Naziangriff in Bochum-Langendreer II

shit-breaker

Bochum Langendreer verfügt über zwei S-Bahn Haltestellen. „Langendreer“ und „Langendreer-West“. Sie gehören zur S1 Linie, einer S-Bahn die von Dortmund bis weit nach Düsseldorf reicht. Beide Haltestellen sind nur über längere Treppen zu erreichen und zu ihren Füßen liegen mehr oder weniger lange und dunkle Tunnel, durch die man in die Stadtteile Bochum-Langendreer oder Bochum-Werne gelangt. Am 13. Januar trafen wir uns an der S-Bahn-Station Langendreer-West mit Martin (Name geändert). In der hier angrenzenden Unterführung begegnete er vor einer Woche in der Nacht einer Gruppe Neonazis, die ihn verfolgte und zusammenschlug.

 

Kurzes -shake hands- und Vorstellen. Dann beginnt er zu berichten. Während er uns von dem Ereignis erzählt, humpelt er neben uns her zu der Stelle in dem kleinen Park, wo sie ihn überfielen und die er uns zeigen will. Das linke Knie und der Fuß schmerzen ihn. Lauter Prellungen, meint er. Die Hüfte und den Brustkorb hätten es auch erwischt. Und die Bänder vom Sprunggelenk seien angerissen. Er ist krankgeschrieben.

 

Vor einer Woche, Donnerstags Nachts, wäre er von der S-Bahn-Station runtergekommen. Sei auf dem Weg zu einem Freund in die Straße „Auf den Holln“ abgebogen. Es sei kurz nach 23.00 Uhr gewesen. Die fünfer-Gruppe Nazis wäre ihm gefolgt. Sie hätten angefangen Steine nach ihm zu werfen: „Gemerkt habe ich das die geworfen haben, das die provozieren wollten.“ Er hätte sie ignoriert und seinen Weg fortgesetzt. „Bin dann weiter gelaufen in den Park hinein. Bin weiter gelaufen und habe Musik gehört. Dachte die wären schon weg. Als ich dann ein Stück gelaufen bin, standen die hinter mir, haben mich angetippt, und haben mich angesprochen. Haben zu mir gesagt „Oh, tolle Musik hörst Du“ „Und ne schöne Jacke hast`e an“. Bevor ich noch darauf reagieren konnte, hat der eine von den Fünf mir schon in die Kniekehle getreten. Ich bin dann zu Boden gesackt, die haben dann zuerst mal zu dritt auf mich drauf getreten, bis ich mich dann gar nicht mehr bewegen konnte. Dann haben die anderen zwei mit gemacht. Und dann hat der eine sich noch zu mir runtergebeugt und gesagt „Wart ja auch schön protestieren das letzte Mal“.“


Dies erzählt er uns, als wir auf der kargen und karsten Erhöhung des vor zwei Monaten eingeweihten Parks stehen. Hier stand vor Jahren noch die Dachpappenfabrik Raschig, bevor die geschlossen wurde und die Altlastsanierung begann. Der langgezogene Hügel mit Neubewuchs wirkt wüst und abschreckend. Die Häuser der benachbarten Straße zeigen einem den Rücken und wirken abweisend. Die Vorstellung auf diesem Nachts unbeleuchteten Stück Karstland von Nazis zusammengetreten zu werden nimmt langsam vor unserem inneren Augen Gestalt an. „Das ging dann so fünf bis zehn Minuten. Und dann sind die von einer Sekunde auf die andere plötzlich abgehauen. Schnellen Schrittes Richtung Langendreer S-Bahnhof und weg waren sie.“


Und er selbst? „Ich hatte während dessen Panik, habe die Hände vor den Kopf gehabt und lag auf dem Boden. Hab auch gar nicht versucht mich zu wehren. Ich wußte, dass wäre schief gegangen. Und als die weg waren, war ich froh, dass ich noch einigermaßen heile war. Dass ich noch selber aufstehen konnte und nach Hause laufen konnte. Weil das nicht mehr zu können, davor hatte ich Angst.“


Wie alt die gewesen sein? Martin, selbst Anfang 20, meint, so zwischen 20 und 25 Jahre. „ Alles Glatzen. Der Eine hatte einen Kinnbart. Die hatten alle Bomberjacken an, Stiefel. Dieses Typische, was man sagen würde, dass sind Neonazis.“


Wie es ihm mit dem Vorfall gehe? Er meint, nicht nur sein Körper, sondern auch seine Seele sei verletzt. „Normalerweise bin ich niemand der Angst hat oder so. Aber in die Richtung alleine im Dunkeln, in die Richtung geh ich nicht mehr. Aber auch wenn ich mit drei, vier Mann unterwegs bin, guck ich mich fünf, sechs Mal um, bevor ich da lang laufe.“ Er ist sichtlich noch eingenommen von dem Schrecken in der Nacht.

 

Mit Politik hat er eigentlich Nichts zu tuen. Auf der Demo gegen die Nazis vor drei Monaten war er dennoch. Er hatte viel von den Vorfällen an der Alten Bahnhofsstraße gehört. Er wüsse nicht, ob Nazis die Antifa-Demo im Stadtteil beobachtet hätten. Aber er hat umgehend die Bilder auf der WAZ Seite nach seinem Konterfei abgesucht. Eine Freundin hätte da schon angerufen und verlangt, dass man Fotos worauf sie zu sehen sei aus dem Internet lösche. Das hätte die WAZ gemacht. Er würde noch mal alle Internet-Fotos durchschauen.

 

Mittlerweile sind wir in der Wohnung des Freudes angekommen. Dieser verfolgt das Gespräch und das Interview. Er mischt sich ein und meint, man solle sich auf Demos vermummen, damit die Presse einen nicht für die Nazis outet. Beide sind froh, dass nicht mehr passiert ist in der Nacht. Die Stelle sei echt beschissen. Da hört und sieht keiner Was. Erst Recht im Winter um diese Uhrzeit. Mit örtlichen Antifas und anderen Stadtteiljugendlichen  wollen sie jetzt überlegen, wie es weitergehen kann.

 

Dieser Artikel ist eine Ergänzung zu „Erneuter Naziangriff in Bochum-Langendreer“

 

 

Andere Berichte zu Bochum-Langendreer:

 

Bochum-Langendreer: Naziübergriff am letzten Wochenende

 

Unterschriftenaktion gegen Nazis in LA

 

Nazis in Werne und Langendreer

 

Bochum/Kriegerdenkmal – „Im Westen Nichts Neues?“

 

Zur Nazidemonstration am 2.4.2011 gegen die Flüchtlinge im „Grevendicks Feld“

 

Bochum: NPD hält Mahnwache für ihre „Helden“ ab

 

NPD - Im Schweinsgalopp durchs Ruhrgebiet

 

 

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Bochum, den 9. Mai 2012

 

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Erklärung des Polit-Cafe Azzoncao:

 

Mit Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Überfall vom 5. Januar 2012 in Bochum-Langendreer um eine Lügengespinst des angeblichen Betroffenen. Dies erfuhren wir letzte Woche aus dem Umfeld des Jugendlichen.

 

Anfang Januar 2012 waren wir von antifaschistischen Jugendlichen Nachts angerufen worden, dass der Mitbewohner eines Bekannten von Nazis zusammengeschlagen worden sei. Daraufhin trafen wir uns mit dem Jugendlichen, seiner Freundin, seinem Mitbewohner und einem jugendlichen Antifa. Der Jugendliche schilderte uns glaubhaft den Vorfall und wir machten eine Ortsbegehung. Alle Jugendlichen machten auf uns einen kohärenten und die Geschichte einen stimmigen Eindruck. So verfassten wir diese Reportage vom 14.01.2012 auf Indymedia.Linksunten.

Wir versuchten weiterhin über die Kontaktvermittlung zu einem Hausprojekt und den Jugendantifas des Stadtteils dem Betroffenen eine Hilfestellung zu geben. Kurze Zeit darauf bemerkten wir, dass diese nicht angenommen wurde. Er erschien nicht zu Treffen und war auch weiter für uns telefonisch nicht zu erreichen. Wir erklärten uns dies über seine vielen Probleme, von denen er uns berichtet hatte.

 

Letzte Woche erfuhren wir zufällig, dass der betroffene Jugendliche nicht mehr bei dem Bekannten der Antifas wohne, dass er während der Zeit des gemeinsamen Wohnens diesen in fast jeder Hinsicht belogen habe und mit hohen Schulden bei diesem ausgezogen sei. Der Bekannte und die antifaschistischen Jugendlichen gehen mittlerweile davon aus, dass auch die Geschichte des Überfalls erlogen ist.

 

Der journalistischen Sorgfaltspflicht entsprechend veröffentlichen wir diesen Umstand.

 

 

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Der Artikel ist sehr gut geschrieben respekt!

 

Es ist krass das die jemanden der auf einer Antifa Demo ist wiedererkennen normalerweise rennt ja kein fascho mit nem foto ordner rum. da frag ich mich doch selber wie sowas dummes und feiges passieren kann. 

....und übrigens denke ich dass auch die Faschos Outingseiten haben wie wir hier, Fotos werden von denen genug gemacht auf Demos und dieser Artikel ist das beste Argument, wenn mich mal wieder jemand dumm fragt, warum auf linken Demos sich so viele Menschen vermummen ("Könnt ihr nicht zu eurer Meinung stehen!?").