esch auf, ein beschauliches Dorf im Kölner Norden zu sein. Als gegen 2 Uhr eine öffentliche Feier des FC Kess endet, einer Fußball-Thekenmannschaft aus dem Ort, kommt es vor der Scheune in der Fronhofstraße zu Tumulten. Im Mittelpunkt: Arne T.[ennstädt], 27. Nachdem er einen 21-Jährigen mit der Faust ins Gesicht schlägt und die Polizei anrückt, flüchtet er in Richtung eines nahen Feldes.

 

Dort soll er Amin M. mit einer Bierflasche gegen den Kopf geschlagen haben. Der junge Mann wurde schwer verletzt und ist sich sicher, dass er angegriffen wurde, weil er einen Migrationshintergrund hat: „Bevor er mich geschlagen hat, brüllte er: »Die Scheißausländer kriegen wir auch noch«.“ Arne T.[ennstädt] wird zum Umfeld der Autonomen Nationalisten Pulheim (ANP) gezählt, das sind meist jugendliche, gewaltbereite Ultrarechte. In Esch soll die Gruppe besonders aktiv sein. Vor dem Amtsgericht ist T. wegen der Vorkommnisse in der Mainacht angeklagt. Der Vorwurf: gefährliche Körperverletzung.

 

Seit fünf Jahren ein Problem


Fünf Stunden hat der 27-Jährige ruhig auf der Anklagebank gesessen. Doch kurz vor Schluss des ersten Verhandlungstags bekommt man einen Eindruck davon, dass der Mann aus Pulheim schnell die Beherrschung verlieren kann: Als seine schwangere Freundin ihm von den Zuschauerplätzen den Namen eines weiteren Zeugen nennt und ihn zweimal verbessert, weil er ihn falsch versteht, herrscht er sie an: „Was weiß ich, wie der Typ heißt!“ T. arbeitet im Sicherheitsgewerbe, hat breite Schultern, kurzes, blondes Haar. Am Tattag trug er ein rotes T-Shirt der Marke „Thor Steinar“, die sich bei Neonazis großer Beliebtheit erfreut.

 

„Der Vorfall bei der Mai-Feier hat den letzten Ausschlag gegeben, dass wir endlich etwas gegen die Rechten tun müssen“, sagt Klaus Wefelmeier, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Esch. Denn schon seit etwa fünf Jahren hat der kleine Ort ein Nazi-Problem.

 

Nahezu täglich werden Laternenmasten oder Bushaltestellen mit neonazistischen Propaganda-Aufklebern tapeziert. Auf Mauern, Stromkästen, Glascontainern oder der Fassade der Grundschule wird in aufgesprühten Parolen zum Beispiel vom „Bombenterror Dresden 1945“ schwadroniert. Auf Verkehrsschildern und der Turnhalle prangte das Konterfei von Rudolf Heß, dem Stellvertreter Adolf Hitlers. Aus der Löschgruppe der freiwilligen Feuerwehr wurden im vergangenen Jahr zwei Jugendliche ausgeschlossen, die sich offen zum Rechtsradikalismus bekannten.

 

Kündigung aus Angst


Wenn Wefelmeier in seiner Wohnung nahe dem Escher See nachts das Fenster offen hat, hört er manchmal das Unerhörte. „Die Rechten sitzen am See, saufen und grölen die erste Strophe des Deutschlandlieds oder »Es rasseln die Ketten, es dröhnt der Motor«“ – ein altes Wehrmachtslied über Hitlers Afrikafeldzug. Mindestens einmal pro Woche kommen zudem in einem Wohnhaus an der Chorbuschstraße „10 bis 15“ Autonome Nationalisten zusammen, weiß Wefelmeier.

 

Ein Paar aus der Nachbarschaft fühlte sich von den, wie es sagt, „Nazi-Partys“ derart bedroht, dass es seine Wohnung kündigte und auszog. „Jedes Wochenende wurde gesoffen, Nazi-Musik und Märsche gehört und »Sieg Heil« und »Ausländer raus« gerufen“, erzählt die junge Frau, die aus Angst vor den Autonomen Nationalisten anonym bleiben möchte.

 

Auch Amin M. hat Esch den Rücken gekehrt, obwohl er seit der C-Jugend im örtlichen Fußballverein gekickt und viele Freunde im Dorf hatte. Aus der Nacht ist nicht nur eine Narbe am Hinterkopf zurückgeblieben, sondern auch Albträume und Furcht: „Ich gehe abends nicht mehr gern raus, bin mit einem mulmigen Gefühl unterwegs.“ Er studiert jetzt in Siegen, hat nach der Tat 15 Kilogramm abgenommen.

 

Dass es in Esch Menschen gibt, die mit seinem südländischen Aussehen ein Problem haben, bekam er schon früher zu spüren. Bei einer öffentlichen Karnevalsfeier sollte ihm vor einigen Jahren der Einlass verwehrt werden. „Du passt hier einfach nicht rein“, seien damals die Worte der Türsteher gewesen. Die Feier fand auf dem Parkplatz des Fußballvereins statt.

 

Michael Birkholz ist seit 15 Jahren Vorsitzender des SV Auweiler-Esch. Er weiß: „Unsere Jugendlichen kennen die Rechten. Sie trauen sich aber nicht, deren Namen zu nennen“, sagt Birkholz, der zudem für die FDP in der Bezirksvertretung sitzt. „Viele haben Angst vor Repressalien, wenn sie sich öffentlich äußern.“ Auch im Prozess hat nur Amin M. von rechten Sprüchen in der Tatnacht berichtet, andere Zeugen gaben an, nichts dergleichen gehört zu haben.

 

Bündnis gegründet


Dorfgemeinschaft, Sportclub, katholische und evangelische Kirchengemeinde, Lehrer und einzelne Bürger haben inzwischen ein Bündnis gegen die Neonazis gegründet. Sie organisierten Bürgerversammlungen, bei denen Mitarbeiter der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (IBS) im NS-Dokumentationszentrum über die rechte Szene referierten, und Infoabende für Eltern, deren Kinder nach rechts abgedriftet sind. Das Bündnis pflegt Kontakt zu Stadtteilpolitikern, nach den Sommerferien folgen weitere Info-Veranstaltungen und ein Hip-Hop-Workshop, bei dem Jugendliche über Vorgehensweise und Ideologie von Rechtsextremisten aufgeklärt werden.

 

Auch beim SV Auweiler-Esch wirft man ein besonderes Auge auf die jungen Mitglieder. „Wir sprechen häufig mit den Jugendlichen über das Thema und beobachten genau, wie sie sich verhalten“, sagt Birkholz.

 

Die IBS ist beeindruckt von dem Engagement gegen rechts. „Es besteht ein massives Interesse, diese Dinge so nicht mehr hinzunehmen. Das finden wir in der klaren, offenen Form selten“, sagt IBS-Leiter Hans-Peter Killguss.


Der Prozess gegen Arne T.[ennstädt] wurde am vergangenen Freitag gegen die Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1500 Euro eingestellt. Auch die Aussagen von elf Zeugen konnten am Ende nicht zweifelsfrei klären, wer Amin M. in jener Mainacht am Kopf verletzt hat.

 

Ob er zivilrechtlich gegen Arne T.[ennstädt] vorgehen will, hält sich der Student offen: „Eigentlich wäre ich froh“, sagt er, „wenn endlich alles vorbei ist.“

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Es war ja auch zu schön zu glauben das es vorbei wäre! Leider geht es in Esch wieder los!

Am Dienstag waren Sie auf einmal wieder da, die Hulk Aufkleber mit dem Text: "1,2,3 Alerta ist vorbei!".

Die antifaschistische Aktion wurde fast komplett vernichtet (überklebt)! Ein paar hängen noch.

Passt auf Euch auf!

Sie hängen, wie bereits schon bekannt, wieder am 1. Kreisverkehr der Chorbuschstraße an den 2 nebeneinander stehenden Bänken am Dorfplatz ab.

Meist treffen Sie sich erst gegen spätem Nachmittag oder Abends ab ca. 18h aufwärts.

Es wurden bis zu 10 Mann gezählt.

 

So do your action and watch out!