Gedenken an Emil Wendland

Gedenkflyer

Am 01.Juli 1992 wurde Emil Wendland von einer Gruppe Neonazis ermordet. Wendland musste sterben, da sie einen „Penner klatschen“ wollten. Zum 20. Todestag gibt es eine Gedenkkampagne, die sich mit den Hintergründen der Tat auseinander setzt.

01.07.2012 // Kundgebung zum 20. Todestag von Emil Wendland
Beginn:
15:30 Uhr – OdF-Denkmal im Rosengarten/Neuruppin

07.07.2012 // Demonstration „Niemand ist vergessen“ im Gedenken an Emil Wendland und alle anderen Opfer rechter Gewalt
Beginn:
15:30 Uhr – Bahnhof Rheinsberger Tor/Neuruppin

Treffpunkt-Berlin: 14:15Uhr – Gesundbrunnen, Gleis 4 mit der S25 nach Hennigsdorf

 

Gewalt gegen obdachlose Menschen

Menschen ohne eigene Wohnung bilden die zweitgrößte Opfergruppe von neofaschistischer Gewalt. Besonders Anfang der 1990er fielen dutzende Menschen dieser sozialdarwinistischen Gewalt zum Opfer. Das Motiv der „Säuberung“ der Gesellschaft von vermeintlichen „Sozialschmarotzern“ nimmt in der Ideologie der (Neo-)Faschisten einen wichtigen Teil ein. Die Faschisten können dabei für sich verbuchen „lediglich“ die konsequenteste Ausprägung einer durch und durch auf Leistung und Profitmaximierung ausgerichteten Gesellschaft zu sein. Wer dazu nichts beizutragen hat, fällt notwendigerweise durch die groben Maschen eines längst verschlissenen sozialen Netzes und erfährt eine massive soziale Ausgrenzung.

 

Wer war Emil Wendland?

Wir wissen nicht viel über ihn. Der Mord an ihm war rasch vergessen. Zu schnell war die Abfolge neuer (neo-)faschistischer Gewalt, wie etwa der Pogrom in Rostock/Lichtenhagen im August 1992. Wir können nur versuchen, aus den Fragmenten unserer Recherche ein ungenaues Bild von ihm zu zeichnen. Emil Wendland soll kein Märtyrer werden – wir wissen nicht, ob er ein angenehmer Mensch war oder vielleicht auch nicht. Das ist aber auch nicht wichtig, denn es geht darum ihm einen Teil seiner Menschlichkeit zurückzugeben, den ihm seine Mörder nahmen.

 

Emil Wendland lebte in den 1980er Jahren in der Neuruppiner Schifferstraße. Er arbeitete im VEB EPN, war aber gelernter Lehrer. Bis zu seinem sozialen Abstieg kurz vor der „Wende“ war er an einer Schule in Fehrbellin tätig. Emil Wendland, der sich selbst „Bruno“ nannte, wurde alkoholkrank. Er entsprach nicht dem gesellschaftlichen Bild eines „Obdachlosen“. Er war „peinlichst sauber“ und hatte mehrere tausend Mark angespart. Emil Wendland besiegte seine Alkoholkrankheit – wenn auch nur vorübergehend. Das war Mitte der 1980er Jahre. Doch als Nachbarn ihn an Silvester auf einen Sekt einluden, erkrankte er erneut. Schnell waren seine Ersparnisse „versoffen“ und mit dem Geld gingen auch seine Freunde. Eine damalige Nachbarin beschreibt in als freundlichen, allerdings auch sehr lauten Menschen, besonders wenn er getrunken hatte. Als deutliche Erinnerung benennt sie, dass er mehrfach des Nachts die Fenster öffnete und die letzte Rede von Salvador Allende am Fenster stehend, auswendig mitsprach. Immer öfter übernachtete er auf Bänken, da er nicht mehr in der Lage war, nach Hause zu kommen.

 

Wer waren seine Mörder?

Der Mord wurde nie richtig aufgearbeitet. Weder juristisch, noch politisch. Das was als Urteil heraus kam, ist nicht der tatsächliche Ablauf. Wegen Totschlags wurde der damals 21jährige Denny (Name geändert, Begründung weiter unten) als Haupttäter zu 7 Jahren Jugendhaft verurteilt. Laut eigener Aussage hatte er vor der Tat 18 Bier (zu je 0,33l) getrunken und mit anderen Neonazis in einer Neuruppiner Wohnung Musik gehört. Später haben sie „den Entschluss gefasst einen Penner aufzuklatschen“, so das Gericht. Ebenfalls beteiligt war Remo Buchholz, der wegen gefährlicher Körperverletzung zu 3 Jahren Jugendhaft verurteilt wurde.

 

Der Tathergang

Auf ihrer Suche nach einem „Opfer“ stießen sie im Neuruppiner Rosengarten auf den schlafenden Emil Wendland. Als dieser auf Beleidigungen nicht reagierte, griffen sie ihn mit Fäusten an und zerschlugen eine Bierflasche an seinem Kopf. Vermutlich war Wendland dadurch bereits bewusstlos. Nachdem sich die Gruppe entfernte (laut Gericht waren es drei, nach Angaben von damals aktiven Antifas aber mindestens fünf), ging einer der von ihnen, während die anderen in den Park pissten, zurück und stach sieben Mal mit einem 18cm langen „Kampfmesser“ in den Oberkörper des wehrlosen Wendlands. Ein Stich durchtrennte seine Herzschlagader und führte dazu, dass er innerlich verblutete. Das Messer entsorgten die Täter am nächsten Tag im Neuruppiner See. Zwei Tage später wurden beide festgenommen. Für die Stiche verurteilt wurde Denny, aber es ist unklar, ob er die Tat wirklich ausführte.

 

Nach der Tat

Noch während seiner Haftzeit distanzierte sich Denny umfassend von neofaschistischen Ideologien. Um zu verhindern, dass er unter den Nazis als Held gefeiert wird, nahmen sich Menschen aus dem links-alternativen JWP-MittenDrin seiner an. Den Schritt einen Nazimörder auf linke Partys zu lassen, muss aus heutiger Sicht definitiv kritisiert werden, war damals aber eine richtige Entscheidung. Denny ist zwar persönlich nicht bereit, sich weiter mit seiner Tat und den Folgen auseinanderzusetzen, hat diese aber zumindest bereut und bis heute nichts mehr mit Nazis zu tun gehabt. Da seine Distanzierung glaubhaft ist (unter anderem durch ein umfassendes Offenlegen der Strukturen seiner ehemaligen Kameraden) sehen wir keinen Grund seinen echten Namen zu nennen, denn auch wenn er Wendland möglicherweise getötet hat, würde ein solches Outing niemandem weiterhelfen.

 

Ganz anders bei Remo Buchholz: Er ist heute als Tätowierer tätig und in dieser Funktion auch für das ein oder andere Hakenkreuz auf dem Körper eines Kameraden verantwortlich. Im Freundeskreis prahlt er bis heute, schon mal einen Menschen „abgestochen“ zu haben und erfreut sich an der Tatsache, dass lediglich Denny als Haupttäter verurteilt wurde.

 

Gedenkkampagne

Um die Morde durch Neonazis in den frühen 1990er Jahren nicht vergessen zu lassen, haben wir uns entschlossen, diesen vergessenen Mord wieder in das öffentliche Bewusstsein zurückzuholen. Die Kampagne begann mit der „Maximalforderung“ einer Straßenumbenennung. Da dies nicht durchgesetzt werden konnte (Aussage: „Was hat er schon für die Stadt getan?“), wurde sich auf eine Gedenktafel geeinigt. Ebenso wurde durch die Stadt zugesichert, dass unsere Initiativgruppe über den Text für diese Tafel entscheidet. Letztlich wurde hier allerdings durch die Stadtverwaltung eine Zensur ausgeübt und die letzten, beiden Sätze des Vorschlages ersatzlos gestrichen:

 

Die Tatsache, dass Menschen auf der Straße leben müssen, während Häuser leerstehen, ist ein Beweis für die soziale Kälte dieser Gesellschaft. Es liegt an jeder und jedem von uns, für eine menschenwürdige Welt einzutreten.

 

Damit wird auf der Gedenktafel nicht auf die Rahmenbedingungen eingegangen, die Morde an obdachlosen Menschen möglich machen.

 

Gemeinsame Einweihung zum Todestag? Fehlanzeige!

Ebenso unfassbar ist für uns, die Tatsache, dass die Stadtverwaltung nicht bereit ist, eine gemeinsame Gedenkveranstaltung am 01.07.2012 zu organisieren. Nach aktuellem Stand wird die Stadt die Gedenktafel bereits am 29.06.2012 einweihen. Als Grund dafür wird angegeben, dass dies „organisatorisch“ nicht anders möglich ist, da sich am 01.07.2012 einige Vertreter_Innen der Stadt bereits in ihrem wohlverdienten Urlaub befinden. Dieses Verhalten zeigt eine deutliche Prioritätensetzung und muss wohl auch nicht weiter kommentiert werden.

 

Alles muss man selber machen

Trotzdem werden wir zusammen mit der Opferperspektive und der Amadeu-Antonio-Stiftung am 01.07.2012 an den Mord erinnern und auch deutlich unsere Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen benennen, die für diesen Mord mitverantwortlich sind. Eine Gesellschaft die Menschen auf der Straße leben lässt, statt sie in leerstehende Wohnungen einziehen zu lassen, hat in unseren Augen keine Berechtigung, sich sozial und frei zu nennen.

 

Support your local Dorf-Antifa!

Für den 07.07.2012 ist eine Antifa-Demo durch Neuruppin geplant. Ziel ist es hierbei eine Verbindung zu heutigen Nazistrukturen zu zeigen und ins Gedächnis zu rufen, dass auch Neuruppin von der Nazigewalt der 1990er betroffen war. Ebenso gibt es auch heute noch gewalttätige Nazis, die versuchen Strukturen aufzubauen und „nationalbefreite Zonen“ zu schaffen. Erinnert sei an dieser Stelle an die vielen Fascho-Demos in den letzten beiden Jahren in Neuruppin, an einen versuchten Messerangriff auf Antifas im April 2012 und den Angriff von knapp 40 (Neo)Nazis auf das links-alternative JugendWohnProjekt „MittenDrin“ am 01.Mai 2012.

 

Kein VERGEBEN und kein VERGESSEN den Nazimördern!

Im Gedenken an alle Opfer sozialdarwinistischer Gewalt!

NIEMAND IST VERGESSEN 2012

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