Paprika-Monokultur unter Glas - ist regional immer auch gleich gut?

Gärtnersiedlung Reichenauer zwischen Hausen und Beuren an der Aach

Biologisch erzeugte Lebensmittel sind heute vielen VerbraucherInnen nicht mehr gut genug. Für mehr und mehr Kunden spielt auch die Herkunft der Lebensmittel eine immer größere Rolle. Die Motivationen, regional produzierte Produkte zu konsumieren, sind vielfältig. Vom konservativen Heimatschützer, der die deutsche Bauernschaft unterstützen will bis zur Klimaaktivistin, die auf den CO² Ausstoß beim transkontinentalen Transport der Produkte hinweist, haben alle das gleiche Ziel - Lebensmittel aus der näheren Umgebung beziehen. Bei den meisten Gemüsesorten ist das gar nicht so einfach möglich - bietet doch der Einzelhandel teilweise kaum regionales Gemüse an. In diesem Kontext wurde die Gärtnersiedlung Reichenauer bei Singen am Hohentwiel gebaut und im März 2012 begann dort die erste Ernte.

 

Das Ziel des 15 Millionen € teuren Projekts ist es  Paprika für den süddeutschen Raum zu produzieren. In Glashäusern wachsen auf 11 Hektar von Januar bis November 250 000 Paprikapflanzen in die Höhe um dann ab März und 3 Millionen Kilogramm zu tragen. Die von genossenschaftlich organisierten Einzelhändlern kontrolliere EDEKA-Gruppe vertreibt die bunten Früchte exklusiv unter dem Label "Unsere Heimat" und hat auch den Anstoß zu diesem Projekt geliefert. EDEKA will damit die bisher vor allem aus Spanien und den Niederlanden importierte Paprika im Sortiment ersetzen.

 

Obwohl Regionalität bei den VerbraucherInnen immer wichtiger wird wurde der Bauantrag der Gärtnersiedlung in der Region durchaus kontrovers diskutiert. So stimmten noch 2010 sieben der acht Ortschaftsräte im Nachbardorf Beuren an der Aach gegen das Paprika-Projekt. Wie relativ schnell klar gestellt wurde konnte formell weder der Ortschaftsrat in Beuren noch der Gemeinderat in Singen das Projekt verhindern.  Wenn die Umweltauflagen erfüllt werden können eigentlich nur die Eigentümer der Flächen, zu der unter anderen auch die Stadt Singen gehörte, das Projekt zu Fall bringen. Durch die Rolle als Eigentümerin einer der Grundstücksflächen hatte der Gemeinderat in Singen in diesem Fall also doch noch ein Wörtchen mit zu reden. Wirklich gefährdet hat das die Gärtnersiedlung allerdings nicht.


In Sichtweite der neuen neuen Paprika Produktion durch die Gärtnersiedlung stehen schon mehrere Hektar Glashäuser die von Peter Stader (ebenfalls von der Reichenau), die für Jungpflanzenproduktion genutzt werden.  In der Planungsphase des Projekts war neben der ersten Bauphase mit 11 Hektar Glashaus auch noch eine Erweiterung um weitere 25 Hektar und eine Hackschnitzelanlage im Gespräch. Ob diese Pläne irgendwann doch noch aus der Schublade gezogen werden kann nicht ausgeschlossen werden.

 

Die Erhöhung der Paprika Produktion in der Region ist zweifelsfrei notwendig. Gerade einmal 0,6 % der in Deutschland konsumierten Paprika kommen auch aus Deutschland. Durch die Gärtnersiedlungsprojekt wächst dieser Anteil nun immerhin auf 0,8 % an. Selbstverständlich kann nur in der künstlich verlängerten Paprika Saison im Hegau zwischen März und November heimische Paprika gekauft werden. Außerhalb dieser Saison wird auch EDEKA auch weiterhin Paprika aus den Niederlanden, Spanien, Israel, Ungarn, Türkei und Marokko beziehen müssen.

 

Durch hohen Energieeinsatz kann die Paprikasaison, die in unbeheiztem Folientunnelanbau etwa von Juli bis Oktober gehen würde, auf immerhin sieben Monate ausgedehnt werden. Die Wärmeversorgung für das Glashaus wird durch ein mit Erdgas betriebenes Blockheizkraftwerk mit knapp 2 Megawatt Leistung sichergestellt. Die Möglichkeit von Erdgas auf Biogas umzustellen wurde in die Planung mit einbezogen und ist auch geplant. Insgesamt scheinen sich die PlanerInnen beim Energiekonzept einiges überlegt zu haben. Sie schreiben in ihrem Fact-Sheet zum Beispiel:

 

"Das Gewächshaus ist an den Seiten mit Polycarbonat-Stegdoppelplatten und im Dachbereich mit einem doppelten Energieschirm ausgestattet. Durch diese Maßnahmen können bereits etwa 20 % Wärmeenergie gegenüber einem Standardgewächshaus eingespart werden. Auch die Wärmeausbringung ist durch eine am Boden verlegte Vegetationsheizung höchst effizient. Gegenüber herkömmlichen Gewächshausheizsystemen sind hier Einsparungen von rund 10 % realistisch. Hinzu kommt eine hochmoderne Klimaregelung, die Witterungsbedingungen berücksichtigt und energieeffiziente Klimastrategien zulässt. Bei der geplanten Anlage werden also im Vergleich zu einem Standardgewächshaus 40 bis 50 % weniger Energie benötigt."

 

Außerdem soll dem Fact-Sheet zu Folge eine Photovoltaik Anlage installiert werden, die die Energiebilanz des Gewächshauses weiter verbessert.

 

In welchem Verhältnis dieser Energieaufwand zum Energieaufwand der durch den Transport entsteht ist schwierig zu berechnen und noch schwieriger zu vergleichen. Durch den Transport entstehen neben dem Energieaufwand auch noch andere Nebeneffekte wie weitere Landschaftsversiegelung durch Verkehrsinfrastruktur, Verkehrslärm und Klimaemissionen durch den Einsatz fossiler Energieträger (Diesel bei LKW & Schiff oder Kerosin beim Flugzeug).

 

Da auch mit der Gärtnersiedlung der Anteil der regional produzierten Paprika noch immer sehr gering sein wird bleibt noch immer viel Spielraum für andere ProduzentInnen eine kleinbäuerliche Alternative zu schaffen.

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Solche Dinger in Holland plattmachen und nicht hier.

 

Die sind ökologisch 10x schlimmer. Nicht immer die Rosinen rauspicken.

Wer redet denn von Plattmachen. Ich glaube bei gerade mal 0,8 % Paprika aus regionalem (nationalem?) Anbau gibt es noch viele Möglichkeiten bessere Alternativen zu schaffen ohne dieses Glashaus "platt zu machen".

Ich glaube es wurde relativ klar das Paprika aus Holland oder anderen Ländern kein scheiß besser angebaut wird...