Verbindungen des Aktionsbüro Rhein-Neckar zum NSU

Malte Redeker und Thomas Gerlach

Am sechsten Mai 2013 beginnt in München der Prozess gegen Beate Zschäpe, Mitglied des selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und vier direkte Unterstützer der Terrorzelle. Den geplanten Prozessbeginn nahmen rund 10.000 Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Spektren zum Anlass, um in München gegen die Verstrickungen des Verfassungsschutzes mit dem „NSU“ sowie gegen institutionellen Rassismus zu demonstrieren.Aufgrund der nicht von der Hand zuweisenden Verbindungen des „NSU“ zur regionalen Naziszene um das Aktionsbüro Rhein Neckar (ABRN) – der dominanten Struktur völkischer Neonazis rund um die Rhein-Neckar Region - haben wir uns dazu entschieden einen Überblick über diese Zusammenhänge zu veröffentlichen.

 

Nazis in der Vorderpfalz - eine verschwiegene Offensichtlichkeit

Dass Nazis versuchen das Stadtbild von Ludwigshafen zu prägen zeigte sich an der Eröffnung zweier Läden, welche allerdings 2008 durch antifaschistische Intervention schließen mussten, sowie an den sogenannten „Sturmlokalen“ Bloxberg, Sky und Bon Scott in denen sie ihre Veranstaltungen abhalten können. Während Nazis fast ungestört im öffentlichen Raum agieren und über ihre Veranstaltungen versuchen gerade junge Menschen für sich zu gewinnen, gehen staatliche Behörden mit allen Mitteln gegen Antifaschist_innen vor die versuchen diese öffentlichen Auftritte der Nazis zu verhindern. So wurden am 15.03.2013 in Landau antifaschistische Proteste gegen eine geschichtsrevisionistische Kundgebung regionaler Neonazis brutal angegangen, während die Nazis von der Polizei hofiert wurden. Antifaschistische Veröffentlichungen über das Ausmaß der regionalen Naziszene bezeichnet die sogenannte Zeitung „Rheinpfalz“ als „an den Haaren herbeigezogen“. In diesem Klima der Ignoranz und des bewussten Wegschauens konnten sich über Jahre Strukturen erhalten, die überregional von Bedeutung sind und die über nachweisbare Kontakte zu den RechtsterroristInnen des „NSU“ verfügen. In der Rhein-Neckar Region wohnen einige bundesweit agierende Nazikader, auf die im Folgenden noch eingegangen wird.

 

Verbindungen Ludwigshafen-Jena

 

Der „NSU“ und viele seiner UnterstützerInnen stammen aus Jena oder haben Kontakte in die thüringische Stadt. Im Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ bewegten sich in den 1990er Jahren Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die später aus dem Untergrund 10 Menschen ermordeten. Auch Ralf Wohlleben, einer der Unterstützer des „NSU“, stammt aus dieser Stadt. Wohlleben, dem vorgeworfen wird, dem „NSU“ die Mordwaffe beschafft zu haben, teilte sich Ende der 1990er Jahre den NPD Kreisvorsitz in Jena mit Nicole Schneiders (geborene Schäfer), einer Anwältin der rechten Szene. Sie verteidigte bereits mehrfach Neonazis vor Gericht, beispielsweise die Faschisten, die in Winterbach 2011 eine Gruppe von MigrantInnen überfallen hatten.  Rund 70 Rechte hatten im Freien auf dem Engelberg gefeiert und die Gruppe angegriffen, die auf dem Nachbargrundstück grillte. Fünf der Opfer flüchteten in eine Gartenhütte, die ihre Angreifer daraufhin in Brand setzten. [1]

Mittlerweile betreibt Schneiders eine eigene Kanzlei in Karlsruhe und wohnt in Muggensturm bei Rastatt. Schneiders war als Userin "Nicole" im Forum des ABRN angemeldet. Sie wohnte Anfang der 2000er Jahre zudem in Mannheim in einer Wohngemeinschaft mit Christian Hehl und Dominik Schneiders.

Die Verbindungen zwischen der Vorderpfalz und Jena zeigen sich auch an weiteren Punkten. So zog Matthias Herrmann ebenfalls Anfang 2000 von Jena nach Mannheim und beteiligte sich am Aufbau des ABRN. Herrmann hatte gute Kontakte zum späteren „NSU“. Sie besuchten 1996 gemeinsam den unangemeldeten „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ im rheinland-pfälzischen Worms, bei dem 170 Neonazis festgesetzt wurden. Herrmann wohnt zurzeit in Haßloch.

Ralf Wohlleben programmierte die Homepage des ABRN, das sogenannte „Infoportal24“. Auf den Seiten des „Infoportal“ finden sich unter anderem Aufrufe zu Demonstrationen und Berichte, darunter auch Aufrufe zur Solidarisierung mit dem festgenommenen Wohlleben. Im Jahr 2005 wurde das Forum des ABRN gehackt und es kamen interessante Verbindungen zutage. Im Forum angemeldet waren unter anderem Nicole Schneiders, Ralf Wohlleben, Matthias Hermann und Malte Redeker.

Thomas Gerlach, ein Hammerskin aus Ostthüringen, war ebenfalls im Forum des ABRN angemeldet. So agierte auch er im „Thüringer Heimatschutz“ und führte intensive Kontakte zu Ralf Wohlleben. Auffällig ist, dass Thomas Gerlach - Spitzname „Ace“ - in Internetforen das gleiche Passwort wie Beate Zschäpe verwendete. [2] Gerlach bemühte sich zudem in Sachsen um den Aufbau des „Freien Netzes“ nach Vorbild des ABRN. Ein weiterer Beweis, dass er gute Kontakte zu vorderpfälzischen Strukturen hat. Der 34-jährige Thomas G. aus Meuselwitz in Ostthüringen wird von den NSU-Ermittlern als Verdächtiger eingestuft, weil er über „nachgewiesene Kontakte zu Tätern oder Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens“ verfügt. Weiterhin beschaffte Gerlach Schalldämpfer für portugiesische Hammerskins. [3]

Malte Redeker, zog in den frühen 2000er Jahren ebenfalls in die Rhein-Neckar Region, nach Ludwigshafen. Hier verdient der Europa-Kopf der Hammerskins seit fast zehn Jahren sein Geld mit der Organisation von Rechtsrock-Konzerten und seinem Naziversand "Gjallarhorn Klangschmiede". Zusätzlich produziert Redeker zudem rechte Musik und veranstaltete bereits Schießübungen im Ausland. [4] Da seine Produktionen volksverhetzend und teilweise verboten sind, wurde er für den geplanten Verkauf auf einer Rechtsrockparty im Rems-Murr-Kreis vom Amtsgericht Schorndorf zu 90 Tagessätzen a 25€ verurteilt. [5]

Auf Konzerten von Redeker traten auch bereits „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ auf. Diese Band wurde bekannt durch ihren Lied „Döner-Killer“ auf dem Album „Adolf Hitler lebt“ aus dem Jahr 2010. Erschienen ist das Album bei PC Records aus Chemnitz. Im Lied feierte „Gigi“ schon 2010, also ein Jahr vor Bekanntwerden der „NSU“-Mordserie die faschistischen Morde des „NSU“. Ob Sänger „Gigi“ direkte Kontakte zur mörderischen Zwickauer Zelle hatte, darf angezweifelt werden. Unbestritten jedoch verfügt er über einen Draht zum konspirativ agierenden Hammerskin-Netzwerk. [6]


Wohnungsbrand 2008

Diese Erkenntnisse sind Anzeichen einer aktiven und militanten Naziszene, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. So überrascht es wenig, dass es auch bei einem Hausbrand am 3.2.2008, bei dem 9 Menschen mit Migrationshintergrund ums Leben kamen und 60 Weitere verletzt wurden, Anzeichen für ein fremdenfeindliches Motiv gab. So wurden Nazischmierereien am Eingang des Mehrfamilienhauses gefunden, die aber schon älteren Datums gewesen sein sollen. Bereits 2006 wurde auf einen türkischen Kulturverein im Erdgeschoss des Hauses ein Brandanschlag verübt. Weiterhin wohnte Matthias Herrmann, nach Informationen des Spiegel, in unmittelbarer Nähe des Tatorts. Laut Behörden gab es keine Indizien für einen fremdenfeindlichen Tathintergrund. Obwohl laut Behörden ein technischer Defekt ausgeschlossen werden konnte, wurden die Ermittlungen bereits am 23.07.2008, knapp fünf Monate später, eingestellt. Mit bekannt werden der „NSU“-Mordserie rückte auch der ungeklärte Hausbrand wieder in den Fokus der Ermittler. Circa sechs Wochen nach dem Auffliegen der Terrorzelle wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Der Berliner Zeitung (BLZ) liegen Informationen vor, dass Malte Redeker im Verdacht stand, den Brand gelegt zu haben. [7] Kurz darauf wurde diese Meldung jedoch von der Bundesstaatsanwaltschaft und von der Staatsanwaltschaft Frankenthal dementiert.

Dass die Brandkatastrophe von Neonazis verursacht wurde, konnte nicht bewiesen werden. Bewiesen werden kann jedoch, dass es in der Stadt und der Region eine Naziszene gibt, die über zahlreiche Kontakte in das Umfeld des „NSU“ verfügt. Bereits in den 1990ern wurden Neonazis nicht konsequent angegangen und stattdessen verharmlost. Die Nazis die damals verharmlost wurden, mordeten und gründeten Strukturen, die heute die Koordinationsstellen sind. Die antifaschistische Bewegung darf sich jedoch nicht auf staatliche Hilfe verlassen, sondern muss die Nazis offensiv angehen. Nur durch konsequentes Vorgehen kann Nazis der Raum genommen werden.

[1] Stuttgarter Zeitung 27.03.2013

[2] http://venceremos.sytes.net/artdd/artikel/cog/thomas-ace-gerlach-fuehrender-neonazi-und-nsu-helfer.html

[3] http://www.fr-online.de/neonazi-terror/nsu-terror-neonazis-international-bestens-vernetzt,1477338,21871992.html

[4] http://www.fr-online.de/neonazi-terror/rechter-terror-spur-an-den-rhein,1477338,11319850.html

[5] http://www.zvw.de/inhalt.waiblingen-der-braune-sumpf:-innenansichten.4b4df719-8831-4470-b424-0cc8e5e52305.html

[6] AIB Nr. 93 / Jahr: 2011 (Hammerskins-Elitäre Neonazistruktur im Hintergrund)

[7] http://www.webcitation.org/64CZVYW7n

 

 

 

Antifaschistische Jugend Ludwigshafen/Mannheim

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Wo erhalte ich den die Broschüre? Im anderen Buchladen wusste niemand was von dem Heft. Und im Internet steht ja auch kein PDF oder ähnliches verfügbar? Einzig bei der AFA Schifferstadt sind zwei ganz kurze Artikel veröffentlicht die wohl aus der Broschüre stammen sollen.

Bitte helft mir weiter!

Die Broschüre "Braune Flecken zwischen Wingert und Chemie" gibt es im Infoladen und bei antifaschistischen Veranstaltungen im JUZ Mannheim!

Auf dem Foto von Redeker und Gerlach ist eigentlich auch noch der Hammerskin Christian Kunja mit drauf. Hier ist es nochmal auf linksunten zu finden, leider mit verpixeltem Gesicht: https://linksunten.indymedia.org/de/node/76737

Welche Website des ABRN hat Wohlleben eigentlich programmiert? Die alte und jetzt statische des ABRN, das alte "infoportal" oder das neue "infoportal"? Nicht, dass das besonders bedeutsam wäre. Ich wüsste nur gerne wovon man redet.