Extreme Kanzleien
Neue Rückschlüsse auf das Netzwerk der NSU-Terroristen: Bestimmte Kanzleien werden von Rechtsextremen sehr geschätzt. Als Konsequenz aus den Ermittlungspannen bilden die Sicherheitsbehörden ein gemeinsames Abwehrzentrum.
Als Konsequenz aus den Ermittlungspannen bei der rechtsextremen Mordserie der Gruppe NSU haben die Sicherheitsbehörden ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) in Köln und Meckenheim gebildet. Es soll mit rund 140 Mitarbeitern den Informationsaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten aus Bund und Ländern verbessern.
Unterdessen hat die Auswertung von zwei Versionen des Bekennervideos der Neonazi-Gruppe NSU neue Rückschlüsse auf das Netzwerk der Rechtsterroristen ergeben. So sind die Videos teils mit Musik der rechtsextremen Rockband Noie Werte unterlegt. Noie Werte singt etwa blutrünstige Lieder des britischen Neonazis Ian Stuart Donaldson nach, dem Gründer des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour (Blut und Ehre). Der Bassist und Gitarrist der Band Noie Werte war gleichzeitig ehrenamtlicher Richter am Amtsgericht Stuttgart, bis ihn 2008 das Landesarbeitsgericht seines Amtes enthob, weil die Auftritte der Band gewaltverherrlichend und verfassungsfeindlich seien.
In derselben Musikgruppe sang auch der heutige Rechtsanwalt Steffen Hammer. Hammer arbeitet heute in der Kanzlei H3, deren Zweigstelle, die Rastatter Kanzlei Harsch & Kollegen, aktuell auch den Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben verteidigt. Wohlleben wird Beihilfe zu sechs Morden vorgeworfen. Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders aus der Kanzlei Harsch & Kollegen war zeitweise Wohllebens Stellvertreterin als NPD-Kreisvorsitzender in Jena. Sie sei aus Protest gegen das geplante Verbot im Jahr 2000 „kurzzeitig“ in die NPD eingetreten, teilte Schneiders mit. Wohlleben habe wie jeder Mensch das Recht, mit anwaltlicher Sorgfalt von ihr beraten oder verteidigt zu werden, so die Anwältin.
Ein dritter Anwalt der einschlägigen Kanzlei ist der Jurist Alexander Heinig. Dieser war auch schon als Sänger und Bassist der Rechtsrockband Ultima Ratio zu hören. Die Band zählt ebenfalls zu dem in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerk Blood & Honour. Anwalt Heinig ist in Neonazi-Kreisen kein Unbekannter. Anfang der 90er Jahre war Heinig im Umfeld der Stuttgarter Naziskinhead-Organisation Kreuzritter für Deutschland aktiv, später verteidigte er erfolgreich zusammen mit Anwalt und Ex-Noie-Werte-Sänger Steffen Hammer zwei Neonazis, die beschuldigt waren, die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ öffentlich verbreitet zu haben. Im Jahr 2006 soll Heinig bei einem Gedenk-Konzert für den Gründer des Blood & Honour-Netzwerkes in England gewesen sein. Heinig firmiert als Partner in der Stuttgarter Kanzlei H3 und ist nach eigenen Angaben auch in der Kanzlei Harsch & Kollegen in Rastatt tätig, die Wohlleben verteidigt.
Es gibt weitere Kanzleien im Westen, die einen guten Ruf in der Neonazi-Szene genießen. Etwa die Kanzlei des Kölner Anwalts Andre Picker und des Leverkusener Rechtsanwalts Markus Beisicht. Beisicht half mehrfach etwa dem Kölner Rechtsextremisten Axel Reitz aus der Patsche, der seinen politischen Gegnern in der Vergangenheit drohte, diese würden „eines Tages auf den Marktplatz gestellt und erschossen“. Anwalt Picker verteidigt zahlreiche Neonazis.
Beisicht und Picker kennen sich schon aus der Studienzeit. Beide wurden später Mitglied bei der Partei Die Republikaner und gehören heute zum Führungskreis der rechten Organisationen Pro Köln und Pro NRW. Jurist Picker scheint Neonazis auch beratend zur Seite zu stehen. Im Internet finden sich etwa Einladungen zu einer „Rechtsschulung“ und der Dank der Szene an „Kamerad Picker“.
Verfassungsschutz wollte Geld an Terroristen zahlen
Der Thüringer Verfassungsschutz gerät immer stärker in die Kritik. Das Landesamt für Verfassungsschutz räumte nun ein, eine Geldzahlung an die Zwickauer Terroristen eingeleitet zu haben. Wie die Behörde unter Berufung auf einen ehemaligen Mitarbeiter mitteilte, habe ein V-Mann in den Jahren 1998 oder 1999 dem Trio über einen Mittelsmann 2000 D-Mark übergeben sollen, um Erkenntnisse über deren Tarnidentitäten zu erlangen.
Ziel sei es gewesen, die untergetauchten Jenaer Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe verhaften zu können. Das Vorhaben sei jedoch gescheitert, weil der Mittelsmann das Geld selbst eingesteckt habe.
Damit bestätigt sich ein Bericht der "Bild am Sonntag", wonach ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes diese Information am 6. Dezember 2011 vor der geheim tagenden Kontrollkommission des Thüringer Landtages berichtet habe. Nach Aussagen dieses Verfassungsschützers wusste seine Behörde demnach aus abgehörten Telefonaten, dass die Neonazi-Gruppe damals dringend Geld für neue Pässe brauchte, berichtete das Blatt weiter.
Daher habe der Verfassungsschutz dem V-Mann "Otto" das Geld übergeben, es handelte sich demnach um den damaligen NPD-Funktionär Tino Brandt.
Die Neonazis besorgten sich daraufhin laut "BamS" tatsächlich neue Pässe. Da der Thüringer Verfassungsschutz aber die Meldeämter in Sachsen nicht eingeweiht gehabt hätte, flogen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nicht auf.
Der Thüringer Verfassungsschutz finanzierte dem Bericht zufolge das Neonazi-Trio indirekt auch durch den Ankauf des antisemitischen Brettspiels "Pogromly" für jeweils 100 Mark. Mindestens drei Exemplare des Hetz-Spiels, dessen Verkaufserlös an die Nazi-Zelle floss, wurde dem Zeitungsbericht zufolge an Mitarbeiter des Verfassungsschutzes verkauft.
Die Grünen reagierten schockiert auf die Erkenntnisse. Dies sei ein "Skandal erschreckenden Ausmaßes", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. "Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, die Demokratie gegen Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus wirkungsvoll zu schützen und bestimmt nicht, diesen auch noch finanziell zu fördern."
Laut "Focus"-Informationen war den Verfassungsschützern zumindest Mitte 2000 das Versteck der Neonazis in Chemnitz bekannt. Das belege ein Observationsfoto des Trios vom 15. Mai 2000, das in die Akten des Thüringer Landeskriminalamtes gelangte und ursprünglich von den Thüringer Verfassungsschützern stammen soll.
Unterdessen gerät in Baden-Württemberg ein CDU-Mitglied zunehmend unter Druck. Klaus Harsch von der Anwaltskanzlei Harsch & Kollegen wurde schon seit Jahren immer wieder vorgeworfen, keine klare Abgrenzung zu Rechtsradikalen vorzunehmen. In der Kanzlei von Harsch arbeitet auch Nicole Schneiders, die aus Thüringen kommt, Mitglied der NPD war und nun den mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben verteidigt. Die Anwälte aus der Kanzlei verteidigten bereits zahlreiche Neonazis vor Gericht. Zudem arbeitet der Sänger der mittlerweile aufgelösten Rechtsrock-Band "Noie Werte", der auch Anwalt ist, mit einem Kollegen aus der Kanzlei Harsch zusammen. Auf den rekonstruierten Bekennervideos des NSU wurde Musik von der Band aus Baden-Württemberg benutzt.
Nach SWR-Angaben prüft die CDU nun ein Ausschlussverfahren gegen Harsch. Es gehe dabei um mögliche Verbindungen in die rechtsextreme Szene, hieß es aus der Partei. Allerdings brauche die Partei handfeste Beweise, dass es bei Harsch rechtsextreme Tendenzen gebe. Presseberichten zufolge soll sich Harsch inzwischen von Kollegen mit rechtsextremer Vergangenheit distanziert haben. Demzufolge soll er eine Bürogemeinschaft mit ihnen in Stuttgart gekündigt haben.
http://www.tagesschau.de/inland/nsu146.html
Andre Picker
Hat seine Kanzlei in Dortmund und wohnt in Bochum:
http://de.indymedia.org/2009/08/258748.shtml