Gibt es noch eine Neonazi-Szene?

Erstveröffentlicht: 
16.11.2011

Fünf Jahre nach dem Brand des „Goldenen Kreuz“ in Hohenberg ist es im Raum Ellwangen ruhiger geworden

Drei Jahre lang war das „Goldene Kreuz“ in Hohenberg eine Hochburg der Neonazi-Szene. Bis das ehemalige Gasthaus 2007 von unbekannten Brandstiftern angesteckt wurde. Die Rädelsführer haben daraufhin ihre Aktivitäten in andere Regionen verlagert. Was ist aus ihnen geworden? Gibt es im Raum Ellwangen überhaupt noch eine aktive rechtsextreme Szene? Eine Spurensuche.

 

Ellwangen. Durch die Enttarnung der Zwickauer Terrorzelle ist das Thema Rechtsextremismus plötzlich wieder topaktuell. Ellwangen und Rosenberg waren mehrere Jahre lang Schauplatz rechtsextremer Aktivitäten. Höhepunkt war die Ellwanger Demonstration der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD.


Seitdem die aktiven Köpfe abgewandert sind, der JN/NPD-Stützpunkt geschlossen ist, wurde es im Raum Ellwangen wieder ruhig. Bernhard Kohn, Pressesprecher der Polizei in Aalen bestätigt, dass kreisweit keine rechtsextreme Organisation mehr aktiv sei. Und auch die Zahl polizeilich relevanter Vorfälle, wie Hakenkreuz-Schmierereien, die aber nur selten von politisch aktiven Gruppen herrührten, sei
rückläufig.

 

Anders im Kreis Heidenheim, wo die JN einen Stützpunkt in Giengen unterhält und in der „AG Schwaben“ braune Gesinnungsgenossen sammelt. Dass die Hooligan-Szene in Heidenheim und Aalen feste Kontakte zur JN unterhält, glaubt Kohn nicht. Vermutlich ist es eher umgekehrt, dass die JN bei den Hooligans Unterstützer anzuwerben versucht.

 

So gesehen scheinen mit den JN-Aktivisten auch die Geister, die sie riefen aus unserem Raum verschwunden zu sein. Was also ist mit
ihnen geworden? Im Internet findet man Antworten in zahlreichen Einträgen.

 

Andreas Thierry, 1970 in Kärnten geboren, ersteigerte 2004 den ehemaligen Hohenberger Gasthof „Zum Goldenen Kreuz“ und baute ihn zu einem Stützpunkt der Neonazi-Szene aus, inclusive Verlagshaus für Propagandamaterial und ab 2007 auch NPD/JN-Landesgeschäftsstelle. In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 2007 brannte das Gebäude, 2009 kaufte es die Gemeinde Rosenberg wieder zurück. Im selben Jahr wurde Andreas Thierry auf dem NPD-Bundesparteitag in Berlin in den Vorstand der Partei gewählt. 2010 trat er aus der Partei aus. 2011 war Thierry mehrere Monate unter dem Namen Andreas Reichl als Redakteur der Stadtzeitschrift „Wels im Bild“ in Österreich tätig, stieg sogar zum Chef vom Dienst auf, ehe er nach Enttarnung entlassen wurde. Jetzt lebt er vermutlich in Wien.

 

Alexander Neidlein, 1974 in Crailsheim geboren, ist stellvertretender Bundesvorsitzender der JN und stellvertretender NPD-Landesvorsitzender von Baden-Württemberg. Er arbeitet seit 2000 in Riesa (Sachsen) bei dem NPD-Verlag „Deutsche Stimme“. Bei der Landtagswahl 2011 kandidierte er im Wahlkreis Aalen und im Wahlkreis Heidenheim. Seine kriminelle Vergangenheit ist weithin bekannt: Als 19-Jähriger kämpfte er 1993 einige Monate in Bosnien als Söldner für die HOS-Miliz des kroatischen Faschisten Dobroslav Paraga. Zuvor hatte er in Lübeck ein Postamt überfallen.


Lars Gold, 26 Jahre alt, in Schwäbisch Hall geboren und in Frankenhardt aufgewachsen, ist gelernter Drucker und arbeitet in Ulm bei der Druckerei „Lithographix“, die Propagandamaterial für rechtsextreme Gruppen herstellt. Im Juni 2010 wurde Gold zu einem von drei stellvertretenden JN-Bundesvorsitzenden gewählt. Von 2006 bis 2010 war er zudem Landesvorsitzender der JN Baden-Württemberg in Nachfolge von Alexander Neidlein. Lars Gold kandidierte bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Schwäbisch Hall und Hohenlohe für die NPD. Seit Januar 2011 ist Sascha Schüler JN-Landesvorsitzender.


Lars Käppler, 1975 in Esslingen am Neckar geboren, leitete die Volk in Bewegung – Verlag und Medien OHG, die Thierry in Hohenberg ansiedelte. Käppler wurde immer wieder in Hohenberg gesehen. Er kandidierte bei der Landtagswahl 2006 in Heilbronn und Schwäbisch Hall für die NPD.

 

Vom Landesamt für Verfassungsschutz in Stuttgart wollten wir wissen, ob die Hohenberger Gruppe Kontakte zu der Zitauer Terrorzelle hatte. Eine Antwort steht noch aus.


© Schwäbische Post 16.11.2011

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Zum Großteil ist der Artikel bei der Autonomen Antifa Freiburg abgeschrieben:

 

Das Netzwerk der Ulmer Nazidruckerei „Lithographix“