Am Morgen des 31. Januar 2013 wurde der Streik bei dem Verpackungsmittelhersteller Neupack in Hamburg-Stellingen und Rotenburg/Wümme wieder aufgenommen. Alle vormals Streikenden haben erneut die Arbeit niedergelegt. Die IG BCE hatte den Streik am 24.01.2013 „ausgesetzt“, um eine weitere Eskalation zu vermeiden, wie die Gewerkschaft sagte. Was sich in den letzten Wochen rund um den Arbeitskampf abspielte, hat einiges an Aufsehen erregt. Viele UnterstützerInnen hatten dafür gesorgt, dass die Streikbrecher nicht ungehindert das Firmengelände betreten konnten – während den Streikenden selbst Blockaden verboten waren. Die Eigentümerfamilie Krüger verschärfte ihrerseits den Klassenkampf von oben: Verhinderung einer Betriebsversammlung, Gerichtsverfahren, Kündigungen und Hetze gegen die Streikenden machten ihre Konfrontationshaltung deutlich. Wir rufen dazu auf, ab 5 Uhr wieder vor die Werkstore zu kommen, um die Streikenden zu unterstützen!
„You’ll never walk alone“
„Arbeitskampf bei Neupack eskaliert“ hatte das Hamburger Abendblatt am
12.12.2012 getitelt. Gemeint waren die zeitweisen Blockaden des Busses
der Streikbrecher in Hamburg-Stellingen. Nach dem Verbot von sogenannten
Blockaden durch das Hamburger Arbeitsgericht, die es den Streikenden
wenigstens erlaubt hatten die Streikbrecher für einige Minuten
aufzuhalten und zu informieren, waren den KollegInnen offiziell die
Hände gebunden. Der IG BCE wurde mit Strafen bis zu 250.000 Euro
gedroht. Aber mit der Zeit hatte sich eine neue Praxis vor den
Werkstoren entwickelt. Was das Hamburger Abendblatt als Eskalation
bezeichnete, war der Versuch die ökonomische Macht im Arbeitskampf –
wenn auch nur für kurze Zeit – zurückzugewinnen. Zwischen 40 und 80
UnterstützerInnen hatten sich in aller Frühe an mehreren Tagen vor dem
Werk eingefunden und sich dem Bus der externen Streikbrecher in den Weg
gestellt. Die Menschenblockaden und die kämpferische Stimmung unter den
Anwesenden führte dazu, dass der Bus der Streikbrecher mehrfach zwischen
1,5 und 2 Stunden aufgehalten wurde. Die Polizei sorgte schließlich
dafür, dass die Streikbrecher die Menge passieren konnten. Am 17.01.2013
reagierte sie besonders hart, es kam zu Rangeleien und zu vier
Festnahmen. Deutlicher hätte die Polizei nicht machen können, welche
Funktion sie in dieser Gesellschaft einnimmt und welchen Stellenwert der
„Schutz des Eigentums“ für sie hat. Durch den Einsatz der Streikbrecher
einer polnischen Leiharbeitsfirma, die anschließend von Neupack
befristet übernommen und mittlerweile auf 58 Mitarbeiter aufgestockt
wurden, wollte die Geschäftsführung den Streik ins Leere laufen lassen
und sich eine Parallelbelegschaft aufbauen. Umso aggressiver reagierte
sie auf die neuerlichen Blockaden und verbreitete in ihrer brandneuen
„Betriebszeitung“, dass es den UnterstützerInnen nur um Gewalt ginge.
Eine absurde Behauptung, die einmal mehr verschleiern soll, welche
strukturelle Gewalt vom Kapitalismus und dem bürgerlichen Staat ausgeht.
Eine Eskalation haben sich die Eigentümer von Neupack selbst
zuzuschreiben.
Kleinkrieg gegen Gewerkschaft und Belegschaft
Für Montag und Dienstag waren Betriebsversammlungen in
Hamburg-Stellingen und Rotenburg geplant, zu denen der Betriebsrat
eingeladen hatte. In Hamburg verhinderte der Sicherheitsdienst, dass der
zuständige Gewerkschaftssekretär der IG BCE das Gebäude betreten
konnte, worauf die Betriebsversammlung nicht stattfand. Einer
einstweiligen Verfügung der IG BCE wurde Recht gegeben und der
Gewerkschafter durfte inzwischen an der nachgeholten Versammlung
teilnehmen. Das gewerkschaftsfeindliche Auftreten der Familie Krüger
wurde mittlerweile auch im NDR thematisiert, der auch bei besagter Szene
mit einem Kamerateam anwesend waren. Das Image der Krügers hat
unzweifelhaft gelitten, was ihnen bei anhaltender Produktion aber nicht
besonders wehtun dürfte. Zuvor hatte Neupack versucht den Streik
gerichtlich verbieten zu lassen. Das Gericht wies die Klage aber in
allen Punkten ab. In den Medien versucht sich die Geschäftsführung als
Opfer einer aufgebrachten Belegschaft und einer hinterlistigen
Gewerkschaft zu inszenieren, während sie die „ehrbaren Kaufleute“ seien.
Neue Strategie oder alte Leier?
Vor der Unterkunft der polnischen Streikbrecher kam es zu einem
Zwischenfall. Offenbar wurde ein Streikbrecher in Folge einer
Auseinandersetzung schwer verletzt und befindet sich zurzeit im
Krankenhaus. Was für Neupack gefundenes Fressen war, um der Gewerkschaft
eine Eskalation vorzuwerfen, nutzte aber auch die IG BCE auf eine ganze
andere Art. Schon länger machte sich der Eindruck breit, dass die
Gewerkschaft ratlos ist, wie sie weiter vorgehen soll und den
Arbeitskampf am liebsten loswerden will. Zur Vermittlung wollte sie
daraufhin einen – noch unbekannten – prominenten Schlichter einschalten,
worauf Neupack bisher nicht reagierte. Als „gute Geste“ schickte die IG
BCE die Streikenden zurück an die Arbeit, um eine weitere Eskalation zu
verhindern, wie es hieß. Für viele Streikende war es ein zweifelhafter
Schritt, der hitzige Diskussionen im Streikzelt auslöste. Nach den
ersten Arbeitstagen sagten die vormals Streikenden aber immer noch, dass
ihr Kampf weitergeht – mit veränderter Strategie. Die Gewerkschaft
spricht von einem sogenannten Flexi-Streik. Mit anderen Worten: Die
Krügers hatten mit weiteren Arbeitsniederlegungen zu rechnen, zu denen
es jetzt wieder kommt.
Kämpfen oder betteln? Die Gewerkschaft im Zwiespalt
Das gebetsmühlenartige Betonen der Sozialpartnerschaft durch die IG BCE
gedieh vor der Kulisse von Neupack zu einer Tragödie für die
Gewerkschaft. Die Eigentümerfamilie Krüger will von einer Vermittlung
zwischen Kapital und Arbeit nichts wissen und führt die IG BCE – die den
Klassenkampf nicht kennt – gebührend vor. Die Kompromisslosigkeit des
Kapitals trifft auf eine relativ bewegungsarme Gewerkschaft. Die
kämpferischen KollegInnen sind da um einiges weiter und beweisen, dass
sie hartnäckig bleiben. Zwei Tage musste die Gewerkschaft die
Streikenden auf das Rein-Raus-Konzept einschwören, denn die wenigsten
waren anfangs bereit zurück zur Arbeit zu gehen. Trotzdem haben sie die
neue Arbeitskampf-Strategie akzeptiert, weil klar war, dass der Streik
ohne finanziellen Schaden dem Unternehmen kaum schmerzt. Etwa 80
solidarische UnterstützerInnen begleiteten die KollegInnen daraufhin zum
Tor, von wo aus sie in kleinen Gruppen – begleitet von Securitys – an
ihre Arbeitsplätze zurück gebracht wurden. Manche wurden direkt
freigestellt, anderen mit Versetzung gedroht oder gar Kündigungen
übergeben. Jetzt gehen sie mit dem erneuten Streik wieder in die
Offensive.
Es ist noch nicht vorbei!
Seit dem 1. November befinden sich die KollegInnen von Neupack im
Arbeitskampf für einen Haustarifvertrag. Sie wollen mehr Lohn, gleiche
Entgelte für gleiche Arbeit und klare Regelungen für Urlaubs- und
Weihnachtsbezahlung. Der Streik ist mittlerweile zum längsten
Arbeitskampf seit Mitte der 1970er Jahre in Hamburg geworden –
Verhandlungen sind noch immer nicht in Sicht. Die KollegInnen brauchen
nach wie vor breite Solidarität. Der Soli-Kreis Neupack, der sich zur
Unterstützung des Streiks gebildet hat, führt in jedem Fall seine Arbeit
fort und wird auch in Zukunft Unterstützungsaktionen organisieren.
Die Niederlassung von Neupack in Hamburg-Stellingen befindet sich im Doerrisweg 15, das Werk in Rotenburg/Wümme im Jeersdorfer Weg 14. Rund um die Uhr treffen sich Kolleginnen und Kollegen im Streikzelt.
Aktuelles zum Arbeitskampf bei Neupack unter: www.soli-kreis.tk
Quelle: www.prp-hamburg.tk
Klasse gegen Klasse
Solidarisiert Euch endlich mit den Streikenden! Kommt vorbei, macht Euch schlau, organisiert Aktionen!!!
Fernsehbericht zum Streik
Hier gibts einen sehenswerten Fernsehbericht vom NDR zum Streik: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_3/panoramadrei481.html